In einer Diktatur würden sich die Machthaber über jene Mitteilung, die die OSZE diese Woche herausgab, freuen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wird keine Wahlbeobachter und Wahlbeobachterinnen zur Landtagswahl am 12. Februar in die deutsche Hauptstadt schicken.

Einen Neustart möchte die CDU für die deutsche Hauptstadt. Der letzte schwarze Bürgermeister in Berlin war Eberhard Diepgen. Er regierte bis 2001, seither ist der Regierungssitz in roter Hand.
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Wahlbeobachter? In Berlin? Es klingt wie ein Scherz, ist aber keiner. Landeswahlleiter Stephan Bröchler hatte die Experten und Expertinnen tatsächlich eingeladen, um Vertrauen zurückgewinnen.

Dass nun niemand kommt, hält Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) für ein positives Zeichen: "Der Stand der Vorbereitung ist so gut, dass die OSZE davon Abstand nimmt."

Und dennoch: Die Wahl (Landtag und Bezirksverordnetenversammlung) wird unter sehr aufmerksamer Beobachtung stattfinden. Sie ist ja eine Wiederholungswahl.

Weil beim regulären Urnengang im September 2021 so viele Pannen passiert sind, muss zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine Landtagswahl noch einmal komplett neu durchgeführt werden.

Spannend wird es aber auch inhaltlich, denn noch etwas ist anders. Erstmals seit sehr langer Zeit könnte die CDU wieder stärkste Kraft in Berlin werden.

Das Hauptstadt-Terrain ist für die Konservativen kein einfaches. 15 Bürgermeister und eine Bürgermeisterin – Amtsinhaberin Franziska Giffey (SPD) – hatte Berlin seit Ende es Zweiten Weltkrieges. Nur vier davon stellte die CDU, die anderen zwölf die Sozialdemokraten.

Kein großer Name

Die glorreichen schwarzen Zeiten sind auch lange vorbei. Richard von Weizsäcker regierte Berlin von 1981 bis 1984, dann wurde er Bundespräsident. Sein Nachfolger Eberhard Diepgen war bis zum Jahr 2001 der letzte schwarze Mann im Roten Rathaus. So wird der Regierungssitz wegen seiner feuerroten Ziegelfassade genannt, nicht wegen der sozialdemokratischen Dominanz – obwohl dies auch passen würde.

Dass sich die CDU in Berlin schwertut, hat nicht nur mit der bunten, liberalen und offenen Stadt zu tun, sondern auch mit der Partei selbst. Viele Landesvorsitzende hat sie verschlissen, auf einen Namen von außen wollte sie nie setzen.

Vor vielen Jahren war das CDU-Schwergewicht Wolfgang Schäuble als Spitzenkandidat im Gespräch, auch Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Zuletzt raunte man, der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn habe Interesse.

Es kam nicht dazu. Der jetzige CDU-Spitzenkandidat heißt Kai Wegner – und auch innerhalb des Berliner Rings müssen viele diesen Namen erst einmal googeln.

Dass die CDU in Umfragen dennoch auf Platz eins liegt, hat weniger mit ihm, sondern eher mit dem Frust über die viele Schluderei in der 3,8-Millionen-Einwohner-Stadt zu tun. Der Flughafen wurde nicht und nicht fertig, auf Termine beim Bürgeramt wartet man wochenlang, es staut abends, es staut morgens, es gibt zu wenige Wohnungen, und die Organisation der letzten Wahl klappte auch nicht.

Der Frust entlädt sich hauptsächlich bei der SPD und deren Bürgermeisterin Giffey, die mit Grünen und Linken regiert.

Krawall zu Silvester

Dann gab es auch noch die Krawalle zu Silvester mit zahlreichen Angriffen auf Einsatzkräfte bei Polizei und Rettung. "Das hat uns geholfen", gibt einer aus der CDU-Führungsriege unumwunden zu. CDU-Mann Wegner schimpft seither noch mehr über gescheiterte Integrationspolitik von SPD, Grünen und Linken und verlangt, die Vornamen Tatverdächtiger zu nennen.

Das macht es den Grünen unmöglich, über eine schwarz-grüne Koalition nachzudenken. Auch die SPD hat keine Lust, die Juniorpartnerin der CDU zu geben. Der liberale Wunschpartner FDP muss überhaupt um den Einzug ins Abgeordnetenhaus zittern.

Und so hat Kai Wegner gut zwei Wochen vor der Wahl trotz der guten Werte einen wenig schmeichelhaften Beinamen: Man nennt ihn in Berlin "König ohne Land". (Birgit Baumann aus Berlin, 27.1.2023)