Nvidia versus AMD, Team Green versus Team Red – in der Welt der dedizierten Grafikkarten herrschte gut zwei Jahrzehnte lang ein Zweikampf. Nach den Wildwestzeiten des damals noch jungen Marktes in den 1990ern konsolidierte sich das Geschäft in den frühen 2000ern auf Nvidia und ATi. Letztere landeten 2006 dann unter dem Dach von AMD.

Ein dritter Herausforderer war lange nicht in Sicht. Ende der Nullerjahre bastelte Intel unter dem Codenamen "Larabee" an eigenen Grafikkarten. Die Entwicklung verlief aber nicht zufriedenstellend, die Herstellung wurde abgeblasen und bis dahin entwickelte Technologie in die Umsetzung von Server-Koprozessoren gesteckt. Es sollte aber nicht der letzte Anlauf bleiben.

Seit ein paar Jahren bastelt man wieder an Desktop-GPUs. Nach der Veröffentlichung von Prototypen, neuen Laptop-Grafikchips und einer "Testgeneration" der dedizierten Karten in Form von Iris Xe DG1 im Jahr 2020 war es im Oktober 2022 so weit: Man stellte fünf Grafikkarten unter dem Seriennamen "Arc" vor.

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Upgrade-Überlegungen

Weil meine mittlerweile über sechs Jahre alte Nvidia GTX 1070 zunehmend ins Schwitzen kommt, rückte das Topmodell der Reihe, die Arc A770, ins Feld potenzieller Nachfolgekandidaten, gemeinsam mit anderen Optionen wie der Nvidia RTX 3060 Ti und der AMD RX 6700 XT. Ordentliche Performance in aktuellen Games bei 1440p-Auflösung (2.560 x 1.440 Pixel) und wieder ein paar Jahre "Ruhe" bis zum nächsten Upgrade sind der Anspruch.

Die Arc-Karte brachte durchaus verlockende Argumente ins Feld. Gerade in neueren Games, die auf DirectX 12 oder Vulkan als Grafikschnittstelle setzen, soll sie sich gut schlagen und liegt in Benchmarks mitunter auf dem Level der Nvidia-Alternative. Dazu ist Raytracing an Bord, mit XeSS auch eigenes KI-Supersampling als Alternative zu Nvidias DLSS. Und in Intels eigener Limited-Edition-Ausführung werden üppige 16 GB an VRAM geboten, was nicht nur zum Hineinschaufeln hochauflösender Texturen praktisch ist, sondern auch für Anwendungen wie lokale KI-Bildgenerierung.

Die Intel-Karten hatten allerdings nicht den besten Start. Zu Beginn machten ihnen Treiberprobleme massiv zu schaffen. Instabilitäten, Abstürze, nicht oder nur schlecht laufende Spiele. Der Hersteller hat seitdem aber mit zehn Treiber-Updates gut nachgebessert. Grobe Probleme gehören weitestgehend der Vergangenheit an, und die Performance wurde durch die Bank merklich verbessert. Insbesondere bei älteren Games, die noch auf Schnittstellen wie DirectX 9 laufen, ließen sich zur Freude der Betroffenen die Frameraten beträchtlich steigern und Probleme wie wiederkehrende Ruckler ausmerzen.

Dieser Fortschritt veranlasste mich, der Karte zumindest eine Chance zu geben. Wobei ich gestehen muss, dass hier auch der Reiz des aufregenden Neuen eine gewichtige Rolle spielt. Und Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Intels Markteintritt könnte also die eine oder andere Innovation anstupsen und sich auch positiv auf die Grafikkartenpreise auswirken, die in den letzten Jahren eine irre Achterbahnfahrt hingelegt haben.

Gamers Nexus

Ein Abenteuer beginnt

Nun also zum eigentlichen Erfahrungsbericht. Dieser verzichtet übrigens bewusst auf umfangreiche Benchmarks, da es diese zu dieser Karte ohnehin schon zuhauf gibt. Grobe Vergleichszahlen sind zwar zu finden, vorwiegend geht es aber um die Erfahrung als "Early Adopter" eines Produkts von einem Hersteller, der zwar schon lange im Chipgeschäft, aber ein Neuling am Markt für dedizierte Grafikkarten ist.

Vor knapp zwei Wochen war sie also in der Post, die Arc 770 Limited Edition. Subjektiv gesehen ist es ein schickes Stück Hardware, das seitdem meinem AMD Ryzen 3700X und seinen 16 GB an DDR4-Arbeitsspeicher Gesellschaft leistet. Die ansprechende Ästhetik erkauft sich diese Variante der Karte allerdings mit einer thermisch nicht ganz optimalen Konstruktion und schwerer Reparierbarkeit. Das wurde auch schon von manchen Tech-Plattformen, darunter "Hardware-Jesus" Stephen Burke von Gamers Nexus, bei der Zerlegung der Karte zu Recht kritisiert.

