An manchen Tagen gelingt einfach alles, an anderen kann frau sich gefühlt nicht einmal aus einem Liegestütz hochstemmen. Das kann an der Zyklusphase liegen. In der zweiten Hälfte haben viele weniger Kraft und Energie.

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US-Skistar Mikaela Shiffrin fühlt sich nach ihren zwei Siegen müde – weil sie sich gerade in einer Zyklusphase befindet, in der sie nicht so viel Energie abrufen kann. "I'm kind of at an unfortunate time of my monthly cycle", erzählte sie im ORF-Interview, was in der Simultanübersetzung so interpretiert wurde, dass sie keine Zeit zum Radfahren habe, was sie sonst jeden Monat tue – aber das ist eine andere Geschichte.

Was man aus dem Interview lernt, ist, dass Shiffrin einen normalen Zyklus hat (und darüber ganz offen spricht – gut so!) und durchaus auch die Auswirkungen davon spürt. Das hat sie gemeinsam mit ganz vielen Frauen, die nicht hormonell verhüten – egal ob es sich dabei um Spitzensportlerinnen handelt oder um Frauen, die sich einfach gern bewegen. Denn tatsächlich wirkt sich die sich permanent verändernde Kurve von Östrogen, Progesteron und Testosteron bei vielen auf die Leistungskurve aus – natürlich nicht bei allen.

Aber manche Frauen haben wohl schon festgestellt, dass ein und dieselbe sportliche Aktivität an manchen Tagen super funktioniert und man danach voller Energie ist, an anderen will gar nichts klappen, man fühlt sich schwer, aufgedunsen und müde – und zwar egal ob man einen schnellen Lauf hinlegt, Langhanteltraining macht oder beim Yoga in Gleichklang kommt. Natürlich hat das nicht nur mit dem Zyklus zu tun, viele Faktoren spielen dabei mit. Aber wenn man weiß, was die Hormonkurve bewirkt, kann man das in der sportlichen Routine berücksichtigen.

Energiehoch am Anfang, ruhiger zum Schluss

Generell gilt, dass man den weiblichen Hormonhaushalt in der ersten Zyklushälfte sehr gut mit dem eines Mannes vergleichen kann. Nicht wenige Frauen haben zwar zu Beginn der Regel Bauchschmerzen, Krämpfe oder ein Ziehen im unteren Rücken, aber das ist bei den meisten nach dem ersten oder zweiten Zyklustag vorbei. Der Hormonspiegel ist mit Beginn der Periode eher ausgeglichen. Östrogen, Progesteron, das Follikelstimulierende Hormon (FSH) und das Luteinisierende Hormon (LH), das frau für den Eisprung braucht, sind niedrig und stabil. Außerdem ist die Basaltemperatur niedrig, das sind jene periodischen Temperaturschwankungen, denen der menschliche Körper unterliegt.

Mit dem Näherrücken des Eisprungs steigt der Östrogenspiegel, LH wird ausgeschüttet. Sobald der Eisprung stattfindet, steigt auch die Basaltemperatur an, Progesteron wird produziert, damit sich – theoretisch – eine befruchtete Eizelle einnisten kann. Geschieht das nicht, sinkt der Progesteronspiegel wieder, mit Beginn der Blutung wird das Hormon nicht mehr nachproduziert. In der Phase fühlen sich manche müde, aufgebläht wegen Wassereinlagerungen, es kann zu Stimmungsschwankungen kommen, und viele sind generell nicht so leistungsfähig.

Was bedeutet das nun fürs Training? In der ersten Zyklushälfte, der Follikelphase, hat man mehr Energie, diese Phase ist ideal für Kraft- und Ausdauer-Aufbautraining. Denn die Hormonsituation wirkt eher anabol, sie unterstützt den Muskelaufbau. "Ab dem Eisprung steigt dann das Progesteron, die Körpertemperatur wird höher, das beansprucht den Körper ohnehin schon", erklärt die Gynäkologin Eva Lehner-Rothe. Progesteron wirkt eher katabol, man hat nicht so viel Energiereserven zur Verfügung. Das heißt man kann im Grunde jedes Training machen, aber man wird nicht den gleichen Erfolg spüren wie in der ersten Zyklushälfte. Sportmediziner Robert Fritz erklärt: "Die zweite Zyklushälfte ist ideal für Grundlagenausdauertraining, man kann die aufgebaute Kraft und Ausdauer gut stabilisieren."

