Tür an Tür finden im Februar der rechte Akademikerball und die Winterversammlung der OSZE in der Hofburg statt.

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Als die Ukraine vor rund einem Jahr dringlich vor einer bevorstehenden russischen Invasion warnte, bemühte man sich auf dem internationalen diplomatischen Parkett noch um Deeskalation. Schon bei der jährlich stattfindenden parlamentarischen Wintertagung der Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (OSZE) mit Sitz in Wien war es dafür zu spät. Sichtlich schockiert von den Ereignissen der frühen Morgenstunden, als russische Raketen Kiew trafen, eröffnete die Präsidentin der Versammlung, die Schwedin Margareta Cederfelt, am 24. Februar 2022 die Sitzung wie folgt: "Eines unserer Mitglieder, die Ukraine, wurde von einem anderen Mitglied, Russland, angegriffen." Dabei sollte die OSZE genau das verhindern.

Die russischen Sitzungsteilnehmer verteidigten damals die "Spezialoperation". Dass die russische Delegation auch heuer nach Wien zurückkehren darf und damit auf der OSZE-Wintertagung am 23. und 24. Februar eine Plattform bekommt, sorgt nach einem STANDARD-Bericht angesichts des brutalen Angriffskriegs des Landes für Kritik und Verärgerung.

Am Donnerstag folgte dann die Ausweisung vier russischer Diplomaten durch Österreich. Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck sieht in dieser Aktion eine mögliche Reaktion auf den Vorwurf, Österreich sei Russland-freundlich. Das Außenministerium wies diese Vermutung am Donnerstag entschieden zurück.

Frage: Inwiefern bringt die geplante Teilnahme russischer Diplomaten die österreichische Regierung in eine Zwickmühle?

Antwort: Viele der Delegationsmitglieder aus Moskau stehen nach STANDARD-Informationen auf der EU-Sanktionsliste. Kiew und verbündete EU-Partner fordern Österreich daher hinter den Kulissen dazu auf, Russlands Delegation wie zuvor die Gastgeber Polen und Großbritannien keine Visa zu erteilen. So ging die parlamentarische OSZE-Versammlung im Juli in Birmingham nach einem Entscheid der britischen Regierung ohne russische und belarussische Delegationen über die Bühne. Insbesondere die Weigerung Polens, Russlands Außenminister Sergej Lawrow für das OSZE-Ministertreffen in Łódź im November ein Visum auszustellen, führte zu einem Aufschrei in Moskau: Die Werte der OSZE würden mit Füßen getreten.

Frage: Warum kommt Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) im Gegensatz zu Warschau oder London der Forderung nicht nach?

Antwort: Anders als Polen und Großbritannien ist Österreich nicht nur Gastgeber-, sondern Amtssitzland der OSZE und daher völkerrechtlich verpflichtet, den Delegierten aller Mitgliedsstaaten die Einreise zu gewähren. Wenn man russische Diplomaten ausschließen möchte, müsse das die OSZE tun, Österreich kann hier keine Alleingänge machen, erklärt Völkerrechtsexperte Ralph Janik im STANDARD-Gespräch. Zudem sehen die EU-Sanktionen eine Ausnahme für solche Fälle vor. Schallenberg, der zuvor öffentlich auf Austauschplattformen mit Russland auch in schwierigen Zeiten gepocht hat, hatte damals den Schritt Polens kritisiert – und erntete Kritik aus Warschau: Das Vorgehen erinnere an Vorgängerin Karin Kneissl, die mit Kreml-Chef Wladimir Putin tanzte.

Frage: Was passiert, wenn sich Österreich nicht daran hält?

Antwort: Das würde Österreichs Ruf als Sitzstaat enorm schädigen, meint Janik und fügt hinzu: "Im Extremfall ziehen bestehende Organisationen ab, das war ja die große Sorge – konkret in Bezug auf die Opec und ihren Entwicklungsfonds – nach der außenpolitischen Blamage rund um den "Rausschmiss" des König-Abdullah-Zentrums.

Frage: Am Jahrestag der Invasion findet in Wien auch der rechte Akademikerball statt. Was, wenn russische Diplomaten teilnehmen?

Antwort: So wie Österreich die OSZE in Ruhe arbeiten lassen muss, wird umgekehrt auch von Diplomaten gefordert, sich nicht in die Innenpolitik einzumischen, sagt Janik. Da der Ball eine politische Veranstaltung ist, käme ein Besuch russischer Diplomaten einer Einmischung in interne Angelegenheiten gleich. Zudem beziehen sich die Sanktionsausnahmen nur auf die Teilnahme am OSZE-Treffen. Österreich könnte andernfalls die Delegation des Landes verweisen. Aber auch dies stoße realpolitisch an Grenzen. Vor dem Krieg wurden Delegationen öfters von Österreichs Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) empfangen. Gerüchte, wonach dies auch heuer mit der russischen Delegation angedacht war, widerspricht Sobotkas Büro auf STANDARD-Anfrage aber heftig. (Flora Mory, faso, 2.2.2023)