Elisabeth Zanon hat gute Literatur von ihrem Deutschlehrer vermittelt bekommen.

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"Wir waren acht Geschwister!", erzählt Elisabeth Zanon, die in der Osttiroler Gemeinde Leisach in der Nähe von Lienz aufgewachsen ist. "Die Mama war eine Riesenleserin. Sie ist einmal in der Woche in die Bücherei gegangen und hat in einem großen Korb für jedes von uns Kindern ein Buch mit nach Hause gebracht, das haben wir dann in einer Woche lesen müssen", lacht sie. Sie selbst hatte dann am Gymnasium in Lienz einen Deutschlehrer, "der mich zwar gehasst hat und mir immer, wenn es ging, einen Fünfer gab. Aber gute Literatur hat er uns auch vermittelt, was ich ihm hoch anrechne!" Zum Beispiel Ingeborg Bachmann, deren Malina sie liebte, oder Ernst Jandl. "Und ganz besonders den Gerhard Rühm, der für mich eine Offenbarung war!" Das hätte sie ihm gerne mal selbst gesagt im Rahmen einer Lesung oder Ehrung, aber dazu kam es leider nie.

Schmerzhaft und schön

Den Roman Shuggie Bain des schottisch-amerikanischen Booker-Prize-Trägers 2020 Douglas Stuart bekam sie von ihrer Tochter geschenkt, "selbst wär ich auf den nie gekommen". Das Buch entwickelte sofort einen Sog und hat sie so sehr gefesselt, "dass ich mich am Tag immer schon aufs Weiterlesen am Abend gefreut habe. Für mich war diese Geschichte so furchtbar, so trist, so schmerzhaft, aber auch so schön." Die Geschichte des kleinen Shuggie, der als jüngstes Kind seiner alkoholkranken Mutter in der von Thatcher zertrümmerten Arbeiterklasse Glasgows der 1980er-Jahre aufwächst. "Dadurch, dass die Geschichte zu dieser Zeit an diesem Ort spielt, verdichtet sich jedes einzelne Problem so massiv, dass es einfach extrem berührt." Der hauptsächlich von der Arbeiterklasse gesprochene, unverwechselbare Glasgower Dialekt (bekannt als "the Glasgow patter" oder "Glaswegian") hat einen ganz besonderen Slang und wurde von Sophie Zeitz ins Deutsche übersetzt. Lust, die Sprache vor Ort selbst zu erlernen, hat Zanon dadurch aber nicht bekommen, die Weitgereiste zieht südlichere Gefilde vor.

Das Buch hat sie längst weitergeschenkt, wie sie es mittlerweile mit allen Büchern tut. "Da weiß ich, dass jemand anderes auch noch eine Freude daran hat." (Manfred Rebhandl, 4.2.2023)