Flugreisen sind für viele von uns ein ganz normaler Teil des Alltags geworden. Wir haben Freunde, Geschäftspartner oder Sehnsuchtsorte auf fernen Kontinenten und können diese auch mit akzeptablem finanziellem Aufwand erreichen. Das liegt auch an großzügigen Steuerbefreiungen für Flüge.

Doch der Kampf gegen den Klimawandel stellt diese Gewohnheiten nun infrage. Flugreisen sind für einen signifikanten Teil der Klimaerwärmung verantwortlich, nicht nur wegen der drei Prozent, die der Flugverkehr zum globalen CO2-Ausstoß beiträgt, sondern auch aufgrund sekundärer Effekte durch ausgestoßenen Wasserdampf. Etwa drei Prozent Wachstum verzeichnete der Flugverkehr zwischen 2010 und 2019, von denen fast 80 Prozent Passagierflüge sind. Die Branche geht von einem weiteren Wachstum aus.

Verschiedene technologische Lösungen gelten als Zukunftshoffnung zur Dekarbonisierung, darunter der Umstieg auf Biotreibstoffe, Wasserstoff oder gar batteriebetriebene Flugzeuge. So soll Fliegen CO2-neutral werden.

Flugzeuge stoßen etwa drei Prozent des jährlich produzierten CO2 aus. Doch auch der produzierte Wasserdampf ist ein wesentlicher Klimawandeltreiber.
Foto: Marcus Brandt/dapd

Nun zeichnet eine im Fachjournal "Nature Sustainability" erschienene Studie das bisher genaueste Bild von der Zukunft eines Flugverkehrs, der mit den Klimazielen vereinbar ist. Besonders interessant ist daran, dass nicht nur einzelne technologische Lösungen vorgestellt werden, sondern ein Blick aufs Gesamtsystem versucht wird.

Wolkenbildung als Problem

Neun verschiedene Szenarien sah sich das Forschungsteam von der University of California, der Colorado School of Mines in der Stadt Golden und der internationalen Agentur für erneuerbare Energie in Bonn an. Die in der Studie betrachteten Szenarien rechnen alle mit einem Wachstum des Flugverkehrs zwischen einem und vier Prozent.

Die gute Nachricht: Ein ambitionierte Reduktion der Nachfrage für Flugreisen könne 61 Prozent an Treibhausgasen gegenüber einer ungebremsten Entwicklung des Flugverkehrs einsparen, effizientere Technologie bieten das Potenzial einer Reduktion um 27 Prozent, heißt es in der Studie. Eine weitere Reduktion müsste durch das Ersetzen von Treibstoffen durch Biotreibstoffe oder synthetische Treibstoffe erreicht werden. Bis 2050 würde der Flugverkehr in allen der betrachteten Szenarien jährlich die doppelte Menge aller derzeit weltweit produzierten Biotreibstoffe benötigen, von denen derzeit nur ein kleiner Teil für den Flugverkehr eingesetzt wird.

Doch Fliegen ist nicht nur wegen des CO2-Ausstoßes ein Problem fürs Klima. Auch sekundäre Effekte sorgen für eine Erwärmung der Erdoberfläche. Dieser Effekt ist schwieriger zu messen und wurde erstmals auch einkalkuliert. Dabei zeigt sich, dass der beim Fliegen emittierte Wasserdampf ein Problem darstellt, dass sich womöglich nicht durch die betrachteten Maßnahmen lösen lässt.

Bemerkenswert ist der Schluss, den die Studienautorinnen und -autoren daraus ziehen. Um die Klimaziele trotz des Wachstums dennoch zu erreichen, müsse ein Teil des CO2 der Atmosphäre wieder entzogen werden – nach dem Schlagwort "negative Emissionen", ein Bereich, der mit dem Flugverkehr eigentlich nichts zu tun hat. Bis zu 3,4 Gigatonnen CO2 müssten wieder aus der Atmosphäre geholt werden, um die sekundären klimaschädlichen Effekte des Fliegens zu kompensieren. Dieses Herausfiltern von CO2 aus der Atmosphäre wird im Englischen Carbon Dioxide Removal genannt, kurz CDR. Das kann auf technologischem Weg geschehen, indem Kohlendioxid gefiltert und in den Boden gepumpt wird (Stichwort Carbon Capture and Storage, kurz CCS), oder auf biologischem Weg durch das Erzeugen von Biomasse und deren Lagerung.

