Beruflich kämpft Andre Wolf gegen Fake News, privat gegen hohe Energiekosten und die Klimakrise. Daher haben er und seine Frau ihr Wohnverhalten geändert – und Heizung und Gasherd ausgeschaltet.

"Wir lebten in der Nähe von Bielefeld und hatten gute Jobs und eine schöne Eigentumswohnung. Eines Abends vor mittlerweile acht Jahren kam eine E-Mail mit dem Job-Angebot aus Wien. Ich hab es gleich meiner Frau gezeigt, sie hat genickt – und ich hab sofort zurückgeschrieben: ‚Wir kommen.‘

Andre Wolf in seiner Wohnung in Wien-Landstraße, die er ohne Besichtigung genommen hat.
Foto: Lisi Specht

Danach haben wir uns erst mal gefragt, was wir da gerade getan hatten. Das war ein richtiger Lebensbruch. Wir wussten gar nicht, wie eine Großstadt funktioniert.

Mein Arbeitskollege ist in Wien dann für mich losgezogen und hat diese Wohnung gefunden. Wir haben also ganz viel Kaution, Provision, Miete überwiesen, ohne die Wohnung je gesehen zu haben – und sind losgefahren. Als wir hier das erste Mal reinkamen, sahen wir eine große, leere, weiße Wohnung. Genau wie wir es uns gewünscht hatten!

Diese Wohnung ist nicht schön in einem herkömmlichen Sinne – es ist kein Altbau mit Stuck an der Decke, sondern ein Nachkriegsbau. Aber sie ist gut geschnitten und so effizient, wie man es sich als Deutscher wünscht. Vor wenigen Jahren wurde die Fassade komplett neu gemacht und gedämmt. Das macht sich nun bezahlt. Denn wir haben mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs unser Wohnverhalten komplett verändert. Geheizt wird bei uns seither nur noch, wenn es unter 15 Grad hat – und wenn, wie heute, Besuch kommt.

Erst bei 15 Grad wird in Andre Wolfs Wohnung geheizt – den Pflanzen macht das augenscheinlich nichts aus. Fotos: Lisi Specht
Fotos: Lisi Specht

Wir haben uns stattdessen eine schöne Heizdecke gekauft. Es ist effizienter, eine Stunde mit der Decke dazusitzen, als das ganze Zimmer aufzuheizen. Wir sitzen natürlich nicht im T-Shirt in der Wohnung. Ich hab mir schon zu Beginn der Pandemie einen Haus-Overall geholt. Und ich habe ein Klapprad. Wenn mir wirklich kalt ist, stell ich es ins Wohnzimmer und trete in die Pedale.

Auch unseren Gasherd haben wir seit bald einem Jahr nicht mehr benutzt. Ich hab ihn mit einem kleinen Schalter versehen, damit man ihn nicht unabsichtlich einschaltet. Dafür kommen jetzt eine kleine Kochkugel, Induktionsplatten und andere Kleingeräte zum Einsatz. Außerdem dusche ich seit einem Jahr kalt. Ich mache viel Sport, und wenn ich vom Laufen aus dem Prater heimkomme, bin ich sowieso durchgefroren. Da kann ich mich auch gleich kalt duschen.

Leider sind unsere Fenster nicht die besten. Daher habe ich Styroporplatten aus dem Baumarkt auf die Fenstergröße zugeschnitten. Im Sommer kommen sie von innen an die Fenster, damit sich die Wohnung untertags nicht so aufheizt. Im Winter nutzen wir sie in ganz kalten Nächten, damit die Energie nicht an der kalten Fensterscheibe verpufft.

Styroporplatten an den Fenstern helfen in besonders kalten Nächten. Der Gasherd bleibt seit fast einem Jahr ausgeschaltet, dafür kommen diverse Kleingeräte zum Einsatz.
Fotos: Lisi Specht

Warum das Ganze? Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens, ganz klar: Ich bin knausrig. Ich hatte keine Lust, hunderte Euro für Strom und Gas zu zahlen. Und dann gibt es natürlich den Umweltaspekt. Sicherlich – das ist immer schön dahergesagt. Es sind viele Punkte, die beim Klimaschutz angegangen werden müssen, und wir Individuen alleine werden es nicht schaffen. Aber ich kann meinen Teil beitragen – und der kann beträchtlich sein.

Vor wenigen Tagen kam unsere Strom- und Gas-Rechnung: Wir haben unseren Gasverbrauch im Vorjahr um 75 Prozent gesenkt, den Stromverbrauch um ein Viertel, und bekommen mehr als 500 Euro zurück. Eines darf man aber nicht vergessen: Wir haben eine urbane Wohnung, die mitten im Haus liegt und daher nicht so stark auskühlt. Wir haben keine Kinder, und wir sitzen auch nicht im Homeoffice.

Ich möchte meine Entscheidung niemandem aufdrängen. Aber ich kann durchaus zeigen, dass es funktioniert. Unseren Pflanzen machen die niedrigen Temperaturen übrigens nichts aus, im Gegenteil.

Ich hoffe, dass unser nächster Mietvertrag für diese Wohnung unbefristet ist. Dann bleiben wir erst mal hier. Ein Balkon wäre natürlich schön, aber das ist schwer leistbar. Für mich heißt das, dass ich mir meinen Balkon anderweitig schaffe. An schönen Tagen setz ich mich daher mal für eine Stunde in den Park. Dann ist das eben mein Garten. Das ist im Sommer wirklich herrlich!" (6.2.2023)