Spongebob und Patrick veranstalten natürlich wieder Blödsinn.

Foto: THQ Nordic, Screenshot

Als im Jahr 2020 "Spongebob Squarepants: The Battle for Bikini Bottom Rehydrated" erschien, waren die Fans begeistert, schließlich bekamen sie ein Remake eines wahren Kultspiels aus dem 2003 serviert. Dass das frisch angefeuchtete Abenteuer von Spongebob, Patrick und Sandy so derart einschlagen und über zwei Millionen Mal verkauft werden würde, das hätte niemand erwartet. Kein Wunder, dass sich Purple Lamp und THQ Nordic erneut auf ein sprichwörtliches Packl gehaut haben und mit "Spongebob Squarepants: The Cosmic Shake" einen Nachfolger servieren, der den pazifischen Blödsinn in Bikini Bottom noch einen Zacken weiterdreht.

"Guten Morgen Welt und alle, die sie bevölkern"

DER STANDARD hatte die Gelegenheit, den Entwicklern kurz vor Release ein wenig über die Schulter zu schauen, allzu weit mussten wir das Büro nicht verlassen, denn Purple Lamp ist ein österreichisches Entwicklerstudio und residiert in einem Wohnhaus im ersten Bezirk Wiens. Betritt man den unscheinbaren Altbau und die Studioräume wird schnell klar: Hier sind echte Spongebob-Fans am Werk, kaum ein Raum, in dem der gelbe Schwamm nicht großformatig von der Wand lacht. Kein Wunder, die meisten Mitarbeitenden waren bereits an "Rehydrated" beteiligt und beschäftigen sich seit fast einem halben Jahrzehnt mit den Abenteuern des Burgerbraters der Krossen Krabbe.

Wir schneiden Grimassen für die Paparazzi am Filmset.
Foto: THQ Nordic, Screenshot

"'Battle for Bikini Bottom Rehydrated' war eine für einen Entwickler spannende Herausforderung. Wir mussten das Originalspiel aus dem Jahr 2003 technisch auseinandernehmen und neu aufbauen", erzählt der Chefentwickler Julian Breddy. Denn Unterlagen über den damals schon 17 Jahre alten Hüpfklassiker aus der Gamecube-Ära gab es nicht. Das Wiener Studio hatte lediglich das Originalspiel, das sie sezierten und möglichst detailgetreu nachbauten. Beim nun erschienenen Nachfolger "Spongebob Squarepants: The Cosmic Shake" waren die Voraussetzungen völlig andere, hier konnte sich das Team von Purple Lamp kreativ austoben – ohne von einer Vorlage eingeschränkt zu sein.

"Heiliger Schalenkrebs!"

Diese vermeintliche Freiheit bringt aber ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Denn erschafft man seine eigene Variante von Bikini Bottom, muss man auch erst einmal lernen, wie dessen Bewohner wie Spongebob, Patrick, Sandy, Thaddeus oder Plankton ticken. Denn das Franchise besteht aus mehr als lauten, bunten und kindgerechten Witzen – und das würde auch den Figuren nicht gerecht. Es gibt einige ungeschriebene Regeln, welche Scherze in Bikini Bottom gemacht werden dürfen und welche nicht. So sind etwa Furzwitze streng verboten – ein Detail, das wohl nur den wenigsten Zusehern bislang aufgefallen sein dürfte. Auch das Wiener Entwicklungsteam musste erst lernen, was geht und was nicht.

"Kannst du nicht woanders dämlich sein?"

Nicht dass Purple Lamp die künstlerische Freiheit nicht von Anfang an ausgereizt hätte. In "The Cosmic Shake" kaufen Spongebob und Patrick wunscherfüllende Meerjungfrauentränen von einer dubiosen Händlerin namens Cassandra. Und natürlich passiert pazifischer Blödsinn – Spongebob und Patrick zerstören das Raum-Zeit-Kontinuum, kosmisches Gelee tritt aus, und die Bewohner und Gebäude von Bikini Bottom werden im Kosmos verteilt. Eine Idee, der die Studiobosse bei Nickelodeon tatsächlich zustimmten. Die Bedingung: Spongebob muss als Held der Geschichte den Schaden wiedergutmachen – und diese Aufgabe fällt dem Spielenden zu.

Anders als im Vorgänger "Battle for Bikini Bottom Rehydrated" schlüpft man aber diesmal nur in die Haut (oder die Poren) von Spongebob selbst. Patrick wird durch die Meerjungfrauentränen in einen Luftballon verwandelt, folgt dem Spielenden auf Schritt und Tritt und ist manchmal sogar nützlich. Wenn etwa Spongebobs Lebensenergie zur Neige geht, dann schwebt Patrick mit einer lebensrettenden Unterhose heran. "Aber wir mussten da ein wenig aufpassen, denn Patrick ist immer noch Patrick, er muss auch genug Unfug machen können", erklärt Projektmanager Andreas Jarzabek.