Selbst bei einer für den Klimawandel günstigen Entwicklung der Nachfrage und Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten erreicht der Flugverkehr die für eine Begrenzung des Klimawandels nötigen Ziele laut der Studie also nicht und ist darauf angewiesen, dass anderorts CO2 der Atmosphäre entzogen wird.

Kein vollständiger Umstieg auf Biotreibstoffe

Fachleute äußern sich im Wesentlichen anerkennend über die neue Studie. Frank Wetzel vom deutschen Umweltbundesamt bekräftigt das Ergebnis, dass alternative Treibstoffe eine Rolle spielen werden, und verweist auf die "Fit for 55"-Initiative der EU-Kommission, die verpflichtende Beimischungsquoten von alternativen Treibstoffen für den Flugverkehr vorsieht. Allerdings betont Wetzel, dass es in den kommenden Jahrzehnten bei einer Beimischung bleiben wird und fossile Treibstoffe in der Praxis nicht vollständig ersetzt werden. Klar ist für den Experten des Umweltbundesamts, dass auch alternative Treibstoffe aufgrund des Herstellungsprozesses alles andere als CO2-neutral sind. Klimaneutralität von Flügen sei auf diesem Weg nicht zu erreichen, als einzige Option bleibe, dieses CO2, wie in der Studie vorgeschlagen, per CDR der Atmosphäre wieder zu entziehen.

Derzeit flugtaugliche Wasserstoffflugzeuge sind nicht in der Lage, in den nächsten Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung des Flugverkehrs zu leisten.
Foto: APA/dpa/Christoph Schmidt

Stefan Gössling, der an der Universität Lund und der Linnaeus Universität in Kalmar in Schweden forscht, kritisiert das Ins-Spiel-Bringen von CDR in diesem Zusammenhang. Dieser Aspekt sei zu stark betont, sagt Gössling, denn CDR sei "teuer und technisch äußerst unsicher". Damit verschiebe man Lösungen in die Zukunft, ohne Sicherheit, dass diese dann funktionieren würden. Er nennt stattdessen als wichtigste Maßnahme einen CO2-Preis von 300 Euro pro Tonne CO2, dazu eine Verpflichtung zum Tanken von alternativen Treibstoffen und außerdem eine Besteuerung von Premium- und Privatflügen. Er mahnt, man brauche Lösungen, "die jetzt funktionieren".

Ein häufig genannter Kritikpunkt am derzeitigen Flugverkehr ist die fehlende Besteuerung von Flugzeugtreibstoff. Abthony Patt von der ETH Zürich in der Schweiz betont, dass die Treibstoffkosten nur etwa 30 Prozent ausmachen. Der wahre Grund, warum Fliegen so billig ist, liege in der vergleichsweise wenigen benötigten Infrastruktur. Umgekehrt bedeutet das, dass auch ein Umstieg auf alternative Treibstoffe die Preise nicht massiv steigen lassen würde. Derzeit kosten Biotreibstoffe für Flugzeuge etwa das Fünffache von fossilem Kerosin. Er erwartet, dass der Preis auf etwa das Doppelte des Kerosinpreises sinken könnte. Dann würden Flüge um 30 Prozent mehr kosten. Patt hält es für möglich, dass klimaneutraler Flugverkehr in zwanzig Jahren nicht mehr kostet als heute.

Zur Produktion dieser Treibstoffe sollen künftig nicht wie in der Vergangenheit Ackerflächen genutzt werden, mit gravierenden Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung. Stattdessen besteht die Idee darin, aus der Atmosphäre entnommenes CO2 mittels erneuerbarer Energie in synthetischen Treibstoff zu verwandeln, der fast identisch mit dem derzeit verwendeten Kerosin ist, wie Patt betont. "Es wird nicht einfach sein, genug von diesen Kraftstoffen zu produzieren, um den weltweiten Bedarf zu decken", sagt Patt. Man benötige dafür mit bestimmten Methoden "Sonnenkollektoren auf einer Fläche von etwa 40.000 Quadratkilometern". Er hält das aber für möglich.

Patt kritisiert die Betrachtung der sekundären Emissionen in der Studie als zu vereinfacht und meint, dass bei diesen Treibstoffen die sekundären Klimaeffekte unter Umständen geringer sein könnten. Er wünscht sich künftig zudem Flugrouten, die Gebieten ausweichen, in denen sich Cirruswolken bilden.

