Die Nutzung von Bildern, die mithilfe einer KI erstellt wurden, kann rechtlich heikel sein.

Foto: IMAGO / Alexander Limbach

Surft man durch das Internet, kann man ihr kaum noch entkommen: KI-Kunst. Da wären etwa Bilder im Stil der Gemälde von berühmten Künstlern wie Vermeer oder Rembrandt, die allerdings nicht von einem Menschen, sondern maschinell erschaffen wurden. Zu finden sind diese Werke mittlerweile sogar auf Nachrichtenseiten, bei Social-Media-Influencern, sie werden von Freunden geteilt – und wahrscheinlich sogar von dem einen oder anderen Familienmitglied.

Dank der beeindruckenden Ergebnisse werden die größten Anbieter solcher Bild-KIs immer populärer, die Zahl der Userinnen und User steigt. Bezahlen muss man für die Nutzung ihrer Technologien derzeit noch nichts, vor allem als Privatperson. Für Midjourney benötigt man die Messaging-Plattform Discord, wohingegen Stable Diffusion seinen Bildgenerator in die eigene Webseite implementiert hat. Man muss nicht mal ein Konto erstellen, um das Tool auszuprobieren.

Rechtliche Bedenken

Was bei vielen für Begeisterung sorgt, bereitet Künstlerinnen und Künstler Sorge. Damit die genannten KI-Systeme überhaupt Bilder und Gemälde erstellen können, müssen sie zuerst anhand vorhandener Materialien trainiert werden. Hierfür tragen Midjourney, Stable Diffusion und Co mithilfe von "Scraping" zig Millionen Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Internet zusammen, um ihren Algorithmus zu füttern. Das Problem dabei: Die Betroffenen werden nicht um Erlaubnis gebeten, bevor ihre Bilder in das System integriert und weiterverwertet werden. Dabei haben Userinnen und User sogar die Möglichkeit, Werke im Stil bestimmter Künstlerinnen und Künstler zu erstellen.

Genau aus diesem Grund sind die Hersteller von Midjourney, Stable Diffusion und die Kunstplattform Deviant Art derzeit mit Klagen konfrontiert. In einer Sammelklage aus den USA werfen drei Künstlerinnen den Unternehmen Urheberrechtsverletzungen vor und fordern eine Entschädigung für die von Stability AI, Deviant Art und Midjourney verursachten Schäden sowie eine einstweilige Verfügung zur Verhinderung künftiger Schäden.

Das hier zu sehende Werk namens "Portrait of Edmond de Belamy" hat das französische Kollektiv OBVIOUS schon 2018 von einer KI erschaffen lassen.
Foto: APA/AFP/TIMOTHY A. CLARY

Sie führen zudem aus, dass Stable Diffusion nur deshalb funktioniere, weil der Hersteller – also Stability AI – "Kopien von Milliarden urheberrechtlich geschützter Bilder ohne Erlaubnis heruntergeladen oder anderweitig bezogen" habe. Die Plattform Deviant Art, die von Kunstschaffenden als Portfoliowebseite genutzt wird, bietet seit kurzem außerdem eine eigene Bild-KI an, die wiederum auf Stable Diffusion basiert.

Verletzung des Urheberrechts

Ähnliche Vorwürfe erhebt auch die US-amerikanische Bildagentur Getty Images. Vergangene Woche hat diese in London Klage gegen Stability AI eingereicht und wirft der KI-Firma vor, "die Rechte an geistigem Eigentum, einschließlich des Urheberrechts an Inhalten, die Getty Images gehören oder von Getty Images vertreten werden", verletzt zu haben. Konkret habe Stability AI "Millionen von urheberrechtlich geschützten Bildern und die dazugehörigen Metadaten" rechtswidrig kopiert, heißt es in einer Presseaussendung.

Tatsächlich scheinen die Klagenden mit ihren Vorwürfen nicht ganz falschzuliegen. Dabei ist es egal, ob man dem fertigen KI-Bild ansieht, von welchen Kunstwerken es inspiriert wurde. Laut dem Rechtswissenschafter Nikolaus Forgó von der Universität Wien verletzen die KI-Firmen das Urheberrecht von Künstlerinnen und Künstlern nämlich schon dadurch, dass sie deren Werke für das Training ihrer Algorithmen nutzen. Das Einspielen in die eigenen Systeme sei eine unerlaubte Vervielfältigung.

Schwierige Situation

Für Betroffene dürfte es in der Praxis nicht ganz so einfach sein, ihren Rechtsanspruch durchzusetzen. "Man kann wahrscheinlich Einzelfälle ausstreiten, also Künstler A gegen Agentur B und das Unternehmen C. Aber das strukturelle Thema wird dadurch nicht verschwinden, genauso wie es auch bei Filesharing nie verschwunden ist", sagt Forgó gegenüber dem STANDARD. Dafür müsse man Millionen Einzelfälle durchforsten, herausfinden, wer die Rechte am Bild hält und ob es einen Rechtsverstoß gegeben hat.

