Die Stoffstreifen, mit denen die ägyptischen Spezialisten die Leichname einbalsamierten, waren mit unterschiedlichen Substanzen getränkt.
Illustr.: Nikola Nevenov / LMU

Die alten Ägypter sind bis heute berühmt für ihre Pyramiden und die Art, wie sie ihre Toten bestatteten: einbalsamiert in langen Stoffstreifen und als Mumien für die Ewigkeit konserviert. Mit welchen Methoden ihnen das gelungen ist, blieb bis heute in vielen Details ein Geheimnis. Nun ist es einem deutsch-ägyptischen Forscherteam gelungen, einige bisher unbekannte Zutaten jener Chemie zu entschlüsseln, die die Ägypter zu Herstellung ihrer Mumien eingesetzt haben.

"Diese Erkenntnisse ermöglichen es, bekannte Texte zur altägyptischen Balsamierung neu zu lesen", sagte Philipp Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Die neuen Ergebnisse, die das Team von der LMU und der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit dem National Research Center in Kairo erzielte, wurden im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht.

Rückstände in alten Töpfen

Die Forschenden hatten Töpfe aus einer großen Werkstatt zum Einbalsamieren untersucht. Im ägyptischen Sakkara unweit der berühmten Unas-Pyramide fanden sich in der Werkstatt aus dem 7. und 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zahlreiche gut erhaltene Keramikgefäße – viele von ihnen sogar mit Inhaltsangaben und Handlungsanweisungen beschriftet.

Mithilfe chemischer Rückstandsanalysen konnten die Expertinnen und Experten die molekularen Reste jener Substanzen herauslösen und identifizieren, die sich ehemals im Gefäß befunden hatten. Für die Forscher oftmals eine Überraschung: "Seit langer Zeit wurde die von den alten Ägyptern als 'antiu' bezeichnete Substanz mit Myrrhe oder Weihrauch übersetzt. Doch wir konnten nun zeigen, dass sich dahinter ein bestimmtes Gemisch ganz unterschiedlicher Zutaten verbirgt, die wir mithilfe der Gaschromatografie-Massenspektrometrie entschlüsseln konnten", berichtete Projektleiter Maxime Rageot von der Uni Tübingen.

In den Tontöpfen aus einer ägyptischen Mumifizierungswerkstatt fanden Forschende einige Zutaten für die damalige Balsamierungspraxis.
Foto: M. Abdelghaffar / Saqqara Saite Tombs Project, Universität Tübingen

Zedernöl, Zypressenöl und tierische Fette

In Sakkara habe es sich bei "antiu" um eine Mischung aus Zedernöl, Wacholder- beziehungsweise Zypressenöl und tierischen Fetten gehandelt. Und hinter "sefet" steckt nicht wie bisher angenommen eine einzelne Substanz, sondern ein Gemisch aus Tierfett mit unterschiedlichen pflanzlichen Ölen oder Harzen. Pistazienharz und Rizinusöl wiederum wurden in der Werkstatt nachweislich ausschließlich für den Kopf verwendet, andere Substanzen kamen "am dritten Tag" oder "für die Leber" zum Einsatz, wieder andere waren "für eine schöne Haut".

"Namentlich sind viele dieser Balsamierungsstoffe seit der Entzifferung der altägyptischen Schrift bekannt", berichtete die Leiterin der Ausgrabung, Susanne Beck von der Universität Tübingen. "Aber welche Substanz sich hinter einem Namen verbarg, konnten wir bislang nur erahnen."

Zutaten aus dem Ausland

"Besonders überraschend war für uns, dass der größte Teil der während der Balsamierung verwendeten Substanzen nicht aus Ägypten selbst stammt, sondern zum Teil aus dem Mittelmeerraum und sogar auch aus dem tropischen Afrika und Südostasien importiert wurde", schilderte Stockhammer. Diese Dimension sei bisher unbekannt gewesen. Sie zeige, welcher Antrieb die Mumifizierungen für den frühen globalen Handel gewesen seien – schließlich seien die Toten damals ab der oberen Mittelschicht im großen Stil einbalsamiert worden.

Video: Welche Substanzen die alten Ägypter zum Einbalsamieren von Mumien verwendeten.
Ludwig-Maximilians-Universität München

Allerdings seien der Ablauf und die verwendeten Substanzen in der über 4.000 Jahre währenden Tradition der Balsamierung sicher nicht überall und jederzeit die gleichen wie in Sakkara gewesen, betonte Stockhammer. Stattdessen habe sich die Technik mit der Zeit entwickelt, bevor sie im 1. Jahrtausend unserer Zeitrechnung langsam ein Ende fand.

Balsamierungskammer in 13 Metern Tiefe

In Sakkara war die Werkstatt sichtlich auf großen Umschlag ausgelegt: Neben einer ebenerdigen Einheit lag die eigentliche, erst 2016 von dem Ägyptologen Ramadan Hussein entdeckte Balsamierungskammer in 13 Metern Tiefe – die Balsamierer nutzten damit die natürliche Kühlung. Gleich nebenan war eine Schachtanlage, in der die Toten dann bestattet wurden. Die Forscher vermuten, dass es mehrere "Qualitäten" der Mumifizierung gab – zu unterschiedlichen Preisen für die Hinterbliebenen. (red, APA, 2.2.2023)