Auch wenn viele den Frühling und wärmere Temperaturen kaum erwarten können – der nächste Sommer kommt bestimmt, und damit rollen auch die nächsten Hitzewellen an. Gerade für Ältere und Kranke steigt dann erneut das Risiko, gesundheitlichen Schaden zu nehmen oder gar an den Auswirkungen der hohen Temperaturen zu sterben. Vor allem in Städten wird der Klimawandel zunehmend zum Problem. Die von Asphalt, Beton, Glasflächen und Autos geprägten Hitzeinseln sorgen für tausende Tote im Jahr, viele davon könnten allerdings verhindert werden, besagt eine neue Studie.

Bäume sind gerade in Städten essenziell, um die Temperatur in den heißen Sommermonaten erträglich zu machen.
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Die im Wissenschaftsjournal Lancet publizierte Untersuchung berücksichtigte die Daten 93 europäischer Städte, darunter Wien und Graz. Die Forschenden errechneten, dass im ausgewerteten Jahr 2015 zumindest 6700 frühzeitige Todesfälle auf die deutlich höheren Temperaturen in Städten im Vergleich zum Umland zurückzuführen waren. Wären nur 30 Prozent der Stadtfläche durch schattenspendende Bäume vor der Sonneneinstrahlung geschützt gewesen, wäre die Sterblichkeit um ein Drittel geringer ausgefallen, errechneten die Studienverantwortlichen vom Barcelona Institute for Global Health (Isglobal).

Im Jahr 2015 hätten so allein in den europäischen Städten 2644 Menschen gerettet werden können.Die Berechnung basiert auf Simulationen, dass die Temperatur durch den höheren Baumbestand in den Städten im Sommer um durchschnittlich 0,4 Grad gesenkt werden kann. Das mag auf den ersten Blick nicht nach viel klingen. Welch enormen Auswirkungen aber bereits ein durchschnittlicher Temperaturanstieg um einen halben Grad auf die Umwelt und damit auch den Menschen hat, zeigt das aktuelle Rittern um ein Klimaziel von 1,5 vs. zwei Grad Erderhitzung. Bei Letzterer sind laut Schätzungen etwa doppelt bis dreifach so viel Tiere und Pflanzen vom Artensterben betroffen.

Heißes Wien und Graz

Auch für Österreich gibt es konkrete Daten: So beträgt die Fläche, die in Wien durch Bäume schattenbedeckt ist, gerade einmal 15 Prozent. Für Graz berechneten die Studienverantwortlichen eine Abdeckung von 26 Prozent. Da der Baumbestand aber nicht gleichmäßig über die jeweiligen Stadtflächen verteilt ist, gibt es in beiden Städten Luft nach oben.

Wo Bäume und Grünflächen fehlen, versucht man mit künstlichen Regenduschen die Oberflächen runterzukühlen.
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Der Temperaturunterschied zwischen Umland und Stadt ist in beiden Fällen recht hoch. Während Wien bis zu 2,5 Grad wärmer als seine ländliche Umgebung ist, beträgt der Wert auch in Graz erstaunlicherweise bis zu 2,2 Grad. Durch eine Aufstockung des Baumbestands könne die Temperatur in Wien im Schnitt um 0,3 Grad und lokal um bis zu 0,55 Grad gesenkt werden. In Graz ist der Durchschnittswert aufgrund des höheren Baumbestands etwas geringer, in einzelnen Grätzeln beträgt der errechnete Kühleffekt aber 0,76 Grad.

Die Mortalitätsrate in beiden Städten könne durch die Maßnahmen um etwa vier Personen pro 100.000 Einwohner verringert werden. Für Wien bedeutet das, dass in einem Sommer wie im Jahr 2015 zumindest 55 Personen gerettet werden könnten. In Graz beläuft sich dieser Wert immerhin noch auf neun Personen. Auch diese Werte mögen auf den ersten Blick nicht allzu spektakulär wirken. Ein Blick auf aktuelle Klimaprognosen und ihre Auswirkungen auf Städte zeichnet aber ein dramatischeres Bild.

So kam etwa eine Studie der Universität Graz und der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt 2017 zu dem Schluss, dass Wien im Jahr 2030 bis zu 1100 Hitzetote pro Jahr drohen, sollten keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. Bis Mitte des Jahrhunderts könnte diese Zahl auf über 2600 Menschen ansteigen, zeigte die mit Mitteln des Klimaschutzministeriums und der Stadt Wien geförderte Untersuchung auf.

25.000 neue Bäume

Wie wichtig mehr Bäume für das Stadtklima sind, hat man auch in Wien längst erkannt. Bis 2025 sollen 25.000 neue Stadtbäume gepflanzt werden. Den aktuellen Bestand gibt die Stadt mit etwa einer halben Million an. Mindestens 3000 Bäume sollen an 500 neuen Standorten gesetzt werden. Letzteres zeigt das Dilemma, das Wien mit einigen anderen Städten teilt.

Die großen öffentlich zugänglichen Grünflächen (dunkelgrün), mit denen die Stadt eigenen Aussagen zufolge auf 50 Prozent kommt, befinden sich größtenteils in den Außenbezirken.
Foto: Stadt Wien

So rühmt sich die Stadt zwar damit, dass 50 Prozent der Fläche Wiens Grünflächen seien. Ein Blick auf die Landkarte zeigt jedoch, dass der überwiegende Großteil davon auf den großteils unbesiedelten Wiener Wald, auf Lobau und Prater sowie andere Erholungsgebiete wie Donauinsel, Wienerberg oder Schönbrunn entfallen. Gerade in den dichtbesiedelten Bezirken sind Bäume und deren Schatten immer noch Mangelware. Von einem Bestand wie in Berlin, wo die Stadt auf einer Fläche von mehr als 33 Prozent vom Schatten der Bäume profitiert, ist man in Wien weit entfernt.

"Durch das Pflanzen von Bäumen eine Erhöhung der Schattenfläche auf 30 Prozent zu erreichen, ist nicht trivial", gibt Studienautorin Tamara Iungman von Forschungsinstitut Isglobal zu. Oft fehle in den dichtverbauten Städten der Platz, gleichzeitig habe die Analyse gezeigt, dass die 30-Prozent-Vorgabe fast überall erreicht werden könne. Neben dem Schatten, der eine Aufheizung von Asphalt und Gebäuden verhindere, trage auch die Verdunstung über die Blätter zur Kühlung der Umgebung bei.

Autos als Hitzepools

"Bäume sind nicht die einzigen Maßnahmen, mit denen Hitzeinseln entschärft werden können. Auch begrünte Fassaden und Mauern, aber auch helle Gebäudefarben und -materialien sind essenziell", erklärt Iungman. Eine besonders wichtige Maßnahme sei auch, die Anzahl der Autos in Städten zu verringern. Denn diese würden sich durch die Sonneneinstrahlung besonders aufheizen und diese Wärme schließlich wieder an die Umgebung abgeben.

Wie extrem die Auswirkungen von Bäumen auf die Oberflächentemperatur sind, zeigt eine Studie der ETH Zürich, die 2021 im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde. Über Satellitenmessungen konnte damals nachgewiesen werden, dass in Wien Gebiete mit Bäumen im Sommer um elf Grad kühler als bebaute Flächen sind. In den ebenfalls untersuchten Städten Salzburg und Innsbruck fiel der Effekt mit 14 und 15,5 Grad sogar noch deutlicher aus. Bei all den Studien sind zudem die positiven Effekte, die Bäume und Grünflächen auf die Psyche von Menschen haben, noch gar nicht berücksichtigt. (Martin Stepanek, 1.2.2023)