Puls-24-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner und Erwin Javor, Gründer des Nahost-Thinktanks Mena-Watch.

Foto: Rudi Handl

Fast könnte man meinen, Israel zählte zu den größten Ländern der Welt – so viel ist von dem Staat am östlichen Rand des Mittelmeers die Rede. Begleitet von einem gewaltigen Medienrummel wird rund um den Globus über Israel diskutiert, gestritten und polemisiert. Fundiert oder nicht: Es scheint, als hätten fast alle eine starke Meinung zu dem in Wirklichkeit winzigen Land, das nicht einmal ein Drittel der Fläche Österreichs umfasst. Woher kommt eigentlich diese fast schon obsessive Beschäftigung mit der einzigen Demokratie im Nahen Osten?

Das ist eine der Fragen, denen 14 Autorinnen und Autoren in der Anthologie Israel, was geht mich das an? nachgehen. Die Herausgeber, Erwin Javor, Gründer des Nahost-Thinktanks Mena-Watch, und Puls-24-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner, haben für das Buch sehr unterschiedliche Blickwinkel auf Israel zusammengetragen – persönliche, politische, historische.

Andere Maßstäbe

Der Journalist Ben Segenreich, der als Korrespondent auch lange für den STANDARD aus Israel berichtete, zeigt in seinem Beitrag absurde Doppelstandards auf, mit denen Israel oft beurteilt wird: Wenn etwa der Menschenrechtsbeirat der Vereinten Nationen Israel öfter wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt als alle anderen Staaten der Welt zusammengenommen – inklusive Syrien, Ägypten, Nordkorea, China und Russland.

Erwin Javor, Stefan Kaltenbrunner (Hg.), "Israel. Was geht mich das an?". € 25,70 / 250 Seiten. Edition Mena-Watch 2022
edition mena-watch

Andere Beiträge werfen persönliche Blicke auf Israel. Darunter sind Familiengeschichten wie jene von Harry Bergmann. Der Sohn Shoah-Überlebender kam in Israel zur Welt, wurde von seinen Eltern aber als Kind ausgerechnet "gegen meinen Willen nach Wien verfrachtet", in jene Stadt, aus der seine Familie zuvor ins Vernichtungssystem der Nazis geschickt worden war.

Der Psychologe Ahmad Mansour, als arabischer Israeli geboren, erzählt wiederum, er habe Israel erst nach seiner Auswanderung nach Deutschland verstanden und den allgegenwärtigen Antisemitismus, in dem er sozialisiert worden war, hinterfragt. Heute engagiert er sich gegen jeden Antisemitismus, der immer öfter auch getarnt als Antizionismus daherkommt. "Israel ist kein Traumland, in dem alles fehlerfrei läuft, im Gegenteil. Es ist ein Land im Nahen Osten, das seit seiner Existenz mit Vernichtung rechnen muss. In diesem permanenten Kampf ums Überleben macht es vieles richtig und einiges falsch", befindet Mansour.

An anderer Stelle wird die österreichische Vergangenheitspolitik thematisiert oder die Frage behandelt, wieso sich Juden stets für israelische Politik rechtfertigen müssen, ganz gleich, wo sie leben. Das Ergebnis ist ein Buch mit interessanten, provokanten und auch witzigen Beiträgen, die Blicke auf ein Land freigeben, das wohl weiterhin Schlagzeilen machen wird. (David Rennert, 4.2.2023)