Ob es sich bei Amateuraufnahmen, hier eine aus Montana, um den besagten Spionageballon handelt, wollte das Pentagon nicht bestätigen.

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Washington – Ein chinesischer Spionageballon ist nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums in den Luftraum der USA eingedrungen, um offenbar hochsensible Atomwaffenstützpunkte auszukundschaften. Der "relativ große" Ballon sei bereits vor einigen Tagen in den US-Luftraum eingedrungen, sagte ein Beamter, der anonym bleiben wollte. "Ziel des Ballons ist ganz klar Spionage, und sein aktueller Weg führt ihn über sensible Stützpunkte", sagte der Pentagon-Vertreter. Darunter seien Luftwaffenstützpunkte und unterirdische Raketenstandorte.

Der Ballon sei manövrierfähig, daher beobachte man ihn, hieß es Freitagmittag (Ortszeit) weiter aus dem Pentagon. Er befinde sich in etwa 18.000 Metern Höhe über dem Zentrum der USA und bewege sich Richtung Osten. Am Nachmittag gab der republikanische Senator Jerry Moran an, der Ballon befinde sich im Osten des Bundesstaats Kansas.

"Verletzung des Souveränität"

Pentagon und Weißes Haus verstehen den Ballon als unverantwortlichen Bruch internationalen Rechts und als eine "klare Verletzung der US-Souveränität". Man kenne ähnliche Flugobjekte aus der Vergangenheit. Der aktuelle Spionageballon halte sich aber besonders lange über US-Gebiet auf. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich im Ballon radioaktives Material befinde. Man untersuche die eigenen Handlungsoptionen, hieß es aus dem Pentagon.

Video: Ein chinesischer Spionageballon ist nach Pentagon-Angaben in den Luftraum der USA eingedrungen.
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"Wir haben keinen Zweifel, dass der Ballon aus China kommt", hieß es. "Wir ergreifen Maßnahmen, um uns gegen das Sammeln von sensiblen Informationen zu schützen." Allerdings sei die Gefahr nach Einschätzung des Pentagon nicht besonders groß. "Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Ballon aus Spionagesicht nur eingeschränkte Fähigkeiten hat." Ob es sich bei den jüngst erschienenen Amateuraufnahmen um den besagten Spionageballon handelt, wollte das Pentagon nicht bestätigen.

Chinesisches Außenamt: Ballon dient zivilen Zwecken

US-Präsident Joe Biden ordnete nach Entdeckung des Ballons den Angaben zufolge an, einen Abschuss zu prüfen. Verteidigungsminister Lloyd Austin und Spitzenkräfte des Militärs hätten sich letztlich dagegen entschieden, weil bei einem Abschuss durch die herunterfallenden Teile zu viele Menschen am Boden gefährdet werden könnten.

China bekannte sich zunächst nicht zu dem Vorfall. Erst später am Freitag äußerte das chinesische Außenamt sein Bedauern und gab an, der Ballon sei durch starke Westwinde von seinem geplanten Kurs abgekommen. Es handelt sich China zufolge aber um einen Ballon, der zu zivilen meteorologischen Zwecken unterwegs ist.

China-Besuch von Blinken verschoben

Der Vorfall ereignet sich nur wenige Tage vor einer geplanten Reise des US-Außenministers Antony Blinken nach Peking. Von Sonntag auf Montag hätte Blinken dort unter anderem seinen Amtskollegen Qin Gang und eventuell auch Präsident Xi Jinping treffen sollen. Die Reise wurde nun in Abstimmung mit Präsident Biden verschoben. Sie soll aber nachgeholt werden, sobald es "die Umstände erlauben".

Antony Blinken reist am Wochenende nicht nach China.
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Der letzte derartige Trip liegt bereits rund fünf Jahre zurück, als der damalige US-Außenminister Mike Pompeo – noch während der Donald-Trump-Regierung – nach Peking gereist war. Seitdem haben die Spannungen zwischen den zwei Supermächten weiter zugenommen. Auch die Biden-Regierung verfolgt wie ihr Vorgänger einen China-kritischen Kurs.

Aktuell beobachtet China zum Beispiel mit Skepsis die wieder enger werdenden Beziehungen zwischen den USA und den Philippinen. Der Inselstaat hatte in den vergangenen Jahren einen etwas distanzierteren Kurs zum traditionellen Verbündeten gesucht. Bei einem Besuch in Manila errang Verteidigungsminister Austin am Donnerstag eine Vereinbarung, die den USA Zugang zu weiteren vier Militärstützpunkten im Land gewährt, China kritisierte das scharf. Auch dass der neue Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, überlegt, wie seine Vorgängerin Nancy Pelosi nach Taiwan zu reisen, dürfte Peking sauer aufstoßen.

Atom-U-Boote für Australien

Und dann ist da noch die Causa um die nuklearbetriebenen Atom-U-Boote. Vor rund eineinhalb Jahren haben Großbritannien, die USA und Australien sich darauf geeinigt, dass erstere zwei Länder Australien beim Ausbau der Atom-U-Boote unterstützen. Der "Aukus" genannte Deal wird allgemein als Initiative gegen den wachsenden Einfluss Chinas im Indopazifik gedeutet. Die Vereinbarung läuft im März eigentlich aus, aktuell sind die Länder aber in Verhandlungen über eine Verlängerung.

Peking ließ am Freitag wissen, dass man diese Kooperation "entschieden ablehnt". Eine hochrangige australische Delegation war just die vergangenen Tage in Frankreich und Großbritannien unterwegs, um Strategien im Indopazifik zu besprechen. Im März soll der britische Premier Rishi Sunak in die USA reisen, wo erwartet wird, dass eine Aukus-Verlängerung angekündigt wird.

Zweiter Vorfall in Kanada

Unterdessen berichtete das benachbarte Kanada von einem "möglichen zweiten Vorfall" mit einem Beobachtungsballon. Der Ballon sei bemerkt worden, und "seine Bewegungen werden aktiv verfolgt", erklärte das Verteidigungsministerium. Es werde alles getan, um die Sicherheit des kanadischen Luftraums zu gewährleisten, "einschließlich der Überprüfung eines möglichen zweiten Vorfalls", hieß es. Die kanadischen Geheimdienste arbeiteten mit den "amerikanischen Partnern" zusammen, teilte das Ministerium mit. (APA, saw, maa, miwi, 3.2.2023)