Die Familie des "Family Dinner": Teenagerin Simi (Nina Katlein), ihre Tante Claudia (Pia Hierzegger), deren Sohn Filipp (Alexander Sladek) und sein Stiefvater Stefan (Michael Pink).

Foto: Panda Lichtspiele

"Es ist schwer, ohne Spoiler über den Film zu reden!", schickt Regisseur Peter Hengl gleich voraus, als er von seinem Debütfilm Family Dinner erzählt. Und klar, bei einem Horrorfilm sind die Twists entscheidend, und auch Family Dinner will einen im Unklaren lassen.

Doch die simplen Zutaten seines Horror-Rezepts serviert uns Chefkoch Peter Hengl gleich zum Einstieg. Eine Familie ist für eine Woche in einem abgelegenen Landhaus, kein gruseliges Shining-Anwesen, sondern ein recht unscheinbarer Vierkanthof. Doch es ist eben nie so ganz sicher, was hinter der Haustüre einer österreichischen Familie vor sich geht. Deswegen passe der Film auch ganz gut nach Niederösterreich mit seinem innerfamiliären Horror, scherzt der 1983 in Tirol geborene Hengl.

Horror-Kammerspiel

Eine unheimliche Familiengeschichte wird hier also erzählt, und zwar recht geradlinig als Kammerspiel mit einem überzeugenden Vierer-Ensemble. Mit der Bezeichnung "Kammerspiel" hat Peter Hengl aber "ein bisschen Bauchweh, das klingt so fad! Eigentlich sind ja ganz viele Horrorfilme ein Kammerspiel unter Anführungszeichen."

Im Zentrum von Family Dinner steht die 15-jährige Simi (Nina Katlein). Sie ist zu Besuch bei der Familie ihrer Tante Claudia, übertrieben freundlich und unheimlich streng gespielt von Pia Hierzegger. Sie ist eine bekannte Autorin von Ernährungsratgebern, also soll sie ihrer Nichte beim Abnehmen helfen. Doch bald kommt dem Hausgast einiges komisch vor.

Pandafilm

Simis gleichaltriger Cousin Filipp (Alexander Sladek) benimmt sich seltsam ängstlich, und auch sein Stiefvater Stefan (Michael Pink) hat etwas zu verbergen. Die von der Tante verordnete strenge Diät trifft dabei auf die Fastenzeit vor Ostern.

Family Dinner ist quasi antikulinarischer Horror mit katholischem Überbau und schlägt – anders als etwa der konzeptuelle Klassenkampf-Schocker The Menu – mit seiner unheimlichen Stimmung direkt auf den Magen.

Alle in der vierköpfigen Familie treibt die Frage von Essen und Nichtessen anders um, der Hunger nach Fleisch und Fleischlichem lässt sich nicht so einfach unterdrücken. Die Osterwoche gibt dem Film die Struktur mit den Tagen vor der Wiederauferstehung am Sonntag. Lifestyle-Ernährungsbewusstsein meets katholisches Brauchtum und noch archaischere Traditionen. Diese religiösen Motive geben dem Film eine markant österreichische Folk-Horror-Grundierung.

Eine Gratwanderung

Die Marke Austro-Film ist international von preiswürdigen schweren Charakterdramen und national von feineren und gröberen Komödien dominiert. Dennoch hat sich mittlerweile gerade auch im Bereich Horror eine Tradition entwickelt. Filme wie Jessica Hausners Hotel oder Ich seh, ich seh (Veronika Franz, Severin Fiala) stehen mit mehr als einem Bein im Arthouse-Kino. "Elevated Genre Film" nennt sich das dann zur Beruhigung der Förderer. Family Dinner orientiert sich da etwas mehr am Mainstream-Horrorpublikum.

Genrekino ist dabei per definitionem eine Gratwanderung zwischen Konventionen und Originalität. Das weiß auch Regisseur Peter Hengl, der seinen Erstling ohne radikale Experimente und stilistische Überraschungen anlegt: "Genrefilm erfordert schon, dass man handwerklich gewisse Dinge bedient und starke Gefühle auslöst, die das Publikum ja auch will. Es war das Ziel, einen verdammt unheimlichen Film zu machen, wo man die ganze Zeit auf der Sesselkante sitzt."

Für Regisseur Hengl und Produzentin und Partnerin-in-Crime Lola Basara ist es der erste Langspielfilm. Die beiden haben sich im Kino kennengelernt, an der Filmakademie zusammengetan und wollen dem Genre treu bleiben. Das Mission-Statement ihrer Wiener Firma Capra Film zielt genau darauf ab: "anspruchsvolle Genre-Spielfilme mit einer österreichischen Identität für ein nationales und internationales Publikum".

Publikum als Instanz

Mit Family Dinner gingen sie zunächst auf Tour zu rund 30 internationalen Festivals bis zur Viennale vergangenen Herbst. Dort kam die Mischung aus bedrohlich-reduziertem Slow-Burner mit Schocker-Finale und simpel aufgesetzten österreichischen Familienverwicklungen gut an. Problemorientierter Festivalfilm oder wilde Arthouse-Provokation ist Family Dinner aber nicht. Und auch die Spoiler-Warnungen erübrigen sich für so manchen Festivalzuschauer wohl schon recht bald in den 96 Filmminuten.

Der Lackmustest für den Film ist das reguläre Kinopublikum. "Das ist immer die wichtigste Instanz", erklärt Lola Basara. Und Regisseur Peter Hengl ergänzt: "Wir wollen einen Film machen, den wir uns selber im Kino anschauen würden, wenn wir ihn nicht gemacht hätten." (Marian Wilhelm, 28.1.2023)