Zulieferer, die am klassischen Antriebsstrang hängen, haben im Zeitalter der Elektromobilität denkbar schlechte Karten.

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Echte Mängel ortet der Sprecher des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI), Herwig Schneider, vor allem in der Bildung. Das österreichische Bildungssystem sei eines der teuersten, der Output lasse aber insbesondere bei Technikstudien zu wünschen übrig. Im Vergleich zur ETH Zürich dauere die Ausbildung vergleichsweise lang. Das verstärke den Mangel an Fachkräften, sagte Schneider am Donnerstag bei der Präsentation der Standorterhebung im Auftrag der heimischen Autozulieferindustrie.

Im Bereich Bildung habe sich die Position Österreichs im Automotive-Standortbarometer, das traditionell um die Standortfaktoren-Weltmeisterschaft angereichert ist, eindeutig verschlechtert. Sämtliche Indikatoren wiesen einen niedrigeren Wert als 2019 auf, in Summe verliere Österreich acht WM-Punkte in diesem Themenbereich. Das verstärke den vorherrschenden Fachkräftemangel, attestiert der IWI-Chef.

Qualifikation und Verfügbarkeit

Verschlechtert hat sich demnach die Qualifikation der Absolventen und Absolventinnen und mit ihr die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte. Eng verbunden ist dieses Thema mit Digitalisierung, wo während der Pandemie Schwachstellen zutage traten.

Aufholbedarf ortet der IWI-Chef auch bei Ausbildung und Integration ausländischer Fachkräfte, da landet die Alpenrepublik verlässlich im hinteren Drittel des Rankings, für das 26 Länder nach 32 Indikatorengruppen untersucht werden.

Standortqualität relativ verbessert

Die gute Nachricht: Insgesamt hat sich die Standortqualität Österreichs relativ verbessert. "Österreich glänzt bei qualifizierten Fachkräften", attestiert Schneider. Eine starke Position hält Österreich trotz hoher Arbeitskosten sogar bei den Kosten und werde in Zukunft aufgrund der Senkung der Körperschaftssteuer, der Absenkung der Lohnsteuer-Progressionsstufen und der Abschaffung der kalten Progression wohl weiter punkten. Strafzahlungen wie in Großbritannien bei Nichteinhaltung von Konsultationsfristen vor Kündigungen oder hohe Hürden bei betriebsbedingten Kündigungen wie in Deutschland (inklusive hoher Abfindungen) gibt es in der Form hierzulande nicht. Allerdings fehle es an Flexibilität bei der Lohn- und Gehaltsfestsetzung.

Margen unter Druck

Am steigenden Margendruck in den 900 Autozulieferbetrieben mit mehr als 81.000 Beschäftigten ändert dieses grosso modo freundliche Standortranking freilich nichts. Denn die Zulieferer drohen zwischen Herstellern und Kostenanstieg bei Rohstoffen, Frachttransporten, Personal und Teuerung aufgerieben zu werden. Im Gegensatz zu den Autoherstellern, die ihre Margen über staatlich geförderte Elektroautos und hochpreisige Premiumfahrzeuge retten und sogar erhöhen konnten, bleiben die Zulieferer zumindest auf einem Teil der Kosten sitzen. Denn sie haben meist langfristige Lieferverträge mit degressiven Erzeugerpreisen, skizziert der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie in der Wirtschaftskammer, Dietmar Schäfer, die zunehmend ungünstige Position seiner Branche.

Absatz rückläufig

Hinzu kommen deutliche Rückgänge beim Autoabsatz. Wie berichtet brachen Verkaufszahlen und Neuzulassungen in Europa seit 2019 um ein Drittel ein, weltweit sind es zehn Prozent. Selbst der E-Auto-Absatz gehe zurück – trotz hoher Subventionen. Getragen sind die Neuzulassungen in Österreich traditionell von Flottenkäufen, also Firmenwagen. Das führe nicht zu einer grünen Mobilität, sondern zu einer Entmobilisierung der Bevölkerung, das Auto würde zu einem Luxusgut.

Das Aus für den Verbrennungsmotor in der EU ab 2035 habe die Verunsicherung noch einmal verstärkt, sagt Schäfer und verweist auf eine halbe Million Arbeitsplätze, die laut Hochrechnung des Europäischen Autoherstellerverbands Acea allein in Europa auf dem Spiel stehen.

Krisen verstärkt

Bis zu einem gewissen Grad haben die Autobauer das Dilemma mitverursacht. Denn sie haben sich auf staatlich immens geförderte E-Autos und hochpreisige Premium-Modelle fokussiert und so extrem lange Wartezeiten bei Klein- und Mittelklassewagen verursacht. Die Absatzschwäche ist insofern auch hausgemacht, als Rabatte gestrichen wurden. Jetzt lässt die Nachfrage aufgrund der hohen Inflation spürbar nach.

Umrüsten auf Energie oder verwandte Branchen, wie dies einige Zulieferer längst tun, sei bei weitem nicht für alle in den Branchen Metallverarbeitung, Chemie, Elektro- und Elektronik- sowie Textilindustrie angestammten Unternehmen

Teufel und Weihwasser

Statt Benzin- und Dieselwagen zu verteufeln, wäre es vernünftiger, die Beimischung synthetischer Kraftstoffe ("E-Fuels") zu forcieren. Mit diesen ließe sich der CO2-Ausstoß zumindest in Richtung Klimaneutralität bewegen, appelliert Schäfer an die Politik.

Ein Verbrenner-Aus nutze der Umwelt kaum, sagt Schäfer. E-Autos mit konventionellem Nicht-Grünstrom seien auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Die 900 Autozulieferer sind ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Sie setzten im Vorjahr 28,5 Milliarden Euro um. Die Exportquote liegt bei etwa 70 Prozent.

Subventionswettlauf

In dem durch den US-amerikanischen Green Deal ausgelösten Subventionswettlauf mit Amerika, der vermutlich vor der Welthandelsorganisation WTO landen wird, empfiehlt IWI-Experte Schneider übrigens Pragmatismus: Die EU sollte ihre Beihilfen nicht bis in die letzte Verästelung regeln, dann werde Europa wohl mithalten können. (Luise Ungerboeck, 26.1.2023)