Immer wieder geben Infektionswellen auf Nerzfarmen Anlass zur Besorgnis. Nun haben sich Nerze in Spanien offenbar gegenseitig mit Vogelgrippe angesteckt.

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Ein Vogelgrippe-Ausbruch auf einer spanischen Nerzfarm sorgt für Beunruhigung. Fachleute sehen Anzeichen dafür, dass sich das Virus H5N1 an Säugetiere anpasst und dadurch auch dem Menschen gefährlich werden könnte. Genetische Analysen an infizierten Nerzen haben gezeigt, dass das Virus mindestens eine Veränderung aufweist, die die Fähigkeit zur Vermehrung und Weitergabe in Säugetieren erhöhen dürfte, wie Forschende im Fachblatt "Eurosurveillance" berichten. Experten sprechen von einem Alarmsignal.

H5N1-Übertragungen von Vögeln auf Säugetiere wurden schon zuvor vereinzelt beobachtet, in den Vereinigten Staaten etwa bei Waschbären, Füchsen, Robben und Grizzlybären. Auch Menschen werden immer wieder mit dem Virus infiziert. Diese Fälle seien aber alle auf direkten Kontakt mit infizierten Vögeln zurückzuführen gewesen, sagte Hualan Chen vom chinesischen Harbin Veterinary Research Institute zum Fachmagazin "Nature". Auf der spanischen Nerzfarm scheint sich das Virus aber unter den Nerzen ausgebreitet zu haben, also von Säugetier zu Säugetier.

50.000 Tiere getötet

Bemerkt worden war der Ausbruch auf der großen Pelzfarm in Carral in der nordwestlichen Region Galizien im vergangenen Oktober. Als plötzlich zahlreiche Tiere starben, vermuteten Veterinärmediziner zunächst das Coronavirus als Auslöser. Doch Tests ergaben, dass das H5N1-Virus hinter den Todesfällen steckte. Die mehr als 50.000 Nerze der Farm wurden daraufhin getötet, über alle Mitarbeiter wurden Quarantänemaßnahmen verhängt. Infektionen von Menschen wurden nicht registriert.

Für den Virologen Tom Peacock vom Imperial College in London ist die Entwicklung dennoch "unglaublich besorgniserregend". Er sehe einen "klaren Mechanismus, wie eine Vogelgrippe-Pandemie starten" könnte, sagte er zum Magazin "Science". Die derzeit grassierende Vogelgrippevariante 2.3.4.4b ist die größte jemals dokumentierte H5N1-Welle bei Vögeln. Für Menschen ist diese Variante weniger krankmachend als frühere Vogelgrippe-Varianten, an denen rund die Hälfte aller infizierten Personen starb. Doch die weite Verbreitung unter Vögeln bietet dem Virus auch mehr Gelegenheiten, auf Säugetiere überzuspringen.

Nerzindustrie in der Kritik

Da die Rezeptoren, an die das H5N1-Virus in den Atemwegen von Vögeln andockt, bei Säugetieren seltener vorkommen, blieben diese bisher meist verschont. Die meisten Ansteckungen außerhalb der Vogelwelt erfolgten durch direkten Kontakt mit infizierten Vögeln oder deren Ausscheidungen. Eine Ausbreitung unter Säugetieren wäre hingegen ein deutlich größeres Risiko für die öffentliche Gesundheit.

Ob und wie leicht das bei den Nerzen gefundene Virus auch Menschen infizieren oder sich zwischen ihnen verbreiten kann, ist noch nicht geklärt. Bei Virusproben von vier Tieren seien jedoch mehrere Mutationen gefunden worden, berichten Forschende. Eine von ihnen trage dazu bei, dass sich das H5N1-Virus besser in Säugetiergewebe vermehren kann. Weitere besorgniserregende Mutationen seien nicht festgestellt worden – "vielleicht haben wir in diesem Fall noch Glück gehabt", sagte Peacock. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, wie schnell und auf welchen Wegen sich das Virus unter den Nerzen ausbreiten konnte.

Der Vorfall rückt auch einmal mehr die Risiken der Nerzzucht ins Rampenlicht. Schon das Coronavirus, das in den vergangenen Jahren immer wieder von Menschen in Nerzfarmen eingeschleppt wurde, breitete sich rasant unter den Tieren aus und nährte Sorgen, dass die Nerzindustrie zum Nährboden für gefährliche Virusmutationen werden könnte. Auch Tierschützer kritisieren die Bedingungen in der Pelztierzucht seit langem. (David Rennert, APA, 30.1.2023)