Marinechronometer: Das klingt zunächst nicht gerade sexy, eher funktional und nüchtern. Dass dem aber nicht so sein muss, beweist ein vom Hamburger Juwelier Wempe anlässlich der Bootsmesse in Düsseldorf vorgestellter Schiffschronometer. Er hört auf den Namen Wempe Marine Chronometer Coco de Mer by Tim Heywood. Letzterer ist Yachtdesigner. Einer der renommiertesten der Welt. Insgesamt zeichnet Tim Heywood Designs – das Studio betreibt der Brite zusammen mit seiner Frau Vanessa – für die Gestaltung von 66 Yachten verantwortlich. Der 72-Jährige beschreibt seinen Stil wie folgt: "athletisch-feminin, mit einer Art von straffen Kurven".

Die Gehäuseform des Schiffschronometers ist an die Coco de Mer angelehnt – eine erotisch aufgeladene Riesennuss.
Foto: Wempe

Diesem Grundsatz folgend, hat er sich für die "Verpackung" des Schiffschronometers eine besondere Form überlegt: die einer Coco de Mer. Was den Hamburgern möglicherweise eine zarte Schamesröte ins Gesicht gezaubert hat. Denn die Riesennuss sieht von der einen Seite aus wie ein wohlgeformter Po, von der anderen Seite betrachtet, wie der weibliche Unterleib. Ein Hingucker allemal, der sich nicht nur auf einer Luxusyacht gut macht, ist sich Heywood sicher.

Tim Heywood hat die neuen Chronometer mit einem kräftig blauen Blatt ausgerüstet. Es zeigt eine moderne Typografie, zwei Öffnungen bei 4 und 8 Uhr ermöglichen den Blick auf das Uhrwerk.
Foto: Wempe

Klappt man den "Unterleib" auf, offenbart sich das funktionale Herz dieser speziellen Skulptur: der Schiffschronometer. In Zeiten von GPS und Co mag dieser Uhrentyp zwar ein bisschen anachronistisch anmuten, aber seit seiner Einführung auf See im 18. Jahrhundert konnte man damit ganz präzise den Längengrad bestimmen, was wiederum eine sichere Navigation ermöglichte.

Das Funktionsprinzip klingt einfach: Die Uhr bewahrt unerschütterlich präzise die Zeit des Heimathafens; unterwegs wird deren Abweichung vom gemessenen Mittag abgelesen und daraus die Position errechnet. Konstruktion und Bau solcher Zeitmesser aber sind schwierig. Es brauchte Jahrhunderte, sie zu perfektionieren, hört man bei Wempe. Das Familienunternehmen rüstet seit 1905 Schiffe mit diesem besonders präzisen und robusten Uhrentyp aus.

Technisches und Historisches

Das Basiswerk des seit 80 Jahren bewährten Wempe "Einheitschronometers" (der im Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde), "Typ 05" genannt, ist immer weiter verbessert worden: Für das aktuelle Chronometerwerk "Typ 06" wurde von 2017 bis 2021 jedes Bauteil neu konstruiert und modernen Fertigungstechniken angepasst. So kommt er auf eine maximale Gangabweichung von 0,3 Sekunden am Tag bei 56 Stunden Gangreserve.

Für diese hohe Präzision sorgt auch das Prinzip von "Kette und Schnecke": Damit die Krafteinwirkung der sich entspannenden Aufzugsfeder auf das Räderwerk stets gleichbleibt, wird sie über eine filigrane Kette übertragen, die sich langsam von einem Kegel (die Schnecke) abrollt. Eine kardanische Aufhängung sorgt dafür, dass das Navigationsgerät auch bei starkem Wellengang immer im Lot bleibt. Eine neue technische Generation stellt das verzierte Drei-Brücken-Werk "Typ 07" dar. Es ist schließlich dieses Werk, das auch in der Coco de Mer seinen Dienst versieht.

Schaut zufrieden aus: der Yachtdesigner und sein Werk.
Foto: Wempe

Heywood hat die neuen Chronometer mit einem kräftig blauen Blatt ausgerüstet. Es zeigt eine moderne Typografie, zwei Öffnungen bei 4 und 8 Uhr ermöglichen den Blick auf das Uhrwerk. Das Borosilikatglas auf der Zifferblattseite wird aus einem massiven Block geschliffen. Eingestrahlt sind zwölf Meridiane – zu deren Bestimmung die ersten Chronometer entstanden. Diese Linien setzen sich auf dem weit gewölbten Glas der Unterseite fort. Wird die Kardanik des vergoldeten Messinggehäuses mit dem Werk nach oben fixiert, um es aufzuziehen, wirkt es wie eine abstrakte Skulptur. Die Schiffsuhr ist auf 50 nummerierte Exemplare limitiert, zum Preis von 79.500 Euro. Wer eine Luxusjacht sein Eigen nennt, für den sind das vermutlich Peanuts. (max, 30.1.2023)