Die meisten Säugetiere haben ein Fell, was nicht zuletzt in der kalten Jahreszeit Überlebensvorteile bringt. Es gibt aber Ausnahmen. Weitgehend oder völlig unbehaart sind beispielsweise Wale und Delfine, der Nacktmull (nomen est omen), aber auch Elefanten und Menschen. Selbst die haarigen Restbestände sind vielen von uns heute zu viel: Die Rasier- und Epilationsindustrie macht Milliardenumsätze, um die wenigen Haare, die uns noch geblieben sind, zu entfernen oder wenigstens zu trimmen.

Auf der anderen Seite boomt aber auch das Geschäft mit den Eigenhaarverpflanzungen, das vor allem von Männern in Anspruch genommen wird, die keinen Wert auf Kahlköpfigkeit legen.

Auch wenn diese für einen Wettbewerb zur Schau gestellten Bärte es nicht vermuten lassen: Moderne Menschen haben im Vergleich zu ihren Vorfahren sehr wenig Körperbehaarung.
Foto: Lauren Miller/The Casper Star-Tribune via AP

Was aber sind die genetischen Mechanismen, die hinter der Felllosigkeit von bestimmten Säugetierarten stecken? Und sind die bei den verschiedenen haarlosen Spezies ähnlich oder ganz anders? Diesen Fragen hat sich ein Team um den Humangenetiker Clark Nathan (University of Utah) in einer aufwendigen Studie im Fachblatt "eLife" gewidmet und untersuchte dafür die Gene von nicht weniger als 62 verschiedenen Säugetierspezies – solchen mit Fell und solchen ohne.

Dabei zeigte sich, dass sich der Pelzverlust mindestens neunmal unabhängig voneinander auf verschiedenen Zweigen des Stammbaums der Säugetiere entwickelte, was in der Biologie als konvergente Evolution bezeichnet wird. Die Gründe für den Haarverlust sind entsprechend vielfältig: Für Elefanten, die vorwiegend in tropischen Klimazonen leben, ist Felllosigkeit eine Möglichkeit, Wärme schneller abzugeben; für Delfine verringert sich haarlos der Widerstand im Wasser. Und beim Menschen trugen vermutlich mehrere Faktoren zum Haarverlust (jedenfalls im Vergleich zu unseren nächsten lebenden Verwandten) bei: Hitzeregulation spielte da vermutlich ebenso eine Rolle wie die erwünschte Vermeidung von Parasiten.

Phänotyp und Genotyp

"Wenn Tiere unter evolutionärem Druck stehen, Haare zu verlieren, verlieren die Gene an Bedeutung, die für Haare codieren", fasst Studienleiter Clark Nathan den Zusammenhang von sichtbarer Erscheinungsform (Phänotyp) und deren Entsprechung in der DNA (Genotyp) zusammen. Aber welche Gene sind das genau, die an Bedeutung verloren haben?

Um das zu eruieren, verwendete sein Team eine neue computergestützte Methode, um bei den untersuchten Tierarten fast 20.000 codierende Gene (also solche, die den Bauplan liefern, wie die Zelle ein bestimmtes Protein herstellen soll) und 350.000 regulatorische Gene unter die Lupe zu nehmen. Dabei zeigte sich, dass die genetischen Veränderungen bei den sehr verschiedenen pelzlosen Arten inklusive Mensch meist auf Mutationen in denselben Genen zurückzuführen sind. Die meisten davon haben – wenig überraschend – mit der Struktur der Haare und der Regulierung ihres Wachstums zu tun.

Nacktmulle gehören neben Menschen zu den wenigen fast haarlosen Tieren. Mit dem Menschen teilen sie außerdem eine besondere Langlebigkeit. Nacktmulle können 30 Jahre alt werden, was für Nagetiere außergewöhnlich ist.
Foto: Thomas Park / UIC

Eher überraschend war dagegen eine zweite Erkenntnis: "Auch wir Menschen verfügen noch über viele unserer uralten, für das Haar codierenden Gene", sagt Nathan, "aber durch die Anhäufung dieser Mutationen wurden ihre Regler auf ‚aus‘ gestellt." Zudem identifizierte das Team aber auch hunderte neuer haarbezogener Regulationsgene und einige potenzielle neue haarcodierende Gene. Die könnten sich als wichtig für Menschen erweisen, die versuchen, durch Krankheiten oder Chemotherapien verlorenes Haar wiederzugewinnen. (tasch, 26.1.2023)