Steigende Preise bei zugleich sinkender Kaufkraft sorgen im Einzelhandel für explosive Stimmung.

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Mars, Pepsi, Nestlé, Kellog’s, Mondelez, Haribo: Wer in den vergangenen Monaten in Europa großen Supermarktketten nach Produkten internationaler Markenkonzerne suchte, stieß immer wieder auf Lücken. Steigende Preise bei zugleich sinkender Kaufkraft sorgten im Einzelhandel für eine explosive Stimmung, die sich in Auslistungen und Lieferstopps entlud.

Er habe wenig Verständnis, wenn Konzerne in einer Krise immer bessere Ergebnisse präsentieren, während die Verbraucher immer höhere Preise zahlten, richtete Rewe-Chef Lionel Souque dieser Tage über den deutschen Express der Industrie aus.

Man habe sich mit der Mehrzahl der Lieferanten geeinigt, heißt es bei Rewe Österreich auf Anfrage. Überzogene Preisforderungen würden jedoch auch künftig nicht akzeptiert.

Schlagabtausch

Österreichs Markenartikelindustrie nennt dies Polemik. Studien belegten, dass Preise für Eigenmarken des Handels deutlich stärker gestiegen seien als jene der Herstellerlabels, betont Günter Thumser, Chef des Markenartikelverbands. Offenbar camoufliere dieser mit Attacken wie diesen sein eigenes Verhalten.

Thumser sieht durch aufgeheizte Preisdebatten einen Rückfall in alte Zeiten. Tankstellen verlangen mehr für den Sprit, bei Löhnen werde voller Abgleich der Inflation gefordert, nur Lebensmittel des täglichen Bedarfs sollten weiterhin gleich viel kosten. "Das ist Wunschdenken."

Das Verhältnis zwischen Industrie und Handel sei zuletzt nicht eitel Wonne gewesen, sagt Thumser. Ersterer seien Preisanpassungen monatelang verweigert worden. Bei Konsumgütern sei die Marktmacht von drei Einkaufsorganisationen derart groß, dass es sich nur ein kleiner Teil der Hersteller erlauben könne, bei Verhandlungen hart zu bleiben.

Keine Marke auf Augenhöhe?

Es sei die Industrie, die Innovation vorantreibe und das finanzielle Risiko trage, ergänzt Thumser. Der Handel aber richte in der Werbung den Fokus auf Eigenmarken und offeriere sie Kunden in Augenhöhe und Griffweite. In ganzen Produktkategorien stellten Vollsortimenter mittlerweile nicht eine einzige Marke führender Konzerne in ihre Regale. "Das hat nichts mit Freiheit der Auswahl beim Einkauf zu tun."

Es stehe dem Handel frei, welche Produkte er mit Blick auf Wünsche der Konsumenten liste und welche nicht, stellt Christoph Kastner, Vize-Obmann des Lebensmittelhandels, die Position seiner Branche klar.

Er sei sich sicher, dass auch Eigenmarken Vielfalt schaffen. Der Kunde unterscheide in der Regel ohnehin nur bedingt zwischen Labels der Industrie und jenen der Händler.

Dass Supermärkte mit Herstellermarken mehr verdienten, sei falsch, meint Kastner. Finanziell profitiere davon allein die Industrie, während Händler aufgrund vieler Aktionen um ihre Margen umfielen.

"So geht das Spiel"

Er relativiert zudem die Macht des Lebensmittelhandels, in dem sich drei Konzerne mehr als 85 Prozent des Marktes teilen. "Wer Preise multinationaler Markenartikler nicht akzeptiert, erhält keine Ware mehr. So geht das Spiel." Ein mittelständischer Händler könne es sich nicht leisten, auf wichtige Brands zu verzichten.

60 Prozent aller Marken gehörten nach wie vor der Industrie, rechnet Spar-Sprecherin Nicole Berkmann vor. Konsumenten aber griffen nun vermehrt zu Labels des Handels. Der Anteil an Rohstoffen an deren Kosten sei höher, was auf auch ihre Preise durchschlug. "Am Ende des Tages jedoch sind sie immer noch erheblich günstiger." (Verena Kainrath, 26.1.2023)