Das ist auch deshalb wichtig, weil frau in der zweiten Zyklushälfte, der Lutealphase, verletzungsanfälliger ist, wie mehrere Studien gezeigt haben. Lehner-Rothe weiß: "Das Progesteron macht Gewebe, Sehnen und Bänder weicher und elastischer." In dieser Zeit kommt es etwa öfter zu Bänderrissen. Das ist übrigens auch der Grund, warum Schwangere beim Sport darauf achten sollen, keine technisch anspruchsvollen Belastungen auszuführen, bei ihnen ist der Progesteronspiegel dauerhaft erhöht, betont die Gynäkologin. Fritz empfiehlt nach dem Eisprung regenerativen Sport, Spaziergänge, entspanntes Radeln am Ergometer, sanfte Dehnungsübungen oder entspanntes Yoga.

Geld mit dem Zyklus

Während der Periode schließlich geht es Frauen sehr unterschiedlich, manche fühlen sich ab Einsetzen der Blutung wieder topfit und sprühen regelrecht vor Energie, andere sind noch gebremst, weil sie unter Schmerzen und Krämpfen leiden. "Hier muss man einfach auf die individuelle Befindlichkeit achten, es gibt keine allgemeingültigen Tipps", sagt Lehner-Rothe.

All das weiß man in erster Linie aus Erfahrung, es gibt praktisch keine Studien zum Thema. Über das, was man weiß, hat DER STANDARD hier berichtet. Diese mangelhafte Studienlage kritisiert Sportmediziner Fritz: "Bis vor ein paar Jahren hat die Trainingssteuerung auf Basis des Zyklus keiner ernst genommen, alle Studien wurden mit Männern gemacht, weil bei ihnen die Hormone stabil sind. Ich halte das für einen großen Fehler."

Zugegebenermaßen ist es ungleich schwieriger, zyklusbasierte Studien umzusetzen, nichtsdestotrotz greifen nun immer mehr dieses Thema auf. Fritz findet das gut, sieht es aber auch etwas zynisch: "Da wollen jetzt einige Geschäft machen und vermarkten zyklusbedingtes Training als große Errungenschaft. Im Wirklichkeit ist es aber recht simpel: Die erste Zyklushälfte ist gut für den Aufbau, die zweite ist gut für die Stabilisierung." Immerhin fließe jetzt endlich Geld für wissenschaftliche Studien, das sei ein positiver Effekt und führe auch dazu, dass Frauen im Sport endlich an Bedeutung gewinnen.

Eisenstatus kontrollieren

Und Fritz hat noch einen wichtigen Hinweis, vor allem für Frauen, die eine starke Blutung haben: Wenn sie sich oft schlapp und müde fühlen, sollten sie ein Blutbild machen, um ihren Eisenstatus und den Ferritinwert zu bestimmen. "Bei einem Eisenmangel wird der Organismus unzureichend mit Sauerstoff versorgt, dann hat man zwangsläufig zu wenig Energie."

All diese Tipps und Infos haben natürlich keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Der Zyklus wirkt sich nicht jeden Monat gleich aus, und nicht jede Frau spürt ihn gleich. Hat man viel um die Ohren, berichten viele Frauen, dass sie die Hormonveränderungen und ihre Auswirkungen deutlich intensiver wahrnehmen als etwa im Urlaub oder in ruhigen Phasen. Manche belastet der Zyklus auch gar nicht, andere fühlen sich gerade nach dem Eisprung topfit, wo viele körperlich eher weniger leistungsfähig bleiben. Es braucht einfach etwas Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, in sich selbst hineinzuhören, um zu erkennen, was dem Körper guttut und was man wann am besten leisten kann.

Und für Frauen, die keinen natürlichen Zyklus haben, weil sie hormonell verhüten oder bereits in der Menopause sind, gilt das alles ohnehin nicht, da sind sich die Gynäkologin und der der Sportmediziner einig. Lehner-Rothe erklärt: "Da es keine Hormonschwankungen gibt, ist die Leistungskurve mehr oder weniger gleich, wobei natürlich regelmäßige Erholungsphasen nötig sind." Vergleicht man die Leistungsfähigkeit mit und ohne natürlichen Zyklus, ist sie wahrscheinlich über einen Monat hinweg ausgeglichen, wobei Frauen mit Zyklus in der ersten Hälfte wohl leistungsfähiger sind als Frauen, die hormonell verhüten. In der zweiten Hälfte ist es umgekehrt. (Pia Kruckenhauser, 26.1.2023)