Die wiederholten Zinsanhebungen der EZB machen Finanzierungen teurer. Im Zusammenspiel mit den strengeren Vergaberichtlinien können sich immer weniger Menschen in Österreich einen Wohnbaukredit leisten.

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Schlechte Nachrichten für Kreditnehmer. Wer über einen variablen Kredit verfügt oder eine fremdfinanzierte Anschaffung erwägt, der muss dafür bald tiefer in die Tasche greifen. Wegen der anhaltend hohen Inflation in der Eurozone hat die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer ersten geldpolitischen Sitzung im neuen Jahr ihre Zinssätze um einen halben Prozentpunkt angehoben. Der Leitzinssatz steigt demnach von 2,5 auf künftig drei Prozent, jener für Bankeinlagen bei der Notenbank von zwei auf 2,5 Prozent, teilte die EZB am Donnerstag mit.

Was für betroffene Kreditnehmer zumindest ärgerlich, mitunter sogar finanziell bedrohlich ist, stellt durchaus den von der Notenbank gewünschten Effekt dar. Das Geld, das nun für höhere Kreditraten aufgewendet werden muss, steht Haushalten und Unternehmen nicht mehr für andere Ausgaben zur Verfügung. Die so gedrosselte Nachfrage soll die Inflation im Euroraum verringern, die trotz eines Rückgangs im Jänner auf 8,5 Prozent noch immer zu hoch ist – "viel zu hoch", wie EZB-Chefin Christine Lagarde bereits mehrfach betonte.

Fed erhöht ebenfalls Zinsen

Mit der aktuellen Zinserhöhung ist es daher nicht getan, denn die EZB verfolgt ein Inflationsziel von bloß zwei Prozent – im März steht bereits der nächste Zinsschritt im selben Ausmaß an, gab die Notenbank bekannt. Die EZB werde Kurs halten, um den Preisauftrieb in der Eurozone zeitnah auf das erwünschte Maß zu senken, kündigte Lagarde an. Mit Blick auf die zuletzt gesunkenen Energiepreise gab sie zu bedenken, dass zu großzügige Hilfspakete der Regierungen die Inflation anfachen – und zu einer umso stärkeren geldpolitischen Antwort führen – könnten.

Die US-Notenbank Fed hat bereits am Mittwochabend die Zinsen erhöht, allerdings wegen deutlich nachlassender Inflation mit 0,25 Prozentpunkten in etwas geringerem Tempo als zuletzt. Nun liegt der Leitzins in der Spanne von 4,5 bis 4,75 Prozent. Am Donnerstag hat auch die Bank of England nachgezogen und den Leitzins um einen halben Prozentpunkt nach oben gesetzt. Dieser beträgt nunmehr vier Prozent.

Weiterhin straffer Kurs der EZB

Zahlreiche Mitglieder des EZB-Rats hatten sich zuletzt auch nach der März-Sitzung für eine Fortsetzung des Zinsanhebungskurses ausgesprochen, wenngleich in kleineren Schritten. Obwohl die Gesamtinflation in der Eurozone zu Jahresbeginn gesunken ist, dürfte vor allem die sogenannte Kerninflation den Währungshütern Sorgen bereiten, bei der die schwankungsfreudigen Preisentwicklungen von Energie und Nahrung ausgeklammert werden. Diese liegt mit 5,2 Prozent weiterhin auf einem Höchstwert.

"Entscheidend für die EZB ist die Hartnäckigkeit der Kerninflation", erklärt Tomasz Wieladek, Europa-Chefvolkswirt des US-Vermögensverwalters T. Rowe Price. Diese gibt die sogenannten Zweitrundeneffekte wider, mit der Unternehmen eigene Kostensteigerungen durch Energie oder Personal an die Kundschaft weiterreichen. Bleibt die Kerninflation dauerhaft hoch, droht sich die Teuerung zu verselbstständigen. Aus Sicht von Wieladek bedeutet dies: "Ich gehe davon aus, dass die Kerninflation in den nächsten Monaten anhalten wird, was bedeutet, dass die EZB weiterhin eine sehr restriktive Haltung einnehmen wird."

Wie weit steigen die Zinsen?

Für Kreditnehmer eine wichtige Frage: Wie weit werden die Zinsen noch steigen? Der Markterwartung zufolge wird die EZB den Leitzins noch im ersten Halbjahr auf 3,75 bis vier Prozent anheben – also ein weiterer Anstieg um bis zu einem Prozentpunkt. Auch die auf Geldpolitik spezialisierte Ökonomin Heike Lehner hält das Erreichen der Marke von vier Prozent für realistisch, da die verbesserten Konjunkturaussichten der EZB mehr Spielraum bei den Zinsen geben, ohne eine schwere Rezession zu riskieren.

Danach wird Lehners Erwartung zufolge eine Phase stagnierender Zinsen auf hohem Niveau folgen. "Es ist realistisch, dass die EZB ein halbes oder ein Dreivierteljahr auf restriktivem Niveau bleiben wird." Die Hoffnungen mancher Börsenprofis auf eine baldige Trendwende nach unten teilt sie nicht. Zum Vergleich: Der Höchststand des EZB-Leitzinses lag unmittelbar vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 bei 4,25 Prozent – danach ging es tendenziell nach unten bis zur Trendwende im vergangenen Sommer.

Deutlich teurere Kredite

Mit bereits deutlichen Auswirkungen: Für viele variable Finanzierungen ist der sogenannte Sechsmonats-Euribor – zu dem sich Banken untereinander Geld leihen – der maßgebliche Referenzzinssatz. Dieser ist zuletzt steil nach oben geschossen und kratzte Ende Jänner bereits an der Marke von drei Prozent, nachdem er ein Jahr zuvor noch bei etwa minus 0,5 Prozent gelegen war. "Bei Wohnbaukrediten haben sich die Kosten für Haushalte mit variabel verzinsten Darlehen seit dem Vorjahr stark erhöht", fasst Andreas Ederer, Finanzierungsexperte des Vergleichsportals Durchblicker, die Entwicklung zusammen.

Wer aktuell einen Wohnbaukredit benötigt, dem rät Ederer eher zu fix verzinsten Krediten. Warum? Deren Konditionen seien zuletzt etwas günstiger geworden. "Banken und Bausparkassen trifft der Rückgang im Neukundengeschäft besonders stark. Als Reaktion darauf bieten einige Institute aktuell wieder attraktivere Konditionen an", sagt Ederer. Er verweist darauf, dass sich wegen höherer Zinsen und strengerer Kreditvergaberichtlinien immer weniger Haushalte einen Immobilienkredit leisten könnten, und fügt hinzu: "Dieser Trend wird sich auch 2023 fortsetzen." (Alexander Hahn, 2.2.2023)