Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler: "Korruption beginnt oft im Kleinen und setzt sich dann im Großen fort."

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Der Sport müsse nicht besser sein als andere Gesellschaftsbereiche, sagt Franz Fiedler. Die Verantwortlichen sollten sich einfach nur an die Compliance-Regeln halten. Da liegt nahe, dass man aufs Sportministerium und auf den Fußballbund (ÖFB) zu reden kommt. Im Sportministerium hat Sektionschef Philipp Trattner, der die Vergabe von Fördermitteln in dreistelliger Millionenhöhe verantwortet, nach einer STANDARD-Anfrage den Rückzug von seiner Nebenfunktion als Vizepräsident des Rodelweltverbands angekündigt. Im ÖFB sieht sich Präsident Gerhard Milletich dem Vorwurf ausgesetzt, er habe diese Funktion genützt, um Anzeigen für seinen Verlag zu keilen.

STANDARD: Wie beurteilen Sie, dass Philipp Trattner, Sektionschef im Sportministerium, seine Nebenfunktion als für Finanzen zuständiger Vizepräsident im Rodelweltverband zurücklegen wird?

Fiedler: Das ist als positiv zu registrieren und zu bewerten. Auch als Ehrenpräsident von Transparency International bedauere ich solche Fälle von Doppelgleisigkeit sehr. Ich kann mich erinnern, dass es in meiner Zeit als Rechnungshofpräsident – in einem anderen Ministerium – ebenfalls einen hochrangigen Beamten gab, der gleichzeitig in einem vom Ministerium geförderten Verein eine Funktion hatte. Und als das vom Rechnungshof kritisiert wurde, wurde uns gesagt, das habe sogar Vorteile, weil sich der Beamte dadurch besser auskennen würde.

STANDARD: Der Sektionschef hätte dieses Nebenamt gar nicht erst antreten dürfen?

Fiedler: So ist es. Da herrschte oder herrscht zumindest eine schiefe Optik, eine ganz schlechte Optik. Sie mag durchaus noch im Bereich des Straflosen liegen. Dennoch sollten die, die so etwas abstellen können, das auch schleunigst tun. Sonst kommen sie selbst in eine Schieflage und müssen sich fragen lassen, ob ihnen selbst das Gespür dafür fehlt, was geht und was nicht.

STANDARD: Nun sieht es so aus, als wäre Sportminister Werner Kogler spät, aber doch eingeschritten?

Fiedler: Ich kann nicht beurteilen, ob der Minister vorher informiert gewesen ist. Aber es ist bedauerlich genug, wenn der Betroffene selbst nicht zur Erkenntnis gelangt, wie schlecht die Optik ist. Da wurde, wie man in Wien sagt, wenn man von Anstand redet, ein "G’hört si" nicht erkannt. Korruption beginnt oft im Kleinen und setzt sich dann im Großen fort. Ich erinnere daran, dass der Sport besonders korruptionsanfällig und gefährdet ist. Man denke nur an die Vergabe diverser Großevents wie zuletzt jene der Fußball-WM in Katar.

STANDARD: Wieso hat speziell der Sport dieses Problem?

Fiedler: Weil enorm viel Geld im Umlauf ist. Aber Korruption ist kein spezielles Sportproblem, dieses Problem besteht überall, wo es um viel Geld geht. Das Geld übt einen Reiz aus, dem viele nicht widerstehen können. Genauso gut könnten wir das Gesundheitswesen heranziehen, in dem es Grauzonen gibt.

STANDARD: Aber vom Sport wird oft verlangt, er möge hehrer oder besser auftreten als andere Bereiche?

Fiedler: Er muss nicht besser sein, und er ist es zweifellos nicht. Auch im Sport sollten sich die Verantwortlichen einfach nur an die Compliance-Regeln halten.

STANDARD: Sie haben auch die Causa des ÖFB-Präsidenten Gerhard Milletich kommentiert. Hat er sich an Compliance-Regeln gehalten?

Fiedler: Wie gesagt – ich weiß nicht, ob stimmt, was ihm vorgeworfen wird, ob seine Funktion als ÖFB-Präsident also tatsächlich in einem Zusammenhang damit steht, dass er für seine Firma Anzeigen gekeilt hat. Ich habe gesagt, es wäre ein Fall von Korruption, wenn es stimmen sollte. Auch dieser Fall mag dann noch im Bereich des Straflosen liegen, und dennoch könnte man von Korruption reden.

STANDARD: Milletich wollte vom "Kurier", der darüber berichtet hatte, eine Entgegnung, ist damit aber zumindest in erster Instanz vor Gericht abgeblitzt.

Fiedler: Ich kenne die Begründung des Gerichts nicht. Aber dass seinem Ansinnen nicht stattgegeben wurde, macht es für ihn klarerweise nicht besser. (Fritz Neumann, 30.1.2023)