Die Wahlberechtigten in Niederösterreich hatten je nach Wohnbezirk die Qual zwischen fünf und sieben Listen. Im abgebildeten Wahllokal im Bezirk Amstetten wurde versucht, mit gebrandeten Kugelschreibern nachzuhelfen.

Wer wählte wen warum? Darüber gibt das reine Wahlresultat natürlich keine Auskunft. Über die traditionelle Wahltagsbefragung will die Meinungsforschung dennoch Zugänge zu den Motiven der einzelnen Bevölkerungsgruppen finden. Hier folgen die Ergebnisse der Befragung von Sora/Isa im Auftrag des ORF zur niederösterreichischen Landtagswahl 2023 – sowohl zu allgemeinen Fragestellungen als auch zum Wahlverhalten nach Alter, Geschlecht, Bildung oder Einkommenszufriedenheit. Details dazu finden Sie am Artikelende.

ÖVP weiblicher, FPÖ männlicher

Die SPÖ kommt zu ihrem Ergebnis aus einem recht ausgeglichenen Geschlechterverhältnis heraus, die Grünen und die Neos ebenfalls. Bei ÖVP und FPÖ gibt es zwischen den Geschlechtern aber starke Bruchlinien: Männer tendieren überrepräsentiert zu Blau, Frauen zu Schwarz.

Bei den Jungwählern bis 29 Jahren und dem mittleren Alterssegment zwischen 30 und 59 Jahren ähneln die Wahlergebnisse einander. Die regierende ÖVP und die FPÖ wären dort um die 30 Prozent fast gleichauf – in der populationsreicheren mittleren Gruppe hat die FPÖ sogar die Nase vorne. Den Unterschied machen die über 60-Jährigen: Eine absolute Stimmenmehrheit von 55 Prozent in dieser Kohorte pusht Mikl-Leitners Volkspartei auf das landesweite Ergebnis von knapp 40 Prozent.

Die ÖVP erreicht bei Menschen jeglichen Bildungsabschlusses hohe Werte von mehr als 34 Prozent, am höchsten sind die Anteile bei den Pflichtschulabgängern. Dahinter gibt es je nach formaler Bildung aber zum Teil deutliche Unterschiede; bis zur Matura teilen sich vor allem SPÖ und FPÖ das Feld auf, bei Matura oder höher wird das Feld diverser. Unter Universitätsabsolvent:innen sind SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos mit Anteilen zwischen 14 und 18 Prozent allesamt in einem ähnlichen Bereich.

Gruppiert man die Wähler nach ihrer jeweiligen Antwort auf die Frage, ob sie mit ihrem Einkommen gut oder schlecht auskommen, zeigt sich ein sehr differenziertes Bild: Gutverdiener tendieren zur ÖVP, Nicht-so-gut-Verdiener zur FPÖ. Die SPÖ ist wie so oft an diesem Wahltag bei eher mittelmäßigen 20 Prozent und ohne größere gruppenbedingte Ausreißer.

ÖVP-Gefolge zufrieden mit Arbeit

Wenn man sich für eine Partei entschieden hat, stecken verschiedene mehr oder weniger starke Gründe dahinter. Im Fall der niederösterreichischen Volkspartei war das laut Umfrage vor allem die bisherige Arbeit der Partei. Die Person von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner folgt mit größerem Abstand an zweiter Stelle.

Bei der SPÖ ist es vor allem eine Frage der Weltanschauung. Mehr als 40 Prozent der deklarierten SPÖ-Wähler nannten die inhaltlichen Standpunkte als Hauptmotiv. Die Mehrheit der ÖVP zu brechen war hingegen wie alle anderen Gründe nur ein nachrangiges Motiv.

Die Beweggründe der FPÖ-Wähler decken sich ungefähr mit jenen bei der SPÖ, die Inhalte stehen (wenngleich sie bei beiden Parteien unterschiedlich ausfallen) ganz oben, alle anderen Punkte sind weit abgeschlagen. Bei den anderen Parteien war das Sample für eine derartige Auswertung zu klein.

Für die Wählerinnen und Wähler der drei stimmstärksten Parteien lässt sich aus den Umfrageergebnissen auch ableiten, welche Parteien sie in einer möglichen Koalition willkommen heißen würden. Naheliegenderweise ist das fast immer die selbst gewählte Partei (98 Prozent bei ÖVP und FPÖ, 96 Prozent bei der SPÖ), dahinter herrscht aber meist nicht mehr viel Akzeptanz. SPÖ- und ÖVP-Wähler können sich zu 34 bzw. 32 Prozent die jeweils andere Partei in einer Regierungszusammenarbeit vorstellen. Den geringsten Zuspruch erhalten die Grünen von FPÖ-Wählern.

Meistdiskutierte Themen

Die Wahl fällt in eine Zeit "multipler Krisen", wie man oft hört – die Corona-Pandemie ist offiziell noch nicht vorbei, auf dem Kontinent tobt ein Krieg, und nicht ganz unabhängig davon ist es im Vorjahr zu einer Teuerung im Land gekommen, wie sie die meisten noch nicht erlebt haben. Über Letzteres hat dann auch die Hälfte diskutiert, wenn es um inhaltliche Themen der Landtagswahl gegangen ist. Danach fädeln sich mehrere Themen mit Werten um die 30 Prozent auf: Energiesicherheit, Zuwanderung, Gesundheit und Korruption.

Wenn man diese Wahlkampfthemen nach Parteigängern der drei größten Fraktionen separiert, zeigen sich vor allem bei zwei Aspekten Ausreißer: Anders als für die Restbevölkerung ist für die FPÖ-Anhänger "Zuwanderung und Integration" nach wie vor ein Top-Thema; und die ÖVP-Wähler ignorieren das Problem Korruption sehr gerne.

Eher negative Entwicklung

Bei der Wahltagsbefragung zur Bundespräsidentenwahl im vergangenen Herbst wurde das damalige Sample gefragt, ob sich Österreich eher positiv, eher negativ oder weder noch entwickelt hat. 65 Prozent antworteten damals mit "negativ". Ganz so schlimm sehen es die Menschen in Niederösterreich offenbar nicht. "Nur" 35 Prozent nahmen einen Negativtrend wahr, mit 38 Prozent sehen trotz Krisenzeit sogar mehr Befragte gar keine größere Veränderung.

Bricht man dieses landesweite Ergebnis auf einzelne soziodemografische Gruppen herunter, so zeigt sich, dass ältere ÖVP-Wähler die Situation noch eher positiv wahrnehmen. Besonders dunkel sehen die Situation FPÖ-Wähler, die mit ihrem Einkommen nicht gut auskommen.

Mehr als drei Viertel der Befragten befürchten eine Spaltung der Gesellschaft "sehr" oder zumindest "ziemlich". Das scheint aber mittlerweile Normalzustand zu sein, schon bei der gleichlautenden Frage vor der letzten Landtagswahl im Jahr 2018 antworteten 67 Prozent so.

(mcmt, 29.1.2023)