
Die Semesterferien stehen bevor: Der Volkssport in der Wintersaison, das Skifahren, lockt alljährlich unzählige Menschen auf Österreichs Skipisten. Doch das sportliche Vergnügen im Schnee kann schnell auch ins Gegenteil umschlagen. Laut dem österreichischen Kuratorium für alpine Sicherheit gab es in der Saison 2021/2022 hierzulande auf präparierten Skipisten beziehungsweise auf Skirouten insgesamt 4613 Unfälle. Davon 27 mit Todesfolge.
Die Unfallursachen sind vielfältig und reichen von schlechten Pistenverhältnissen über mangelnden Trainingszustand bis hin zu überhöhtem Alkoholkonsum. Einer der häufigsten Unfallursachen im Skisport haben sich Wissenschafter von Salzburg Research im Rahmen des Kompetenzzentrums "Digital Motion" angenommen: der körperlichen Ermüdung.
Das Kompetenzzentrum ist Teil des Forschungsförderungsprogramms Comet, das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) ausgeschrieben und umgesetzt wird.

Individuelles Empfinden
Die Grundidee des Salzburger Wissenschaftsteams besteht darin, Ermüdung mittels Sensorik messbar und somit frühzeitig erkennbar zu machen. Idealerweise sogar noch, bevor der betroffene Wintersportler oder die betroffene Wintersportlerin selbst sie bemerkt. Er oder sie soll dann aktiv von dem System auf die Gefahr hingewiesen werden.
"Erschöpfung wird individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen", sagt Stefan Kranzinger, Data-Scientist bei der Salzburg-Research-Forschungsgesellschaft. "Manche Menschen wollen sich selbst nicht eingestehen, wenn sie müde werden. Deshalb ist es wichtig, auf biomechanische und physiologische Parameter zu achten." Um diese Daten zu erfassen, ließen die Forscher 16 erfahrene Skifahrer jeweils zehn Abfahrten auf der Planai in Schladming absolvieren.
Verschiedene Faktoren aufgezeichnet
Jede Abfahrt wurde mit einer Frequenz von exakt 80 Schwüngen pro Minute durchgeführt. Mittels Sensorik wurden dabei zahlreiche Faktoren aufgezeichnet: Atmungsrate und Atmungstiefe, die auftretende Radialkraft bei den Schwüngen, die Symmetrie des Aufkantwinkels der beiden Skier während der Schwünge, die Schwungdauer sowie ein aus mehreren Einzelgrößen errechneter "carving score", der die Qualität eines Schwunges bewertet.
Zusätzlich wurden die Versuchsteilnehmer nach jeder Abfahrt nach ihrer subjektiven Einschätzung hinsichtlich ihres Erschöpfungsgrades befragt. "Oft passen Sportler ihre Bewegungen geringfügig an, wenn sie müde werden", erklärt Kranzinger. "Deshalb benötigen wir viele verschiedene Parameter für ein zuverlässiges Ergebnis." Um aus diesen Informationen Rückschlüsse über Ermüdungszustände zu ziehen, haben die Salzburger Forschenden eine "event detection" genannte Methode eingesetzt. Dabei wird in den Zeitreihen der erhobenen Daten nach Brüchen gesucht. Denn solche Brüche sind Hinweise auf Ermüdung.

Akustisches Signal
"Event detection" wird unter anderem bei der Analyse von außergewöhnlichen Wetterereignissen oder zur frühzeitigen Erkennung von Serverausfällen verwendet. Für die Identifikation von sportlicher Ermüdung wurde der Algorithmus bisher noch nicht eingesetzt. Um das System zur Serienreife zu bringen, sind jedoch noch weitere Testabläufe notwendig.
Diese werden im Rahmen eines Nachfolgeprojekts noch im aktuellen Winter in Kooperation mit österreichischen Skischulen stattfinden. Die Sensorik für die Messung der biomechanischen Parameter soll im fertigen System mittels eines Gummibandes am Skischuh befestigt werden. Firmenpartner von Salzburg Research ist der Skiproduzent Atomic, der die nötige Hardware produzieren und vertreiben wird. Offen ist derzeit noch, auf welche Weise Sportlerinnen und Sportler über Anzeichen einer Ermüdung informiert werden sollen.

Zwei Optionen sind denkbar, um Sportlerinnen und Sportler rechtzeitig auf die potenziell gefährliche Erschöpfung hinzuweisen. Eine Möglichkeit ist eine visuelle Benachrichtigung, etwa über am Ski angebrachte Folien. Die andere Variante wäre ein akustisches Signal, das von einem im Skihelm integrierten Lautsprecher abgegeben wird. Für an der Technologie interessierte Snowboarder hat Kranzinger übrigens eine schlechte Nachricht: "Für Snowboards haben wir derzeit nichts geplant." (Raimund Lang, 5.2.2023)