Bis heute wird über die staatliche Integrität des Kosovo gestritten.

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Am Montag wird in Prishtina ein konkreter Vorschlag für einen Verband der serbischen Gemeinden im Kosovo in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina vorgelegt. Der Vorschlag wurde von der deutschen SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und dem European Institute of Peace (EIP) ausgearbeitet. Grundlage für den Verband ist ein Abkommen aus dem Jahr 2013, das der Kosovo und Serbien geschlossen haben. Der Kosovo hat dieses Abkommen im Parlament ratifiziert, Serbien noch nicht.

Die serbische Regierung fordert allerdings seit Jahren die Umsetzung des Gemeindeverbands – gestritten wurde allerdings bisher über das Statut. Denn der kosovarische Verfassungsgerichtshof hat einige der generellen Prinzipien, die im Jahr 2015 für den Verband verfasst wurden, für verfassungswidrig erklärt. Der neue Vorschlag von FES und EIP entspricht allerdings laut der Analyse des Grazer Verfassungsrechtsexperten Josef Marko der kosovarischen Verfassung. Dies wird auch bereits gleich zu Beginn des Vorschlags festgehalten.

Quint will Verband

Der Verband soll aus zehn Gemeinden bestehen, in denen mehrheitlich Serben leben. Dazu gehören nicht nur die vier Gemeinden im Norden des Kosovo, sondern auch solche in anderen Teilen des Landes. Die vier Gemeinden im Norden sollen allerdings einen gemeinsamen regionalen Polizeikommandanten haben, was aber auch bisher schon der Fall war. Die Mitgliedschaft im Gemeindeverband ist freiwillig, und jede Gemeinde kann auch wieder austreten. Ziele des Verbands ist Förderung lokaler Selbstverwaltung, also die Vertretung der Interessen vor allem in den Bereichen Kultur, Bildung und Wirtschaft gegenüber den zentralen Behörden.

Der Gemeindeverband soll ein eigenes Budget, einen Präsidenten, ein Wappen und eine Flagge bekommen. Basis des Verbands ist das Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung. Die Quint-Gruppe, also die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien, drängt zurzeit darauf, dass der Kosovo und Serbien ein Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen abschließen sollen. Auf Wunsch von Belgrad soll die Gemeinschaft der serbischen Gemeinden im Zuge dieses Abkommens realisiert werden.

Verfassungskonformer Vorschlag

Der Verfassungsrechtler Josef Marko verweist darauf, dass der Verband keine Selbstverwaltungshoheit nach öffentlichem Recht haben wird. "Zweck ist nur die Koordination und Kooperation der Mitgliedsgemeinden", so Marko zum STANDARD. Der Gemeindeverband selbst darf also keine Bescheide ausgeben.

Wie in Österreich haben auch die Gemeinden im Kosovo die Möglichkeit, Heime zu errichten oder im Rahmen der klassischen Hoheitsverwaltung Verordnungen über Raumplanung und Umweltschutz zu machen. Der Gemeindeverband nach dem nun vorgelegten Modell kann aber selbst keine Verordnungen erlassen oder Steuern einheben. "Wenn er auch selbst Verordnungen erlassen können soll, dann hätte man die Verfassung des Kosovo ändern müssen", so Marko. "Für die Funktionen, die nun vorgesehen sind, muss man dies aber nicht tun."

Keine Rechtsakte, keine Hoheitsgewalt

Die kosovarische Regierung lehnt den Gemeindeverband ab, weil es Ängste gibt, dass er ähnliche Kompetenzen wie der bosnische Landesteil Republika Srpska haben und damit den kosovarischen Gesamtstaat schwächen könnte. Marko entkräftet diese Sorge: "Diese Form von Gemeindeverband ermöglicht keine territoriale Ebene zwischen Gemeinde und Zentralregierung. Der Verband darf nur im Rahmen der zuständigen Gemeinden Politikvorschläge koordinieren, und die Kooperation zwischen den Gemeinden verbessern. Er darf keine eigenen Rechtsakte erzeugen", so Marko.

Man könne das Modell auch nicht mit Südtirol vergleichen, weil es keine eigene Regierung geben wird. Der Verband könne zwar auch von der Republik Serbien mitfinanziert werden, doch Marko sieht darin kein Problem und verweist darauf, dass etwa 25 Prozent des Budgets für Südtirol aus Österreich komme. "Es ist insgesamt ein sehr guter Vorschlag, zumal der Verband auch nicht auf die Gemeinden im Norden beschränkt ist, also auch keine territoriale Eingrenzung vorsieht."

Ethnische Kriterien zulässig

Im Kosovo gibt es bereits einen Gemeindeverband (AKM), der 132 Mitglieder hat und auf der Grundlage des Gesetzes über die lokale Selbstverwaltung geschaffen wurde. Dieser AKM soll nun auch das Modell für den Verband serbischer Gemeinden sein. Für die Schaffung eines solchen Gemeindeverbands ist laut Marko eigentlich keine weitere Regierungsverordnung notwendig. Dennoch steht in dem FES-Vorschlag, dass das Statut für den Gemeindeverband durch einen Rechtsakt der Regierung des Kosovo erlassen und vom Verfassungsgericht überprüft werden soll.

Die Behauptung des kosovarischen Premiers Albin Kurti, dass es laut der Verfassung des Kosovo nicht möglich sei, Gemeindeverbände nach ethnischen Kriterien zu bilden, weist Marko zurück. "Das stimmt nicht, das Gesetz spricht ausdrücklich von Gemeinden mit serbischer Mehrheitsbevölkerung. Es gibt auch keine internationalen Vorgaben, dass man keine ethnischen Kriterien zulassen darf."

Lehrbücher in mehreren Sprachen

Als positiv erachtet Marko auch, dass es im Rahmen des Verbands auch Möglichkeiten geben können wird, der Segregation im Schulsystem entgegenzuwirken. So könnten Minderheiten wie die muslimischen Gorani, die einen slawischen Dialekt sprechen, auch differenziertere Schulmaterialien bekommen.

Ganz konkret soll der Verband Kulturveranstaltungen, aber auch den Bau von Kulturinstitutionen ermöglichen, die lokale Wirtschaft entwickeln, die Bildung auf lokaler Ebene ermöglichen, also etwa Stipendien, Lehrerausbildung und den akademischen Austausch, aber auch Bildungseinrichtungen schaffen. Die Lehrbücher mit dem serbischen Lehrplan sollen nach kosovarischem Recht zur Verfügung gestellt werden, aber Lehrbücher sollen auch in Albanisch und anderen Sprachen angeboten werden.

Hilfe für serbische Rückkehrer

Zentral für die Gemeinden ist die Gesundheitsversorgung, die auch mit der Gesundheits- und Sozialbehörden der Republik Serbien ermöglicht werden soll. So ist etwa eine Kommission vorgesehen, die die Zahlung von Sozialhilfe aus der Republik Serbien erleichtern soll. Zudem soll gefördert werden, dass Serben und Serbinnen wieder in den Kosovo zurückkehren können. Manche Rückkehrer werden von Teilen der albanischen Mehrheitsbevölkerung schikaniert, oder sie haben Probleme, ihre Immobilien zurückzuerhalten. (Adelheid Wölfl, 30.1.2023)