Künstliche Intelligenz könnte es Dating-Apps ermöglichen, Nutzerprofile noch genauer aufeinander abzustimmen.
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Amy und Frank liegen im Bett und halten Händchen. Sie findet ihn gut, er sie auch. Eine App hat die beiden zusammengeführt. Sie zeigt auch an, wie lange es zwischen den beiden gutgehen wird: zwölf Stunden. Eine kurze Liebschaft, dann müssen sich die beiden trennen. So sieht es das "System" vor. In einer der beliebtesten Folgen der Science-Fiction-Serie Black Mirror imaginieren die Macherinnen und Macher das Dating der Zukunft. Die Menschen suchen sich ihre Partnerinnen und Partner nicht mehr selbst aus, sie bekommen ihre Beziehungen zugeteilt.

Das würde tatsächlich auch ein paar Vorteile bergen: kein stundenlanges Swipen mehr, keine schlechten One-Night-Stands, keine enttäuschten Erwartungen, kein herzzerreißender Liebeskummer. Wenn die App noch mehr über ihre Nutzerinnen und Nutzer, ihre Vorlieben und Eigenheiten herausgefunden hat, dann wird ihnen "das perfekte Match" angezeigt. Die große Liebe, weitgehend von der Romantik des Zufalls befreit, weil berechnet von Künstlicher Intelligenz.

Könnte das irgendwann Realität werden? Immerhin setzen Dating-Apps schon lange Algorithmen ein, um ihre Nutzerinnen und Nutzer anhand ihres Charakters, ihrer Vorlieben und Interessen zusammenzubringen. Mit einer künstlichen Intelligenz (KI), die laufend dazulernt, könnten sie Menschen noch passgenauer miteinander verkuppeln.

Viele Dating-Apps setzen künstliche Intelligenz (KI) ein, um die Sicherheit zu verbessern. Tinder etwa nutzt maschinelles Lernen und KI, um anstößige Nachrichten zu erkennen.
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Für die Sicherheit im Einsatz

Viele Dating-Anbieter geben an, bereits KI einzusetzen. Über die Einzelheiten halten sich die meisten allerdings bedeckt. Die Partnervermittlung Parship sagt beispielsweise, dass KI zum Einsatz komme – aber nicht für das Matching. "Dass ein Matching-Verfahren auf künstlicher Intelligenz basiert, bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, dass es erprobten psychologischen Verfahren überlegen ist", heißt es auf Anfrage. Lieber achte man hier auf "weitreichende psychologische Faktoren", als eine KI zurate zu ziehen. Es gibt aber ein anderes Einsatzfeld, nämlich Sicherheit.

Tinder etwa nutzt maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, um anstößige oder unangemessene Nachrichten zu erkennen. Die Dating-App Bumble wiederum hat ein System eingeführt, das automatisierte und KI-basierte Technologien nutzt, um potenzielle Verstöße gegen die Community-Richtlinien frühzeitig zu erkennen. Der Dienst stellte im Jahr 2019 außerdem seinen "Private Detector" vor – eine Open-Source-KI, die Nacktbilder zensiert. Nutzerinnen können dann entscheiden, ob sie das Nacktbild sehen – oder melden wollen. Auch Parship setzt KI in Form von Machine-Learning ein, um unerwünschte Inhalte oder verfälschte Fotos frühzeitig zu erkennen.

KI-Algorithmen könnten künftig auch noch stärker dabei helfen, Schwindlern auf die Schliche zu kommen. Britische Forschende haben eine KI entwickelt, die gefälschte Profile auf Dating-Plattformen aufspürt. Sie untersucht Accounts auf verdächtige Merkmale.

Neue Funktionen und Apps entstehen

Neben der Sicherheit bietet KI aber auch andere Möglichkeiten. Berichten zufolge arbeitet der US-amerikanische Dating-Dienst eHarmony an einer KI-Funktion, die Personen dazu auffordert, sich zu treffen, nachdem sie eine Weile über die App gechattet haben. Einen neuen Ansatz verfolgt der US-amerikanische Dienst AIMM, kurz für "artificially intelligent matchmaker". Auf Basis von KI verbindet eine Sprachassistentin mögliche Partnerinnen und Partner mithilfe von Spracherkennung. Sie fragt die Nutzerinnen und Nutzer nach ihren Vorlieben und geht mit den gesammelten Informationen auf Partnersuche. Nach dem Match bietet die KI Tipps für das erste Date an oder hört sich an, wie das Date gelaufen ist. Wie das funktioniert, zeigt ein PR-Video für die App.

