Wie immersiv die Erfahrung wirklich ist, kann man nur im Selbstversuch feststellen.

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Rund drei Wochen vor dem offiziellen Start des neuen Playstation-Virtual-Reality-2-Headsets (PSVR2) durfte DER STANDARD im deutschen Sony-Hauptquartier vorab eine Proberunde drehen. An den Ort des Geschehens wurde ein von Motion-Sickness geplagter Redakteur geschickt, der mit VR aufgrund seines schwachen Magens bisher nur eingeschränkt etwas anfangen konnte. Ob die 4K-Auflösung und die generell stark verbesserte Technik diesmal auch magenschwache Naturen ans VR-Headset binden wird können, wie die neuen Controller funktionieren und wo man die Hardware jetzt schon reservieren kann, lesen Sie in folgendem Ersteindruck.

Technisch eine Bank

Die technischen Daten der PSVR2 sind wahrlich beeindruckend. Zwei OLED-Displays mit je 2.000 x 2.040 Pixeln liefern ein 4K-HDR-Bild mit bis zu 120 Frames pro Sekunde. Das bedeutet die vierfache Auflösung im Vergleich zum Vorgängermodell, das 2016 erschienen ist. Auch die kürzlich vorgestellte Meta Quest Pro, die immerhin bei einem Preispunkt von rund 1.500 Euro liegt, liegt mit der verfügbaren Auflösung von 1.800 x 1.920 Pixel knapp darunter.

Ebenfalls hilfreich und einwandfrei funktionierend ist die intelligente Blickerfassung, die vor der ersten Benutzung kalibriert werden muss, danach aber weiß, wohin die Augen des Nutzers beziehungsweise der Nutzerin schauen. So kann man Menüpunkte ansteuern, ohne den Kopf zu bewegen. Technisch hat das ebenfalls einen Vorteil. Dank Foveated Rendering werden Bereiche, auf die der Spieler den Blick richtet, detaillierter dargestellt als andere. Damit hat man die beste optische Erfahrung, die mit der Hardware erzielt werden kann, während das System gleichzeitig Ressourcen spart und eine möglichst stabile Bildrate behält.

Die Sense-Controller sind ebenfalls ein Highlight, vor allem für Playstation-Besitzer, die in den letzten sieben Jahren mit für VR bedingt brauchbaren Move-Controllern virtuelle Welten vom Bösen befreit haben. Wie der Dualsense der Playstation 5 haben die Sense-Controller haptisches Feedback und lassen etwa das Schießen eines Pfeiles einigermaßen realistisch spüren. Auch bei Rennspielen wie "Gran Turismo" wird das sicher gute Dienste erweisen beziehungsweise bei allen Spielen, die von dieser Technik in den letzten zwei Jahren Gebrauch gemacht haben.

Das Headset sitzt gut auf der Nase und kann auch mit Brille ohne Probleme genutzt werden.
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Sehen ist glauben

VR-Erfahrungen zu beschreiben ist immer schwierig, aber ich werde es versuchen. Die Demo von "Horizon: Call of the Mountain", die ich in der Nähe von Frankfurt erleben durfte, wurde eingeleitet von der oben erwähnten Augenkalibrierung. Zuvor wurde auch noch via verstellbare Headset-Halterung die Hardware auf meine Kopfgröße eingestellt. Zusammen mit der justierbaren Brille und einem Stellrad, mit dem die Brille endgültig auch auf der Nase ihren Platz findet, sorgt das für einen hohen Tragekomfort. Zu Testzwecken probierte ich das Headset auch mit meiner Brille auf der Nase an, was ebenfalls wunderbar funktionierte und an keiner Stelle drückte. Danach half mir ein Mitarbeiter von Sony Playstation in die zwei neuen Controller, die mit Schlaufen dafür sorgen, dass ich sie im Eifer des Gefechts nicht gegen den TV schleudere. Ach ja, das Headset hängt noch immer an einem Kabel, auch wenn das schon wesentlich reduzierter ist als der Kabelsalat des Vorgängers. Gestört hat das beim Spielen kaum. Wenn man merkt, dass das Kabel vor den Füßen liegt, steigt man am besten kurz drüber.

Ebenfalls neu ist der Passthrough-Modus. Frontkameras zeigen dabei ein schwarz-weißes Bild der physischen Umgebung an. Das ermöglicht die Orientierung, etwa beim Griff nach den Sense-Controllern oder einem Glas Wasser. Der Passthrough-Modus wird durch eine gut erreichbare Taste am Headset oder in VR mittels Menü-Button aktiviert.

Voll justiert, wagte ich mich endlich in die Welt von "Horizon", eines Action-Abenteuer-Franchise, das seit mehreren Jahren Playstation-Besitzer in eine bizarre Welt voller Roboterwesen entführt. Diese Roboterwesen, die in den meisten Fällen an uns bekannte Tiere oder Dinosaurier erinnern, spielen auch in der VR-Version eine große Rolle. Es dauert nicht lange, bis wir die ersten Rotaugenwächter zu Gesicht bekommen, die sich am Rande des kleinen Flusses aufhalten, auf dem wir mit zwei anderen Jägern in einem Ruderboot entlangschleichen. Leise versuchen wir an den Raubtieren vorbeizugleiten, was uns Zeit gibt, mit der Hand kurz ins Wasser zu greifen und uns ein wenig umzuschauen.

