Der US-Konzern Google ist gerade aufgrund von verschiedenen Entwicklungen in den Schlagzeilen.

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"Nach 20 Jahren bei Google ist es für mich kaum zu glauben, dass ich völlig unerwartet via Mail von meinem letzten Tag im Unternehmen erfahre", tweetete der US-Amerikaner Jeremy Joslin vergangene Woche. Es war wie ein "Schlag ins Gesicht", schrieb er, am liebsten hätte er sich noch von jedem persönlich verabschiedet. Dieser Wunsch wurde dem langjährigen Mitarbeiter jedoch verwehrt.

Tausende Einzelschicksale

6,3 Millionen Mal wurde der Tweet mittlerweile angezeigt und über 3.000-mal retweetet. Viele in den USA können gerade mitfühlen, in welcher Lage sich Joslin befindet. In den letzten Monaten ist eine wahre Entlassungswelle in der Tech-Branche losgebrochen, die auch vor Größen wie Amazon oder Meta nicht haltgemacht hat und in diesem Jahr bereits Microsoft und Google jeweils über 10.000 Mitarbeiter kündigen ließ. Die Anteilnahme ist deshalb auch auf Social Media groß, speziell auf Twitter und Linkedin.

Eine Twitter-Nutzerin kommentiert Joslins Beitrag mit den Worten: "Ich habe von meiner Kündigung beim Aufwachen erfahren, als auf meinem Smartphone angezeigt war, dass die Services demnächst abgedreht werden." Auch aus ihren dienstlichen Apps war sie bereits ausgeloggt. Warum, das erfuhr sie kurz darauf via Mail. Joslin antwortet, ihm sei es genauso ergangen. Er habe geglaubt, es sei ein technischer Fehler auf dem Smartphone.

Vor allem die Art der Trennung provoziert den Softwareentwickler zu weiteren Onlinekommentaren. Nach einer so langen Zeit, in der man doch viel für das Unternehmen getan habe, sei via Mail gekündigt zu werden ein "schwieriger Weg, sich zu verabschieden". Ein wenig "Mitgefühl" oder eine "persönliche Note" hätten es einfacher gemacht. Seine direkten Vorgesetzten hätten sich weder vor noch nach der Kündigung bei ihm gemeldet.

Unschöner Umgang

An vergleichbaren Beispielen mangelt es im Netz nicht. Auf Linkedin schreibt ein ehemaliger Google-Forscher, er sei um vier Uhr Früh ins Büro gefahren, um dort noch eine wichtige Analyse fertigzustellen. Seine Zugangskarte funktionierte allerdings nicht mehr. Nach über 17 Jahren musste er so erfahren, dass er ein Xoogler geworden ist, wie sich Ex-Mitarbeiter nennen.

Über Gründe oder Kriterien für die Kündigungen und Entlassungen herrscht bei den Ex-Mitarbeiterinnen und – Mitarbeitern Unwissen. Auf den Social-Media-Plattformen wird darüber spekuliert, dass offenbar weder Dienstzeiten noch die Leistung dafür entscheidend waren. Die erwähnten Beispiele erfahren in den Kommentaren viel Unverständnis, zählen sie doch zu den "Besten der Besten", wie ein Nutzer beispielsweise Joslin bezeichnet.

Auch auf dem Networkingportal Linkedin sind zahlreiche Statements von Ex-Mitarbeiterinnen zu lesen.
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Auch ein Bericht von Bloomberg konnte in dieser Beziehung kein Licht ins Dunkle bringen. Ein Bezug zur Leistung könne bei den Kündigungen nicht festgestellt werden. Manche Teams seien einfach zur Gänze aufgelöst worden, wie einige Mitarbeiter berichten. Offenbar wusste auch die Personalabteilung nicht Bescheid. Auf Linkedin schreibt die ehemalige HR-Verantwortliche Blair Bolick, dass nicht einmal ihr Chef wusste, dass sie gehen muss. "Ich bin am Boden zerstört, traurig und wütend", schreibt Bolick. Ein anderer Entwickler schreibt, der US-Konzern habe gezeigt, dass jeder Mitarbeiter zu "100 Prozent ersetzbar" ist.

Immerhin Abfertigung

Der US-Konzern kommunizierte die Kündigungswelle öffentlich in der Nacht auf Freitag. Die Mitarbeiter seien bereits tags zuvor informiert worden, hieß es in der Aussendung. Betroffen sind rund 12.000 Mitarbeiter und damit rund sechs Prozent der weltweiten Angestellten des Mutterkonzerns Alphabet. Schuld sei die "wirtschaftliche Realität", wird CEO Sundar Pichai in der Aussendung zitiert.

Zumindest in Sachen Abfertigung steigen die gekündigten Tech-Mitarbeiter besser aus als viele andere. Manche schreiben von einer Abfertigung, die 40 Wochen Gehalt umfasst, und nochmals einem Bonus von 16 Wochen. Eine Sozialarbeiterin aus einem Krankenhaus kommentiert auf Twitter, dass sie den Betroffenen alles Gute wünscht und sicher sei, dass diese bald wieder etwas finden würden. Sie selbst habe ebenfalls sehr kurzfristig ihren Job verloren und habe lediglich eine Abfertigung für 15 Wochen Arbeitszeit erhalten.

Gründe schnell gefunden

Als Gründe für die Kündigungen nennen die meisten Tech-Konzerne das Abflachen der Nachfrage nach bestimmten Produkten und die drohende Rezession. Dass man mit dem Stellenabbau auch beruhigter in Richtung Börse blicken kann, ist nur zwischen den Zeilen zu lesen. Mit dem massiven Stellenabbau in den Medien war zuletzt auch Twitter – hier traf es satte 80 Prozent der Belegschaft –, aber auch Meta, Microsoft oder Amazon. Wann sich die Tech-Branche wieder personell stabilisiert, bleibt abzuwarten, genauso wie, was mit den zehntausenden Ex-Mitarbeitern passiert.

Für Google selbst sind die Negativschlagzeilen zu den Kündigungen nicht die einzige Baustelle. Aktuell klagt die US-Regierung den Suchmaschinenbetreiber, weil das zu Alphabet gehörende Unternehmen seine Vormachtstellung im digitalen Werbegeschäft missbraucht haben soll, wie aus einem aktuellen Gerichtsdokument hervorgeht. Darin wird auch die Zerschlagung von Googles Aktivitäten mit Werbetechnologien gefordert. Zusätzlich soll das Unternehmen zu Schadenersatzzahlungen verpflichtet werden. (aam, 26.1.2023)