Gross-ups sind eklige Nahaufnahmen. Aus Spoilergründen hier ein Exemplar aus der Serie, nicht aus dem Spiel selbst.
Foto: Nickelodeon

Bei einer Marke wie Spongebob ist eine Neuentwicklung natürlich eine Gratwanderung: Spieler wollen frischen Gamingstoff, der sich neu und unverbraucht anfühlt. Dabei dürfen die Entwickler aber nicht weit gehen, denn greifen sie zu sehr in das Urmaterial ein, ist die Chance groß, dass man die eingefleischten Fans verärgert. Glücklicherweise ist die Spongebob-Community sehr hilfreich, wie man bei Purple Lamp bestätigt. Sich nämlich in Endlosschleife alle Staffeln der Serie anzuschauen ist das eine, diese Inhalte aber in ein Videospiel umzusetzen ist noch einmal eine ganz andere Herausforderung.

"Walfischdreck und Algengrütze"

Eine Episode, wie die Community mithalf, erzählt man im Studio gerne. Ein wesentliches Element des Humors in "Spongebob" sind sogenannte Gross-ups, also grausliche Nahaufnahmen, die sich stilistisch deutlich vom Rest der Serie oder der Spiele unterscheiden.

Bernard Janssens, Martin Kreuch, Andreas "AJ" Jarzabek und Julian Breddy.
Foto: DER STANDARD, pez

Aber woher nimmt man neue Nahaufnahmen, wenn das Zeichenteam in den USA gerade keine Zeit hat? Tatsächlich fanden die Entwickler einen professionellen Künstler und Spongebob-Fan, der gerne in seiner Freizeit die lustigen Ekelbilder erstellte – und engagierte ihn kurzerhand.

"Ist Mayonnaise auch ein Instrument?"

Ähnlicher Aufwand wurde auch mit der Vertonung betrieben, denn "The Cosmic Shake" sollte schließlich in möglichst vielen Sprachen mit den Originalstimmen erscheinen. Der Punkt war den Entwicklern wichtig: "Als Europäer haben wir zu Sprachen vielleicht einen anderen Zugang, und wir wollten so viele wie möglich anbieten", sagt Martin Kreuch, Senior Producer von THQ Nordic. So spricht Spongebob nicht nur Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch, sondern auch Polnisch, Indonesisch und Hindi – Sprachen, die oft nicht synchronisiert werden.

"Bei Neptuns Nasenhaaren"

Ist "Spongebob" jetzt ein Spiel für Kinder oder Erwachsene? Designt ist das Spiel so, dass auch der liebe Nachwuchs ohne viel Frust durch die Hauptmissionen kommt. Die Seitenareale und Nebenquests sowie die versteckten Dublonen und Geheimnisse sind deutlich schwieriger zu entdecken und erfordern schon mehr Geschick. Absolut pixelpräzise Sprünge sind dabei aber selten nötig. Szenen, in denen wir mitten in der Nacht mit nassgeschwitzten Händen eine Sprungpassage zum 43. Mal wiederholt haben, gibt es in "The Cosmic Shake" aber nicht – frustrierend wird es also nie. Der Schwierigkeitsgrad der Plattformrätsel ist gut gewählt, und das Spiel lässt sich auch von unerfahrenen Spongebob-Fans gut meistern, während Gamingveteraninnen und -veteranen dennoch nicht fad wird.

Die Levels sind liebevoll designt.
Foto: THQ Nordic, Screenshot

Dem Spiel darüber aber mangelnde Komplexität zu unterstellen wäre ungerecht. Tatsächlich steckt in "Cosmic Shake" mehr Abwechslung, als man anfangs vermuten würde, und im Verlauf erhält unser Lieblingsschwamm immer neue Fähigkeiten. Neben dem Standard-Doppelsprung und dem Gleitmodus mit dem Pizzakarton kommen noch Fähigkeiten wie Karatekick, Greifarm, Unterhosenschleuder und Surfbrett hinzu. Diese wollen zur richtigen Zeit ausgeführt und miteinander verkettet werden, was spielerisch durchaus anspruchsvoll werden kann.

Auch in unserem Testdurchlauf haben wir an manchen Stellen einen zweiten oder dritten Versuch gebraucht. Dabei zahlt es sich aus, bereits absolvierte Gebiete noch einmal zu besuchen, denn durch neu hinzugewonnene Fähigkeiten lassen sich neue Areale in den Levels erschließen – da weht ein Hauch Metroidvania durch Bikini Bottom.

