Peter Hein (65) ist Sänger der Düsseldorfer Punkband Fehlfarben.

Foto: Manfred Rebhandl

Zur Musik kam der Sänger der legendären deutschen Punkband Fehlfarben nicht deswegen, weil er nicht lesen wollte, im Gegenteil: "Ich hatte als Punkrocker ja nie die verdreckte Lederjacke an, sondern ein adrettes Anzugjackett, das immerhin nicht zur Hose passte." Wir reden von den späten 1970er-Jahren in Düsseldorf, und in den Taschen dieses Jacketts trug Hein immer Taschenbücher mit sich herum, "ganz stilecht Der Fremde oder Die Pest von Camus, aber auch Chandler und Hammett".

Punk mit Basis

Mehr als zwei Bücher waren es aber nie, "weil ich als Punk ja auch eine Basis hatte, also eine Wohnung mit Bücherregal". Und tagsüber hatte er sogar ein Büro bei Rank Xerox, weil er den bürgerlichen Beruf nie aufgeben wollte. Waren die Bücher also nicht einmal voller Bierflecken? "Ach was! Die ersten zwei, drei Jahre haben wir ja ganz ohne Bier geprobt. Aber na ja, nach der ersten Probe mit Bier kam man dann schon auf den Geschmack!"

Absolute Lieblingsbücher kennt er nicht, aber in letzter Zeit war es Annie Ernaux, die auch ihn begeisterte: "Normalerweise, wenn ich in einer Buchhandlung den Aufkleber Nobelpreis sehe, gehe ich ja sofort weiter! Die gehen mir alle am Arsch vorbei, ich weiß ja dann nicht einmal, wer die sind!" Anders war es bei der Französin, die den Preis heuer gewann: "Vor vermutlich drei Jahren habe ich ein erstes Buch von ihr geschenkt bekommen und dann immer wieder mal eins selbst gekauft. Übrigens die ersten Suhrkamp-Bücher seit der grünen Robert-Walser-Gesamtausgabe!" Bei Ernaux mag er, "dass sie so schön trocken, gnadenlos, sich selbst gegenüber unbeteiligt und nur selten mal kommentierend erzählt. Aus einer Distanz, die meint: War halt so! Sie ist nie überemotional, drückt nicht auf die Tränendrüse, tut sich nicht leid, erhöht sich aber auch nicht. Sie dramatisiert nicht einmal die Abtreibung, die sie in Das Ereignis beschreibt, auch wenn das natürlich scheiße war, wie die Zustände damals waren." Außerdem schreibt sie meist dünne Bücher, "die kann ich auf Tour beim Hin- und Herfahren lesen!" Und bequem im Jackett mit sich herumtragen. (Manfred Rebhandl, 28.1.2023)