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Viele Studierende protestieren für mehr Klimaschutz – auf FHs ist es dabei recht ruhig.

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Auf die Straße zu gehen und Klimaschutz einzufordern ist längst nicht mehr nur Sache von Schülerinnen und Schülern. Vor einigen Monaten startete eine regelrechte Protestwelle an Hochschulen in ganz Europa. In Wien, Berlin und Barcelona besetzten junge Menschen große Hörsäle ihrer Universitäten tagelang, legten den Rektoraten Forderungskataloge vor: mehr Klimagerechtigkeit, mehr Nachhaltigkeit, und das jetzt sofort! An den Fachhochschulen merkte man indes wenig von einem Klimaprotest.

Einmal hing ein "Erde brennt – Uni besetzen"-Banner am Gebäude der FH Campus Wien. Man hörte, Architektur-FH-Studierende klebten sich ganz in der Nähe am Verteilerkreis in Wien auf die Straße. Die FH Joanneum startete auf ihrer Instagram-Seite eine Info-Kampagne zu Nachhaltigkeit. Die FH BFI Wien und die FH Kufstein sind Teil der jährlichen Vortragsreihe zur Klimakrise "Lectures for Future". Aber Hörsäle besetzen? Vorlesungen kapern? An der FH eher nicht.

Das Thema Klimaschutz wird zwar immer wieder in Events, Workshopreihen und Aktionen an die Studierenden gebracht. Das Interesse, etwas zu tun, ist da. Meist sind die Vorhaben aber offiziell organisierte Bildungsangebote für Studierende – weniger ein lautstarker Streik in den Hauptgebäuden. Ringvorlesungen zu Nachhaltigkeit und Lehrveranstaltungen zum Klimawandel würden für weniger öffentliches Interesse sorgen als eine Besetzung, erklärt eine Lehrperson.

Gemäßigter Aktivismus

Gespräche mit FH-Studierenden, Lehrenden und den Hochschulen zeichnen ein anderes Bild von Aktivismus, als er sich an vielen Universitäten äußert. Häufig spielt er sich im Hintergrund ab, die Hochschülerschaften der FHs stellen Forderungen für mehr Nachhaltigkeit in Lehrplänen oder klimagerechte Gebäude an die Entscheider. Für das Hörsälebesetzen und eigene Vor-Ort-Aktionen fehlen die passenden Bedingungen und Ressourcen, analysieren einige Studierende.

Sie stellen sich die Frage: Warum einen Hörsaal besetzen, auf den verzichtet werden kann, in dem maximal 30 Leute sitzen, wenn es eine Vorlesung gibt? Mit wem zusammen protestieren, wenn so viele berufsbegleitend studieren und oft nicht vor Ort sind? FH-Studierende handeln eher pragmatisch und wollen nicht in den Vordergrund rücken, sagt ein Student. Sie wenden sich auch oft an Menschen direkt aus Unternehmen, die an ihrer FH unterrichten, und wollen ihre Ideen für das Klima auch so platzieren, sagt ein anderer. Sympathie für die Proteste haben viele dennoch – und einige wenige nehmen sogar selbst an größeren Initiativen teil. Der STANDARD hat bei einigen FH-Studierenden nachgefragt, wie sie den Aktivismus an den Fachhochschulen wahrnehmen.

Alois Manhartshuber (31), Student FH Oberösterreich und im Nachhaltigkeitsreferat der ÖH

"Aktivismus ist an den FHs zurückhaltend. Mit dem Nachhaltigkeitsreferat versuchen wir immer wieder Aktionen zu starten, Interesse ist durchaus da. Die meisten wollen sich dafür aber nicht ins Rampenlicht stellen. Letztes Jahr gab es einen Nachhaltigkeitsmonat mit Workshops und Aufklärungsveranstaltungen zu Klimaschutz. Das ist auch heuer wieder in Planung, und Forderungen stellen wir an der FH auch an die Leitung. Wir wollen etwa einen nachhaltigeren Lehrplan und Mensen und so weiter.

Wir sind aber am Überlegen, welche Aktionen wir starten können, um die Leute direkter zu erreichen. Nur im Hintergrund zu arbeiten bringt nicht so viel, und oft werden Anfragen im Kollegium auch abgewehrt oder nicht beachtet. Es braucht beides: Vor-Ort-Aktionen und Events wie den Nachhaltigkeitsmonat. Aber kaum jemand von den Studierenden würde bei einem Klimastreik die Vorlesung oder die Übung schwänzen. Viele sind sehr eingespannt und studieren berufsbegleitend, oft sind ihre Anwesenheiten in den Fächern streng geregelt. Aber ich finde, dass bei uns – im Gegensatz zur Uni – ein Klimastreik noch stärker auffallen würde. Ein FH-Jahrgang inkludiert meistens rund 40 Menschen – wenn die alle streiken, könnte das schon etwas bewirken."

Felix Kramer* (22), Student FH Campus Wien

"Ich habe das Gefühl, die Fachhochschule ist bei Klimaaktivismus stärker in Events und in Top-down-Prozessen organisiert. Mit ihrer Wirtschaftsnähe veranstalten sie etwa Veranstaltungen zu Best-Practice-Beispielen bei Verpackungen oder zu grüner Architektur. Es ist alles recht institutionell. An den Unis hingegen herrscht eine eher gegenteilige Dynamik. Der Klimaaktivismus wird vor allem von den Studierenden organisiert und durchgeführt. Die Startbedingungen an der FH scheinen schon anders zu sein. Durch die wirtschaftliche Orientierung vieler FHs haben die Studierenden bereits ein anderes Level an Auslastung.

Auch die Altersgruppe, gerade bei berufsbegleitenden Fächern, ist etwas höher, viele haben eine Familie. Somit ist die Bereitschaft für Aktivismus vielleicht kleiner. An der Uni für angewandte Kunst ist die Gruppe an Studierenden schon etwas homogener, und viele kommen aus einer Szene, wo radikal und ideell gehandelt wird. Auf der FH sehe ich zwar auch ein großes Interesse an Klimaschutz, aber da äußert es sich eher so, dass die Studierenden dann ihr Fach oder ihren Beruf dem Klimaschutz widmen."

Nadja Prankl (21), Studentin FH Technikum Wien und Klimaaktivistin

"Mir war es schon seit der Kindheit wichtig, dass ich später einmal einen Beruf habe, der in Richtung Umweltschutz geht. Nach der Matura an der HTL war es deshalb naheliegend für mich, etwas in diesem Bereich zu studieren. Ich wollte aber mehr für den Klimaschutz machen und bin deswegen auch aktivistisch tätig. Zunächst bin ich über die Aktion "Lobau bleibt" zu der globalen Organisation Extinction Rebellion gekommen und habe mich an Straßenblockaden beteiligt. Seit Herbst bin ich außerdem bei dem Bündnis Letzte Generation. Ich fühle mich mit der Protestform sehr wohl, weil ich merke, dass sie etwas bewirkt.

Und das ist ja auch der Grund, warum wir das machen: Damit die Klimakrise die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr gebührt. Der Aktivismus lässt sich zum Glück gut mit meinem Studium und meinem Job vereinen. Anfangs habe ich mich schon gefragt, warum es an den FHs keine Proteste gibt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es keine großen Hörsäle zu besetzen gibt, wie es an den Unis der Fall ist. Protestaktionen benötigen außerdem viele personelle Ressourcen, das würde sich im kleinen Rahmen wohl auch weniger lohnen." (Anika Dang, Melanie Raidl, 4.2.2023)