Bei AIMM unterstützt eine Sprachassistentin Nutzerinnen und Nutzer beim Dating. Die App ist aber noch an vielen Stellen unausgereift.
AIMM

An neuen KI-Anwendungen im Dating tüftelt sogar die Wissenschaft. Forschende der Universitäten Helsinki und Kopenhagen könnten den Weg für ein "Neuro-Tinder" freimachen. Im Rahmen einer Studie anhand von Gehirnwellen fanden sie heraus, ob ein Gesicht von Probanden als attraktiv empfunden wird. Sie schlussfolgerten, dass Menschen sich unbewusst zu bestimmten Gesichtsmerkmalen hingezogen fühlen. Verknüpft mit Persönlichkeitstests, die immer ausgefeilter werden, könnten solche Methoden die Partnersuche auf Dating-Plattformen womöglich auf die nächste Stufe bringen.

Biologin: KI kann nicht alles berücksichtigen

Ob die KI den Menschen wohl bald das perfekte Match liefert? Die Biologin Meike Stoverock ist skeptisch. Alleine deshalb, weil bei der Anziehung auch physische Faktoren wie genetische Gegensätzlichkeit eine Rolle spielen würden. Auch der individuelle Geruch entscheide darüber, ob wir jemanden attraktiv finden. "Er zeigt an: Ist er oder sie gutes Paarungsmaterial?"

Bei der Suche nach einer romantischen Langzeitbeziehung seien hingegen andere Dinge wichtig. Welche, darüber gäbe es unterschiedliche Ansichten. Müssen Menschen einander besonders ähnlich sein? Oder möglichst verschieden – nach dem Motto "Gegensätze ziehen sich an"? Jedenfalls entscheidend seien psychologische Faktoren wie Konfliktfähigkeit und emotionale Reife. "Die Frage ist, wie das von einer KI berücksichtigt werden könnte", gibt die Biologin zu bedenken.

Studie: Beziehungsdynamik entscheidend

Anlass zum Zweifel, dass KI einmal die perfekte Verkupplerin werden könnte, gibt auch Forschung aus dem Jahr 2017. Die Studie mit dem eingängigen Titel Is Romantic Desire Predictable? ergab: Die Charaktere von Personen sind nicht annähernd so wichtig wie die Beziehung, die sie zueinander aufbauen. Die Dynamik spielt offenbar eine größere Rolle für die Qualität einer Beziehung. Dazu gehören etwa gemeinsame Normen, Witze oder Erfahrungen. Dinge, die eine KI teilweise zwar erkennen, aber nicht vorhersehen kann.

Letztendlich ist Liebe also mehr als geteilte Interessen. Sie ist mehr, als einander attraktiv zu finden. Sie ist Erfahrung, Gestik, Mimik, Beziehung und Geruch. Bis zu einem gewissen Grad ist auch nicht erklärbar, was Menschen anziehend finden. Und genau in dieser Unerklär- und Unberechenbarkeit liegen wohl auch die Grenzen der künstlichen Intelligenz.

ChatGPT sieht es realistisch

Auch ChatGPT bleibt realistisch. Auf die Frage, wie KI das Online-Dating verändern könnte, antwortet der Chatbot: "KI kann Dating-Apps sicherlich dabei helfen, geeignetere Partner für die Nutzer zu finden." Doch die Suche nach dem perfekten Partner sei immer noch "ein komplexer und subjektiver Prozess, der über Datenanalyse und Algorithmen hinausreiche". Immaterielle Qualitäten, die eine Beziehung wirklich erfolgreich machen, könnte KI nicht berücksichtigen, so der Chatbot weiter.

Und wie es mit Amy und Frank weiterging? Sie haben irgendwann keine Lust mehr, sich von dem Programm immer neue Beziehungen vorschreiben zu lassen. Sie beschließen, gemeinsam wegzulaufen, dem "System" zu entkommen. Am Ende stellt sich heraus, dass ihre Geschichte nur eine Simulation war. Eine von 1.000 Simulationen einer Dating-App, die prüft, ob die "echten" Amy und Frank ein gutes Match ergeben. Dass sie sich füreinander entscheiden, entgegen allen Prognosen, und zusammenhalten, macht sie genau dazu. (Lisa Breit, Florian Koch, 3.2.2023)