Noch komplizierter macht die Situation, dass nicht unbedingt die Künstlerinnen und Künstler selbst das Recht an ihren Werken halten. Das Beispiel Getty Images zeige laut Forgó, dass die Verwertungsrechte auch bei einer Agentur oder einem Verlag liegen können – was etwaige Klagen und Gerichtsprozesse ein ganzes Stück komplexer machen könnte.

Offene Zukunft

Aber was bedeutet das nun für Menschen, die gerne KI-Bilder erstellen und auch öffentlich verwenden möchten? "Wenn Sie ein KI-Bild kaufen und dieses publizieren, kann es sein, dass Sie in dem Moment einen Rechtsverstoß begehen, wenn schon die Agentur einen Rechtsverstoß begangen hat", sagt Rechtswissenschafter Forgó. Man sei dann möglichen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen ausgesetzt. "Einen Schadensersatzanspruch wird man wahrscheinlich nicht ohne weiteres finden, weil Sie dazu schuldhaft gehandelt haben müssten, was man oft nicht finden wird."

Eine der bekannteren Bilder-KIs ist Dall-E vom Chat-GPT-Hersteller Open AI.
Foto: Rechte: APA/AFP/LIONEL BONAVENTURE

Die Risiken für Anwenderinnen und Anwender scheint sich zwar in Grenzen zu halten. Gänzlich umschiffen kann man sie bei der Nutzung der genannten Bild-KIs aber nicht. Wie sich die Rechtslage in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird, kann man derzeit schwierig abschätzen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die unzähligen Anbieter auf einmal wieder von der Bildfläche verschwinden. Viel eher scheinen Monat für Monat neue Hersteller aus dem Boden zu sprießen und den Konkurrenzkampf anzufeuern.

Keine geistige Schöpfung

Eine einheitliche Rechtsmeinung zur Frage nach dem Urheberrecht von KI-Kunst gibt es allerdings noch nicht. In der breiten Masse scheint die Thematik eigentlich erst im Laufe der letzten Monate und wegen des Hypes rund um Chat GPT, Stable Diffusion und Midjourney angekommen zu sein. Laut Lukas Feiler, Anwalt bei Baker McKenzie, lautet die zentrale Frage jedenfalls: Wem gehört ein mithilfe von KI erstelltes Werk überhaupt? "Niemandem, weil das Urheberrecht ausschließlich geistige Schöpfungen schützt", sagt er. Da KI-Kunst nicht von einem Menschen, sondern von einer Maschine erschaffen wird, genieße sie auch kein Urheberrecht. Vor allem deshalb, weil die genannten Bild-KIs im besten Fall genuin neue Werke erschaffen und sie die für das Training genutzten Kunstwerke bloß als Inspiration heranziehen.

Das Heikle daran: Man kann sich nie zu 100 Prozent sicher sein, dass das produzierte KI-Bild tatsächlich eine eigenständige und individuelle Leistung darstellt. Feiler rät deshalb zur Vorsicht bei der kommerziellen Nutzung der kostenlosen Tools – obwohl es für Klägerinnen und Kläger zu einem Ding der Unmöglichkeit werden könnte, zu beweisen, dass "eine KI ihr Werk kopiert und nicht mehr oder weniger zufällig dasselbe kreiert hat".

Spreu und Weizen

Anders sieht es bei den Herstellern entsprechender KI-Systeme aus. Wie auch Forgó sagt Lukas Feiler, dass es eine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn KI-Firmen ungefragt die Werke von Künstlerinnen und Künstlern für das Training ihrer Algorithmen nutzen. Entscheidend sei laut ihm die Frage, ob diese eine Lizenz zur Vervielfältigung haben: "Hier wird sich sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen und herauskristallisieren, wer seine KIs sauber trainiert."

Nikolaus Forgó geht jedenfalls davon aus, dass es eine mit der Musikbranche vergleichbare Entwicklung geben dürfte. Die Musiklabels kämpften nicht nur jahrelang gegen illegales Filesharing an. Es brauchte einiges an Überzeugungsarbeit, um schlussendlich einen Deal mit Spotify einzugehen. Laut dem Rechtswissenschafter sei es deshalb "nicht das Verdienst der Musikindustrie, dass es Spotify gibt, sondern es gibt Spotify trotz der Musikindustrie. Meine Vermutung wäre, dass es bei KI-Kunst genauso ablaufen wird." (Mickey Manakas, 1.2.2023)