Papst Franziskus bezeichnete auch den verstorbenen George Pell als "großartigen Mann".

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"Benedikt XVI. war ein Gentleman, der mir Sicherheit gab. Wenn ich Zweifel hatte, ging ich zu ihm in sein Kloster", sagte Franziskus in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Es war das erste Interview, das er seit dem Tod seines Vorgängers am Jahresende gegeben hat. Zuvor hatte sich Benedikts Privatsekretär, der deutsche Erzbischof Georg Gänswein, bei mehreren Gelegenheiten zum Verhältnis zwischen dem aktuellen und dem emeritierten Pontifex geäußert und auch ein Buch publiziert. Dabei hatte Gänswein durchblicken lassen, dass es gelegentlich zu Meinungsverschiedenheiten und Spannungen zwischen den beiden gekommen sei. Dies dementiert Franziskus in aller Form: "Mit Benedikt XVI. habe ich einen Vater und lieben Gefährten verloren."

Franziskus erklärte erneut, dass sein Vorgänger mit seinem Rücktritt "eine Tür geöffnet" habe, die auch von anderen Päpsten durchschritten werden könne. Es selbst denke aber im Moment nicht an Rücktritt, betonte der 86-Jährige. Die Divertikulitis (Entzündung von Ausstülpungen im Dickdarm), wegen der er sich im Juli 2021 einer mehrstündigen Operation unterziehen musste, mache sich zwar wieder bemerkbar. Dafür gehe es seinem Knie wieder besser: Ein Knochenbruch infolge eines Sturzes sei dank einer Laser- und Magnettherapie ohne Operation wieder verheilt. "Ich könnte morgen sterben, aber es ist alles unter Kontrolle. Ich bin bei guter Gesundheit", erklärt Franziskus in dem Interview. Er wolle noch so lange wie möglich "Bischof von Rom" – also Papst – bleiben, in Kommunion mit allen anderen Bischöfen der Welt.

Kein Rücktritt in Weiß

Der Pontifex aus Argentinien dementierte auch Berichte, wonach er Regeln für künftige Papstrücktritte erlassen wolle. "Das habe ich noch nie in Erwägung gezogen." Benedikt habe mit seinem Rückzug ins vatikanische Kloster für sich selbst eine "gute Zwischenlösung" gefunden – aber seine Nachfolger müssten die Freiheit haben, für sich selbst eine andere Lösung zu finden. Franziskus betonte, nicht zum ersten Mal, dass er persönlich im Fall eines Rücktritts im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht mehr im Vatikan würde leben wollen, sich nicht "emeritierter Papst" nennen und auch nicht weiß kleiden würde. Vielmehr würde er in ein Heim für pensionierte Bischöfe in der Diözese Rom ziehen wollen.

In dem Interview ging Franziskus auch auf die Kritik an seiner Person und seinem Pontifikat ein, die nun, nach dem Tod des konservativen Benedikt XVI., möglicherweise noch schärfer werden könnte. Mit seinem Vorgänger habe diese Kritik nichts zu tun, betonte der Papst, sondern vielmehr mit der "Abnützung" in einem Pontifikat, das im März nunmehr zehn Jahre andauere. "Nach der anfänglichen Überraschung haben meine Kritiker meine Fehler gesehen, und sie waren nicht zufrieden", stellt der Papst fest. Das sei normal, Kritik helfe den Menschen zu wachsen und Dinge zu verbessern. Über den kürzlich verstorbenen australischen Kardinal George Pell, der sein Pontifikat als "Katastrophe" bezeichnet haben soll, sagte Franziskus: "Auch wenn gesagt wird, dass er mich kritisiert habe, ist das in Ordnung. Das ist sein Recht, die Kritik ist ein Menschenrecht. Und Pell war ein großartiger Mann."

Gegen LGBTQI-Kriminalisierung

Papst Franziskus kritisierte ferner Gesetze, die Homosexualität kriminalisieren oder sogar unter die Todesstrafe stellen. "Wir sind alle Kinder Gottes, und Gott liebt uns so, wie wir sind. Jeder von uns muss die Möglichkeit haben, für die eigene Würde zu kämpfen." Franziskus gab zu, dass auch katholische Bischöfe in einigen Teilen der Welt Gesetze unterstützen, die Homosexualität kriminalisieren oder die LGBTQI-Gemeinschaft diskriminieren. Tatsächlich gelten homosexuelle Handlungen gemäß der katholischen Lehre als Sünde. "Aber eine Sünde ist auch die mangelnde Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten", betonte Franziskus. (Dominik Straub aus Rom, 25.1.2023)