Die Inbetriebnahme verlief unproblematisch. Die alten Treiber wurden im abgesicherten Modus von Windows mit dem bewährten "Display Driver Uninstaller" sauber entfernt, die Karte ausgetauscht und die neuen Treiber installiert. Mit einem mehr als 1,2 GB großen Paket übertrifft die Kombination aus Treiber und "Arc Control" Steuersoftware in puncto Dateigröße hier sowohl Nvidias Geforce Experience und AMDs Adrenaline-Suite.

Ruppiger Einstieg

Nach dem Einschalten meldete sich Arc Control dann auch gleich mit Benachrichtigungen zu Wort und empfahl die Aktivierung von Resizable BAR (auch Smart Access Memory genannt). Dabei handelt es sich um eine Technologie, die es dem Prozessor ermöglicht, über die PCI-Express-Schnittstelle direkt auf den Arbeitsspeicher der Grafikkarte zuzugreifen. Das sorgt in der Regel für bessere Performance, wobei bei den meisten Karten der tatsächliche Leistungsgewinn im einstelligen Prozentbereich liegt.

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Ich ignorierte diese Empfehlung im Glauben, dass meine CPU gar nicht erst über diese Möglichkeit verfügt. Bei AMD-CPUs wurde das Feature mit der Ryzen 5000-Serie eingeführt. Dass der Chiphersteller es über die Software seiner Mainboard-Chipsätze auch für die 3000er-Reihe nachrüstete, war an mir vorbei gegangen. Dank dem Tunnelblick auf Benchmarks war mir auch verborgen geblieben, dass die Arc-Karten stark für die Verwendung von reBAR optimiert wurden.

Operiert man ohne reBAR, läuft die Arc 770 nicht nur gut ein Viertel unter ihren Möglichkeiten, sondern fällt auch mit anderen Problemen auf. Dazu gehören, wie ich feststellen durfte, Ruckler und Framerate-Absacker selbst in Spielen, bei denen sich die Karte eigentlich langweilt. Dazu kommen hohe Auslastung und schnelles Erreichen des 90-Grad-Temperaturlimits unter Last, gefolgt von entsprechender Drosselung und kurzzeitigen Bildschirmausfällen. Ins Stottern geriet sie beispielsweise bei "League of Legends", das selbst mit integrierten Laptop-Grafikchips normalerweise schnell und stabil läuft.

Leistungseindrücke

Nach Auffrischung meines Kenntnisstands und Aktivierung von reBAR spielt die Karte wieder im Performancebereich zwischen RTX 3060 und 3060 Ti und bleibt dabei trotz gedämmtem Silent-Gehäuse recht kühl. In nicht mehr taufrischen Games wie "PUBG" liegt die Framerate bei gleichen Grafikeinstellungen nun durchschnittlich um die 20 Prozent höher, als noch mit der GTX 1070. In manchen Situationen steigt diese Differenz auch über 50 Prozent. Dabei ist zu sagen, dass das Battle Royale-Game allgemein als Musterbeispiel für furchtbare Performanceoptimierung gilt.

Im direkten Vergleich in "Blacktail", das erst letzten Dezember released wurde, sind es im Mittel eher 20 bis 30 Prozent bei mittleren Grafikeinstellungen. Dreht man die visuelle Qualität aufs Maximum, läuft das Spiel immer noch stabil mit 60 bis 110 Frames pro Sekunde, je nach Spielszene. Mit der Vorgängerkarte stürzte die Performance hier teils unter 40 Frames ab.

Verschiedene ältere Games liefen weitgehend problemfrei. Vereinzelt waren Grafikfehler oder kurzes "Stottern" zu bemerken. Bei Titeln wie dem Rollenspiel-Klassiker "Morrowind" aus 2002 ist allerdings schwer zu sagen, in welchem Umfang das Problem bei der Grafikkarte zu suchen ist, da der Betrieb unter einem modernen Betriebssystem generell problembehaftet sein kann. Die Gegenprobe mit OpenMW, das die Ausführung des Spiels mit einer modernisierten Nachbildung seiner Engine ermöglicht, lief ruckelfrei.

Auch viele ältere Titel – hier: "Morrowind" – liefen im Test ohne gröbere Probleme.

Arc Control

Ein wenig eine Baustelle ist Arc Control. Hier findet man Einstellungsmöglichkeiten zu einzelnen Games, globale Grafikvorgaben, eine Übersicht zu den Sensordaten der Karte und auch Tools für Overclocking, Aufnahme und Streaming. Realisiert wurde dies ausschließlich als Overlay, eine "Fensterversion" der Software gibt es nicht. Wer Temperatur, Leistung, Auslastung und andere Dinge stetig im Blick haben möchte, kann sich separat auch eine kompakte Liste einblenden lassen. Welche Echtzeitdaten angezeigt werden, lässt sich anpassen.

Von den installierten Spielen wurde nur ein kleiner Teil erkannt, zumindest lassen sich andere Spiele aber einfach zur Bibliothek der Treibersoftware hinzufügen. Die Übertaktungsoptionen erlauben eine vorsichtige Anpassung von Spannung, Leistung und Takt zur Ausforschung des Stabilitätslimits. Die Karte ist ab Werk sehr konservativ konfiguriert. Damit sind im Vergleich zur Ausgangskonfiguration einige Steigerungen drin, der tatsächliche Performancegewinn hält sich aber in Grenzen.

