Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte am Mittwoch die neuen Pläne, mit denen die EU auf die Industriehilfen in den USA und China reagieren will.

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Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihre Pläne zur Förderung grüner Technologien in der europäischen Industrie konkretisiert. Damit verfolgt sie ein Ziel: den Wandel der industriellen Produktion in Europa hin zu energiesparenden, nachhaltigen Produkten und erneuerbarer Energie massiv zu fördern und zu beschleunigen.

Damit reagiert die EU auf die umfassenden Wirtschaftshilfen, mit denen die USA sowie China Schlüsselindustrien – etwa die Herstellung von Batterien, Mikrochips, Solarpaneelen und Wasserstoff – zu sich holen wollen. Mit den neuen Plänen will die EU es schaffen, aufzuholen und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Gelingen soll das mit einem Paket an Maßnahmen, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als "Green Deal Industrial Plan" vorstellte. Etwa will die EU – zeitlich begrenzt – die strikten Regeln für staatliche Beihilfen der Mitgliedsstaaten lockern. Konkret sollen die Staaten die Möglichkeit bekommen, Unternehmen in den Schlüsselsektoren Steuererleichterungen zu bieten. "Wir müssen Alternativen schaffen zu den Angeboten, die die Firmen aus Drittstaaten bekommen", erklärte von der Leyen. Außerdem sollen Genehmigungsverfahren für Projekte generell beschleunigt werden.

250 Milliarden aus dem Repower-EU-Programm

Um Maßnahmen wie Steuererleichterungen zu finanzieren, will die Kommission 250 Milliarden Euro bereitstellen – dabei handelt es sich nicht um neue, zusätzliche Gelder, sondern um bisher nicht verbrauchte Mittel aus dem Programm Repower EU, das im Mai 2020 als Teil des großen Wiederaufbauplans "Next Generation" gestartet wurde. Dieses soll Projekte für den Energiewandel fördern, um die EU von russischem Erdgas unabhängig zu machen.

Aber das ist nicht alles, was die Kommission an Hilfen vorsieht. Es soll auch die Ausbildung von Fachpersonal im Bereich neuer Technologien massiv unterstützt werden, Millionen Jobs bis 2030.

Von der Leyen bezeichnete all das als eine "Brückenlösung". "Mittel- bis langfristig" will die Kommission einen "EU-Souveränitätsfonds" schaffen – eine zusätzliche gemeinschaftliche Finanzierung für den Energiewandel. Von der Leyen nannte kein zeitliches Ziel für die Schaffung des Fonds, verwies aber darauf, dass der Wiederaufbaufonds zur Pandemie im Jahr 2020 binnen acht Monaten umgesetzt wurde.

Mitgliedsstaaten zeigten Vorbehalte gegenüber dem Fonds

Hinsichtlich eines solchen Fonds besteht zwischen den Staaten Uneinigkeit – zu den skeptischen Ländern zählt auch Österreich. Zusammen mit Dänemark, Estland, Finnland, Irland, Tschechien und der Slowakei hatte es vergangene Woche ein Schreiben an die Kommission geschickt, das die Aufstellung neuer Gelder ablehnt. So antwortet Finanzminister Magnus Brunner. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Wirtschaft vorhandene Finanzierung besser nutzen kann", so die Staaten dort.

Dass die Kommission diese Forderung – zumindest vorläufig – berücksichtigt hat sei "positiv zu bewerten", kommentiert Brunner am Mittwoch. Stören dürfte ihn jedoch, dass die Kommission später an einem neuen Fonds festhält. Österreich werde es weiterhin ablehnen "neue Schulden" aufzunehmen, so Brunner.

Die Verhandlungen zwischen den Staaten starten kommende Woche, wenn sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel treffen. Dann befassen sich die Staats- und Regierungschefs erstmals zusammen mit den Plänen für die neuen Industrien.

Antwort auf die US-Wirtschaftshilfen

Wie vom STANDARD berichtet, sucht die EU damit unter anderem eine Antwort auf den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) in den USA. Die Regierung in Washington pumpt mit diesem Paket aus Förderungen und Steuererleichterungen 370 Milliarden Dollar in den Auto- und Batteriesektor, um Konzernansiedlungen zu fördern.

Laut von der Leyen dürfe bei der Suche nach einer geeigneten Antwort jedoch nicht der Fehler passieren, dass der Push für nationale staatliche Beihilfen zu Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt führt. Ganz im Gegenteil müssten die EU-Staaten begreifen, dass eine koordinierte Vorgangsweise, ein einheitlicher regulatorischer Rahmen EU-weit zur Stärkung der Union beitrage, Europas Wohlstand auf längere Sicht absichere.

Eine ähnliche Warnung hat auch Simone Tagliapietra vom Thinktank Bruegel: Die EU müsse ein "gefährliches" Wettrennen mit Subventionen innerhalb der EU verhindern. Ein solches würde nämlich das klassische Nord-Süd-Gefälle neu beleben. "Die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen nicht, um ein Wettrennen auszubremsen. Es braucht ein ernsthaftes Instrument auf EU-Ebene", so Tagliapietra.

Handelsabkommen sollen forciert werden

Nicht zuletzt deshalb wird die EU die vierte Säule des Maßnahmenpakets forcieren, Handelsabkommen mit Drittländern in diesem Sinne zu erneuern. Es gelte, die Belieferung mit nötigen Rohstoffen für die grüne Industrie abzusichern. Mit einer eigenen EU-Richtlinie sollen auch Recycling und der Einsatz von Ersatzstoffen verbessert werden.

Die EU müsse für fairen Wettbewerb weltweit kämpfen, wenn die USA, Japan, Indien und China den Energieumstieg ebenso fördern, sagte die Kommissionspräsidentin. Grundsätzlich sei zu begrüßen, dass der Kampf gegen den Klimawandel global an Fahrt aufnehme, sagte von der Leyen. (Thomas Mayer, Alicia Prager, 1.2.2023)