Frühestens im Jahr 2030 soll die Geburtenstation in der Klinik Landstraße schließen und ins Spital Favoriten übersiedeln. Auch die Geburtenstation in der Klinik Hietzing soll frühestens 2030 geschlossen werden.

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Die Ankündigung der Wiener Ärztekammer hat am Sonntag für gehörige Aufregung gesorgt. So verwies die Kammer darauf, dass die Stadt Wien eine "massive Reduktion von Geburtskapazitäten" plane: Demnach würden die Kliniken Hietzing und Landstraße ab dem Jahr 2025 trotz steigender Geburtenzahlen in Wien keine Geburten mehr anbieten. In beiden Kliniken finden derzeit laut Kammer insgesamt rund 2.700 Geburten jährlich statt. Selbst wenn andere Kliniken mehr Geburten übernehmen würden, könnten zwischen 1.000 und 1.500 Frauen in Wien ohne Geburtsbetten dastehen, wie die Ärztekammer in einer Aussendung befürchtet. Hintergrund der Pläne sei die vorliegende Verordnung zum "Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG) Wien 2025."

Frühestens 2030 keine Geburten mehr in der Klinik Hietzing

In Wien wird tatsächlich das Geburtensystem umgestellt. Das bestätigte ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) dem STANDARD. Die Reform sehe aber anders aus, als es die Wiener Ärztekammer in der Öffentlichkeit derzeit darstelle. So würden in der Klinik Hietzing künftig zwar keine Geburten mehr angeboten werden. Das sei aber frühestens im Jahr 2030 der Fall. Die Geburten werden von der Klinik Ottakring übernommen. "Die Gynäkologie bleibt aber selbstverständlich weiter in Hietzing bestehen", sagte ein Sprecher Hackers.

Erklärt wird die Absiedelung der Geburtenstation in Hietzing dadurch, dass es auch eine Nachsorge im Rahmen einer gut ausgebauten Neonatologie brauche. Diese gebe es in der Klinik Ottakring, nicht aber im Spital Hietzing. In Ottakring seien 2022 zudem neue Kreißsäle eröffnet worden: Man habe dort die Kapazität von 1.400 auf 2.000 Geburten pro Jahr steigern können – auch wenn die Kapazitäten noch nicht voll ausgeschöpft worden seien.

Auch Geburtenstation in der Klinik Landstraße schließt

Frühestens im Jahr 2030 soll auch die Geburtenstation in der Klinik Landstraße schließen und ins Spital Favoriten übersiedeln. Ein fixes Datum dafür stehe noch nicht fest: Es könnte auch erst 2032 dazu kommen, hieß es aus dem Büro Hacker. Schließlich steht die Klinik im zehnten Bezirk, die einst Kaiser-Franz-Josef-Spital hieß, vor einem großen Umbau: Hier sollen bis 2033 die zentrale Notaufnahme, die Kardiologie, Pulmologie, Innere Medizin, Neurologie, Forensik sowie Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie neu errichtet werden.

Mit der Schließung von zwei Geburtenstationen sind laut Stadt Wien aber keine Einschränkungen verbunden. "Es sind keine Reduktionen der Geburtskapazitäten im Wiener Gesundheitsverbund vorgesehen", sagte ein Hacker-Sprecher. Das betreffe den RSG 2025, aber auch die Ziel- und Gesamtplanung 2030.

Aktuell Kapazitäten in Spitälern für rund 18.000 Geburten

Der Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) plus das St. Josef Krankenhaus sei für rund 18.000 Geburten im Jahr gerüstet. In den kommenden Jahren werde die Kapazität mit neuen Kreißsälen noch um rund 1.000 Geburten pro Jahr erhöht. 2022 gab es in diesen Kliniken insgesamt knapp 17.000 Geburten. Es seien also weiterhin "mehr als ausreichend Geburtenplätze in Wien vorhanden".

Das St. Josef Krankenhaus der Vinzenz Gruppe, nach Eigenangaben die größte Geburtsklinik Österreichs, nimmt mit sieben Wigev-Kliniken an der zentralen Geburtsanmeldung in Wien teil: Im Jahr 2022 wurde in diesem Spital mit 4.119 Babys ein neuer Geburtenrekord gemeldet. In den Wigev-Kliniken kamen im Vorjahr 12.853 Babys zur Welt. Das waren rund 200 mehr als im Vorjahr.

Insgesamt gab es in Wien im Jahr 2021 genau 19.359 Geburten, endgültige Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor. Das Ressort von Gesundheitsstadtrat Hacker verweist darauf, dass die Geburtenzahlen in den vergangenen vier Jahren etwas unter der Geburtenprognose der Stadt aus dem Jahr 2018 lagen.

Kritik an den Plänen der Stadt

Dass die Geburtskapazitäten in Wien auch nach der Schließung von zwei Geburtenstationen aufrecht bleiben, kann man bei der Ärztekammer hingegen nicht so recht nachvollziehen. Ein Experte, der namentlich nicht genannt werden möchte, schildert dem STANDARD, dass die Spitäler schon jetzt ausgelastet seien. In der Klinik Favoriten betrage die Kapazität maximal 2.100 Geburten jährlich, im Vorjahr habe es rund 2.050 gegeben. Einen Plan, wie hier ab 2030 zusätzliche Geburten von der Klinik Landstraße stattfinden sollen, gebe es nicht. "Das Vorhaben der Stadt ist beängstigend." Es brauche zusätzliche Kreißsäle sowie eine jahrelange Vorbereitung für eine Aufrüstung. Und: Schon jetzt sei es schwierig, hochqualifiziertes Personal zu finden. (David Krutzler, 31.1.2023)