Bei moderatem Überschreiten der Ausgangswerte meinerseits ließen sich in verschiedenen Spielen ein paar Frames gewinnen. Anderen, umfangreicheren Tests zufolge, wie hier bei Kitguru, lassen sich aber selbst mit maximal erhöhter Leistungsaufnahme kaum mehr als zehn Prozent Performancesteigerung erzielen, während der Verbrauch der Karte gleichzeitig um ein gutes Viertel ansteigt. Kein lohnenswerter Kompromiss.

Das Arc Control Overlay mit den Overclocking-Einstellungen nebst dem Info-Overlay mit Echtzeitdaten.
Foto: Screenshot

Die Aufnahme von Spielen, wahlweise nur automatisch erkannte "Highlights" in verschiedenen unterstützten Games, oder per An/Aus-Steuerung mit einem Shortcut, funktioniert gut, allerdings nicht mit jedem Spiel. Die Video- und Audioqualität kann konfiguriert werden, zur Speicherung stehen drei Codecs – AVC (H.264), HEVC (H.265) und AV1 – zur Verfügung. Der native Support von AV1, der im Vergleich zu AVC und HEVC bessere Komprimierung bei höherer Bildqualität bietet, könnte die Karte in Hinkunft sehr interessant machen. Youtube unterstützt diesen bereits, allerdings nicht für Streaming. Twitch wird heuer mit der Implementierung beginnen.

Theoretisch bietet das "Arc Studio" auch die Möglichkeit, direkt via Twitch oder andere Plattformen zu streamen. Aber schon die Konfigurationssetzung brachte die Software immer wieder zum Einfrieren. Der genaue Grund ließ sich schwer eruieren, es sieht aber so aus, als verschluckt sie sich gerne bei der Abfrage von Webcamquellen. Wer eine simple Lösung für Streaming sucht, wird sie hier vielleicht irgendwann finden. Allgemein ist man aber mit darauf spezialisierter Software wie OBS besser beraten.

Vergesslicher Treiber

Die anstrengendste Kinderkrankheit ist allerdings ein immer wieder aus unklaren Gründen auftretender Ausfall der "Kennung" der Karte. Das hat zur Folge, das Spiele den Start verweigern, weil sie "den Grafikadapter nicht initialisieren" konnten oder keinen zur jeweils genutzten Grafikschnittstelle befähigten Adapter erkennen konnten. Games, wohlgemerkt, die zuvor noch anstandslos liefen.

Hier helfen auf meinem System momentan weder das Abwürgen und Neustarten von Arc Control, noch seines Dienstes im Windows-System oder das erzwungene Neuladen des Grafiktreibers. Erst nach einem Neustart läuft wieder alles, wie gehabt.

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Mittendrin statt nur dabei

Was bedeutet das alles nun für die Zukunft? Völlig rational überlegt, sollte ich von den Möglichkeiten der Fernabsatzbestimmungen Gebrauch machen, die Arc 770 retournieren und stattdessen auf ein gutes Angebot für die RTX 3060 Ti oder RX 6700 XT warten. Diese bieten vergleichbare Leistung, genießen viel größere Unterstützung unter den Spieleherstellern und verfügen über ausgereifte Treiber. Dazu ist es mit ihnen auch recht einfach, die Bilder-Generierungs-KI Stable Diffusion unter Windows zu verwenden.

Die Intel-Karte bringt einiges Potenzial mit, von dem aber nicht klar ist, ob es je ausgereizt wird. Für Bildgenerierungs-KI existieren bereits Lösungen, die sich auf Windows aber noch nicht einfach umsetzen lassen. Die Unterstützung von TensorFlow könnte die Karte auch für andere Experimente im KI-Bereich interessant werden lassen.

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Der Support seitens der Gamestudios dürfte mit der Zeit auch besser werden, zumindest wenn Intel langfristig im Geschäft bleibt. Nachdem Gaming-Grafikkarten aber ohnehin kein besonders lukratives Geschäft sind, sondern eher als glorifizierte Entwicklungsabteilung für anderweitig nützliche Innovationen dienen, habe ich wenig Angst, dass der Chipriese sich so schnell wieder zurückziehen wird. Ich bin mir aber über das Restrisiko im Klaren. Offen bleibt auch, ob das noch in der Karte schlummernde Leistungspotenzial geweckt wird.

Aber genau diese Unbekannten machen sie für mich auch spannend, weswegen ich die Arc A770 auch behalten werde. Denn da ist er wieder, der schon erwähnte Reiz an neuer Technik, der mich in den Techjournalismus geführt hat. Der Reiz eines Produkts mit Potenzial, das mich im Nachhinein sagen lassen kann: "Ich war mittendrin statt nur dabei." Dabei, als die Welt der Grafikkarten endlich wieder spannend geworden ist, selbst wenn Intel am Ende krachend scheitern sollte. (gpi, 25.1.23)