"Call to the Mountain" wird einer der Starttitel der neuen Hardware und zeigt schon eindrucksvoll, was mit der PSVR2 möglich ist.
Foto: Sony

Dann passiert es natürlich, und die angriffslustigen Tiere entdecken uns und gehen sofort in den Angriffsmodus. Noch kämpft unsere Kameradin mit Pfeil und Bogen gegen die Untiere, doch bald sollten wir selbst eine solche Waffe in die Hand gedrückt bekommen.

Nachdem wir nach einer Kollision kentern, sind wir auf uns allein gestellt. Wir können wählen, ob wir mit Armbewegungen Laufen simulieren und uns so durch die Welt bewegen wollen. Alternativ kann man klassisch die Analogsticks nutzen. Wir sind sportlich motiviert und laufen ein paar Schritte und versuchen an Tonnen oder Türen die Interaktionsmöglichkeiten auszuprobieren. Das funktioniert einwandfrei. Stehen wir nah genug, können Bretter umgeworfen, Äpfel zur Energieregerierung gegessen oder auch Felsvorsprünge zum Klettern benutzt werden.

Das alles funktioniert nach einer kurzen Eingewöhnungsphase sehr intuitiv, und schnell fühlt man sich hineingezogen in die Welt von "Horizon". Da steigt ein gewaltiger Langhals über uns, und erst aus dieser Perspektive begreifen wir, wie riesig diese langsamen Roboterwesen sind, die durch die Fantasywelt stapfen. Dann landet endlich der Bogen in meiner Hand, und kurz wird erklärt, wie man die Waffe vom Rücken greift und wieder zurücksteckt. Mit einer einfachen Bewegung Richtung Rücken nämlich. Ähnlich verhält es sich mit Pfeilen, die man so aus dem virtuellen Köcher zieht, bevor man diese auf Zielscheiben oder eben Gegner schießt.

In der ersten Auseinandersetzung heißt es dann bei feindlichen Angriffen mit einer schnellen Handbewegung auszuweichen und dann mit einem Pfeilschuss zu kontern. Das ist stressiger als gedacht, schließlich springt der Rotaugenwächter direkt auf uns zu, wenn er angreift, und nicht mehr wie in den anderen Spielen auf unseren rothaarigen Avatar namens Aloy.

Audiotechnisch kann man den TV-Sound nutzen, wenn man etwa die Türklingel oder andere Geräusche in der Umgebung weiterhin wahrnehmen will. Beigelegt sind Stereokopfhörer, die via 3,5-mm-Klinkenanschluss in das Headset gesteckt werden. Alternativ kann auch ein normales Headset – in der Testumgebung war etwa das Playstation-Headset von Sony selbst verfügbar – benutzt werden.

PlayStation

Noch drei Wochen

Rund 15 Minuten dauerte die Demo, bei der vor allem geklettert wurde. Den Bosskampf lasse ich dann den Kollegen von Sony vorspielen, da mir schon ein wenig schwindlig ist. Auch PSVR2 ist nichts für schwache Mägen, speziell solch bewegungsintensive Titel wie "Horizon". Dazu muss erwähnt werden, dass ich besonders anfällig für Motion-Sickness bin und schon den Vorgänger nur eingeschränkt nutzen konnte. Mit der besseren Auflösung und der höheren Bildrate war ich in der stillen Hoffnung, endlich auch sorgenfrei in die virtuelle Welt der Playstation eintauchen zu können. Nach den ersten Eindrücken will ich mich aber nicht entmutigen lassen. "Horizon" ist tatsächlich sicher die Speerspitze an Bewegungsvielfalt. Ein paar VR-Runden in "Gran Turismo" werden meinem Magen sicher weniger ausmachen. Von Kollegen weiß ich in jedem Fall, dass diese keine solche Probleme hatten.

Wer also schon mit PSVR seinen Spaß hatte, der wird beim Nachfolger wohl noch tiefer und länger in virtuelle Welten abtauchen wollen. Die Steuerung funktioniert weit präziser, die Optik ist schärfer und hochauflösender, und allein das Line-up zum Start ist mit über 20 Titeln umfang- und abwechslungsreich. Einen ausführlichen Test der Hardware und der Start-Software liefert DER STANDARD dann zeitnahn zum Release.

PSVR2 erscheint am 22. Februar 2023 für 599,99 Euro. Das Bundle mit "Horizon Call of the Mountain" kostet 649,99 Euro. Die Ladestation für die Sense-Controller kommt auf 49,99 Euro. Mehrere Onlinehändler, in Österreich etwa Mediamarkt oder Electronic4you, haben die Hardware bereits zur Vorbestellung im Angebot. (Alexander Amon, 2.2.2023)