"Heute ist Gegenteiltag!"

Auch die Kämpfe sollten erfahrene Gamer kaum vor große Herausforderungen stellen. Zwar erfordern manche der Glibbergeister spezielle Taktiken, um sie besiegen zu können, verzeihen es aber auch, wenn man sich ein wenig ungeschickt anstellt. Spätestens sobald Spongebob den Karatekick gelernt hat, werden die Kämpfe schon fast zu einfach, weil man Gegner ständig aus der Luft attackieren kann, ohne den Boden zu berühren – Spaß macht das Zergatschen der Geleegegner trotzdem.

Die Zerstörung des Raum-Zeit-Kontinuums macht es möglich, die Levels deutlich abwechslungsreicher zu gestalten. So verschlägt es Spongebob und Patrick in den Wilden Westen, eine Tim Burton'sche Gruselwelt oder an das Filmset eines furchtbar schlechten Karatefilms samt größenwahnsinnigem Regisseur. Das Design der Levels wechselt dabei von offenen Erkundungsarealen zu mehr actionorientierten Passagen – wobei der Begriff im Fall des Schneckenrennens wohl ein wenig irreführend ist.

Überall warten schrullige Charaktere.
Foto: THQ Nordic, Screenshot

Spielerisch macht "The Cosmic Shake" alles richtig: Die Steuerung funktioniert ausreichend präzise und knackig, auch wenn die 3rd-Person-Kamera sich manchmal ein wenig bockig gibt und nicht immer mit der Spielfigur mithält. Grafisch löst "The Cosmic Shake" keine Raytracing- und DLSS-gestützten Begeisterungsstürme aus, aber der Charme liegt bei einem Cartoon-Plattformer ohnehin mehr im Artdesign. In diesem Bereich haben die Designerinnen und Designer von Purple Lamp die krossesten Krabbenburger gebraten und schaffen eine visuelle Umgebung, die auch einem Spongebob-Kinofilm würdig wäre.

Doch ein digitaler Ausflug nach Bikini Bottom lebt nicht von gutem Plattform-Gameplay und netter Umgebung allein. Es braucht auch den serientypischen Humor, und auch hier treffen die Autorinnen und Autoren den richtigen Ton – vor allem die Zwischensequenzen sorgen zuverlässig für Heiterkeit. Die Dialoge zwischen Spongebob und Patrick während des Spiels können durchweg überzeugen, auch wenn der rechteckige Meeresbewohner manche Sprüche gefühlt ein wenig zu oft bringt.

"Zu wahr, um schön zu sein"

"The Cosmic Shake" ist ein mehr als würdiger Nachfolger des legendären "Rehydrated". Dabei ist der Spagat gelungen, ein Spiel für eine junge Zielgruppe zu schaffen, an dem auch die Erwachsenen und erfahrene Zockerinnen und Zocker ähnlich viel Spaß haben dürften.

Testspielen in den letzten Tagen vor Release.
Foto: DER STANDARD, pez

Den größten Nutzen ziehen natürlich Spongebob-Aficionados aus "The Cosmic Shake", denn ihnen dürfte kaum eine Anspielung auf eine Serienepisode entgehen. Aber selbst wenn man wie der Tester nur über oberflächliche Ahnung vom schwammigen Helden verfügt, kommt man voll auf die Humorkosten, und am Ende hat man garantiert ein Lächeln im Gesicht – wie nach einem "Spongebob"-Serienmarathon.

"Hurra für Hasselhoff"

Wenn man sich ein halbes Jahrzehnt mit einem dauerquasselnden gelben Schwamm beschäftigt, hat man da nicht irgendwann genug davon? "Es ist ein bisschen wie das Stockholm-Syndrom", scherzt der Chefentwickler. "Aber ernsthaft: Das Spongebob-Universum gibt so viel her und hat Material aus 25 Jahren. Da kann man sich kreativ austoben." Ob er damit gerade einen dritten Teil des schwammtastischen Abenteuers angedeutet hat, in dem auch David Hasselhoff und Keanu Reeves vorkommen, will der neugierige Redakteur wissen. Die grinsende Antwort: "Netter Versuch."

Einen abschließenden Tipp hat das Team von Purple Lamp aber noch. Es empfiehlt, das Spiel ein zweites Mal auf Japanisch durchzuspielen, ganz egal ob man etwas versteht. Das soll wohl eine ganz eigene Erfahrung sein. Wir werden berichten. (Peter Zellinger, 5.2.2023)