Kaum im Amt und schon in der Kritik: JMW-Chefin Barbara Staudinger.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Die erste große Ausstellung der neuen Direktorin des Jüdischen Museums Wien (JMW), Barbara Staudinger, hat gehörig Staub aufgewirbelt. Das provokative Konzept der Schau "100 Missverständnisse über und unter Juden", in der unter anderem mittels zeitgenössischer Kunst von Jüdinnen und Juden Stereotype hinterfragt werden sollen, erhitzt die Gemüter.

Teile der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), der Nahostexperte Ben Segenreich oder der Publizist Paul Lendvai kritisierten die Ausstellung und Direktorin Staudinger heftig, forderten mitunter die Schließung der Schau. IKG-Präsident Oskar Deutsch mahnte mehr Sensibilität ein und meinte, die Ausstellung verstärke "problematische Stereotype und Aussagen", "anstatt sie zu entkräften und einzuordnen". Staudinger versucht nun mit einer zusätzlichen Kommentierung der Ausstellung gegenzusteuern.

"Entsetzt" über "Rufmord"

Zur Hilfe eilen der Direktorin nun neun Holocaust-Überlebende, die sich in einem Brief, der dem STANDARD vorliegt, an IKG-Präsident Deutsch, den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sowie an der Aufsichtsrat des JMW wenden: Über die Ausstellung könne man "geteilter Meinung sein", heißt es in dem Schreiben. Aber "entsetzt" sei man darüber, "wenn die Direktorin als Antisemitin diffamiert wird, die Ausstellung sogar teils in die Nähe nationalsozialistischer Wiederbetätigung gerückt wird oder manche ihr vorwerfen, dass sie nicht jüdisch ist". Gerade wegen der erlebten Erfahrung lehnten die unterzeichnenden Shoah-Überlebenden Diskriminierung aufgrund von Herkunft ab.

"Kritik ist immer wichtig, aber nichts rechtfertigt Rufmord und Hetze! Es braucht Toleranz und Respekt", heißt es weiter. Die IKG-Wien fordert man auf, "nicht länger zu schweigen, sondern die Diskussion wieder auf eine sachliche Ebene zu bringen".

Unterzeichnet wurde der Brief von Robert Schindel, Timothy und Franziska Smolka, Zwi Bar-David, Gerda Frey, Helga Feldner-Busztin, Peter Munik, Siegfried Loewe und Angelica Bäumer. (Stefan Weiss, 2.2.2023)