Studie bei Wasserstoff ungenau

Julian Leon Hölzen von der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover kritisiert ebenfalls einzelne Ergebnisse der Studie. Der Fokus sei möglicherweise zu breit angelegt, was sich in Unschärfen bei Details niederschlägt. So seien etwa manche Daten zu Wasserstoffflugzeugen nicht auf dem neuesten Stand. Wasserstoff könnte laut ihm ein höherer Stellenwert gegenüber alternativen Treibstoffen für konventionelle Flugzeugtriebwerke zukommen. Er gibt aber zu, dass die Auswirkungen auf die Ergebnissen der Studie zu Langstreckenflügen gering sind. Bei Letzteren würden auch künftig eher synthetische Treibstoffe zum Zug kommen. Gerade Mittel- und Langstrecken sind aber für den größten Teil der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich.

Hölzen mahnt ein, es sei dringend nötig, "mit industriepolitischen Mitteln einen klaren Weg für die Industrie vorzugeben. Nur so können heute sehr schnell benötigte Investitionen und Wechsel der strategischen Richtungen entscheidender Konzerne der Branche für diese klimaschonenderen Maßnahmen wirklich Wirkung in 15 bis 30 Jahren zeigen."

Stefan Gössling zweifelt allerdings an der Wasserstofftechnologie als Lösung: "Niemand weiß aktuell, was Wasserstoffflugzeuge für einen Beitrag zur Klimaerwärmung leisten würden." Man wisse nicht, ob die schädlichen sekundären Effekte bei Wasserstoff tatsächlich verschwinden würden. Und: "Es gibt aktuell keine Anzeichen, dass die Technologie wirklich funktionieren wird." Er verweist auf fehlende sekundäre Infrastruktur auf Flughäfen und offene Fragen zur Reichweite.

Ein Flug in der Businessclass verursacht dreimal mehr Emissionen als ein Flug in der Economyclass, sagt Experte Stefan Gössling.
Foto: IMAGO/Sven Simon

Reduktion sehr effektiv

Jakob Graichen vom Öko-Institut Berlin lobt, dass in der Studie Dinge zur Sprache kommen, die bisher nicht ausreichend adressiert wurden: "Die Nachfrage nach Flügen muss sinken, um realistischerweise Klimaneutralität im Luftverkehr erreichen zu können."

Auch der Weltklimarat IPCC, der die Bedeutung des Flugverkehrs für den Klimawandel herausstreicht und ihm in seinem sechsten Sachstandsbericht ein eigenes Kapitel widmet, erklärt, eine Verringerung der CO2-Emissionen sei durch die Vermeidung von Langstreckenflügen und das Ersetzen von Kurzstreckenflügen durch Bahnfahrten zu schaffen. 40 Prozent Reduktion der Treibhausgasemissionen seien allein dadurch zu erreichen. Die vorgestellte Studie rechnet allerdings, wie schon erwähnt, mit keiner absoluten Reduktion gegenüber dem Status quo.

Das Ins-Spiel-Bringen von CDR-Technologien statt einer Reduktion, wie vom Weltklimarat gefordert, ist insofern bemerkenswert, auch andere Branchen, die Schwierigkeiten mit der Dekarbonisierung haben, ihre Hoffnungen in diese Technik setzen. Inzwischen sind viele Forschende überzeugt, dass ein Verhindern von katastrophalen Klimaveränderungen ohne CDR oder im Speziellen CCS nicht mehr zu schaffen ist. Doch bislang gibt es wenige Lagerstätten für CCS, wer bei der Nutzung zum Zug kommen wird, ist völlig offen.

Gesammeltes CO2 lässt sich zwar unter Einsatz von Energie wieder in Treibstoffe verwandeln, doch braucht es dafür große Mengen erneuerbare Energie, für die auch andere Branchen in Zukunft riesigen Bedarf haben werden. Ein Beispiel ist die Erzeugung von CO2-neutralem Wasserstoff, der ebenfalls ein Teil der Lösung für die Klimakrise sein soll. Schon allein für die Wasserstoffwirtschaft wäre ein verstärkter Ausbau von erneuerbarer Energie nötig, synthetische klimaneutrale Treibstoffe auf Basis von abgeschiedenem CO2 würden diesen Bedarf nochmals drastisch erhöhen. In der Studie heißt es dazu, dass "Flugzeugkraftstoffe in einer Netto-Null-Welt mit anderen schwer zu dekarbonisierenden Sektoren um Rohstoffe konkurrieren und mit der Stromerzeugung aus Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und Speicherung." Um erneuerbare Energie und CO2-Lagerstätten bahnt sich ein Wettbewerb an, in dem der Flugverkehr ein Player unter vielen sein wird. (Reinhard Kleindl, 31.1.2023)