Wenn Neutronensterne kollidieren, sorgt das für ein nur schwer vorstellbares Inferno. Neutronensterne bestehen aus schweren Kernbausteinen, den Neutronen, die so dicht gepackt sind wie in einem Atomkern. Bereits ein Neutronenstern von der Größe eines Stecknadelkopfs hat eine Masse, die mit der eines riesigen Ozeandampfers vergleichbar ist, doch typischerweise beträgt ihr Radius rund 20 Kilometer. Sie rotieren überdies extrem schnell, am äußeren Rand beträgt die Geschwindigkeit einige zigtausend Kilometer pro Stunde. Extremer sind nur noch Schwarze Löcher.

Neutronensterne entstehen beim Kollaps von ausgebrannten Sternen. Sterne kommen oft in Paaren vor, und tatsächlich gibt es auch Paare von Neutronensternen. Durch die starken Gravitationskräfte verlieren sie laufend Energie, die sie in Form von Gravitationswellen in den Raum abstrahlen. Dieser theoretisch klingende Effekt sorgt für die sehr anschauliche Auswirkung, dass Paare von Neutronensternen einander laufend näher kommen und irgendwann kollidieren können. Neue Forschungen, die nun im Fachjournal "Nature" veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass erstmals ein System entdeckt wurde, dem eine solche Kollision als "Kilonova" erst bevorsteht.

Eine künstlerische Darstellung einer Neutronensternkollision. Doppelsternsysteme mit zwei Neutronensternen, die nahe genug beieinander sind, um zu verschmelzen, sind extrem selten.
Bild: AFP PHOTO /National Science Foundation/LIGO/Sonoma State University/A. Simonnet

Was ist eigentlich eine Kilonova?

Der Begriff der Kilonova wurde bereits geprägt, als der Ursprung der Strahlung noch nicht zweifelsfrei geklärt war. Er bezeichnete einen Strahlungsausbruch, der sich in seiner Helligkeit sowohl von der weniger energiereichen Nova als auch von der noch energiereicheren Supernova unterscheidet. Computersimulationen deuteten schon seit einiger Zeit darauf hin, dass kollidierende Neutronensterne der Grund dafür sein könnten. Den Nachweis erbrachten schließlich die neuen Gravitationswellenlabore Ligo und Virgo. Sie zeichneten 2017 ein Gravitationswellensignal auf, das auf kollidierende Neutronensternen zurückgeführt werden konnte.

Und nicht nur das, aufgrund der gelungenen Kooperation der drei Observatorien ließ sich auch die Richtung des Signals ermitteln. Eilig darauf ausgerichtete Teleskope konnten den Nachhall des Ereignisses festhalten und bestätigten, dass kollidierende Neutronensterne eine Kilonova verursachen. Analysen des Signals fanden außerdem Signaturen, die auf das Vorhandensein von Gold und Platin hindeuten, die bei den extremen Prozessen entstanden waren. Das Material wurde mit einer enormen Geschwindigkeit von 60.000 Kilometern pro Sekunde ausgestoßen, das entspricht etwa 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

Eine Neutronensternkollision erzeugt Jets von Teilchen, die starke elektromagnetische Strahlung aussenden.
caltech

Doch leider sind solche Ereignisse mit entsprechender Edelmetallproduktion extrem selten. Noch schwieriger als die Beobachtung der Kollision selbst ist das Finden von Neutronensternpaaren, die einmal kollidieren werden. Genau das dürfte nun gelungen sein.

Vorzeichen bereits 2019

In einem Sternensystem in 11.400 Lichtjahren Entfernung registrierten Forschende bereits 2019 seltsame Strahlungsausbrüche. Detailliertere Beobachtungen, die das Team um Erstautor Noel D. Richardson von der Embry-Riddle Aeronautical University im US-amerikanischen Arizona mit dem Smarts-1.5-Meter-Teleskop in Chile durchführte, bestätigten nun den Verdacht, dass es sich um ein System aus einem Neutronenstern und einem Stern handelt, dem eine ganz spezielle Form der Supernova bevorsteht.

Normalerweise sind Supernovae so explosiv, dass sie Doppelsternsysteme mit nahe beieinander liegenden Sternen zerreißen. Es gibt aber den Spezialfall einer "Ultra-Stripped Supernova", bei der vor der Explosion ein großer Teil des Materials des explodierenden Sterns vorab von seinem Partner abgezogen wird. Die Explosionskraft ist dann geringer, und die beiden Himmelskörper können einander so nahe bleiben, dass sie später, nach erfolgter Verwandlung, als Neutronensterne kollidieren.

Eine Computersimulation kollidierender Neutronensterne. Daneben ist das Signal eines beobachteten Gammastrahlenausbruchs eingeblendet. Die Tonspur gibt die Frequenz der Gravitationswellen wieder.
NASA Video

Bei dem Neutronenstern in dem nun gefundenen Doppelsternsystem dürfte genau das passiert sein. Nun deuten die Daten darauf hin, dass sich der Prozess in umgekehrter Richtung wiederholt. Der Neutronenstern hat begonnen, Material von seinem Nachbarstern an sich zu ziehen. Die Supernova kann also nicht mehr fern sein, wobei es noch eine Million Jahre dauern wird – aus astronomischer Sicht also nur noch einen Wimpernschlag. Sie wird den Rahmen für die spätere Neutronensternkollision schaffen.

Es ist der erste Nachweis eines derartigen Systems, das als Kandidat für eine Neutronensternkollision enden wird. Das Phänomen ist extrem selten: Nur etwa zehn solcher Systeme gibt es in unserer Milchstraße, die viele Milliarden Sterne enthält. Zum Glück machen Neutronensterne bei ihrer Kollision so viel astronomischen "Lärm", dass wir sie auch auf der Erde wahrnehmen können. Und das seit 2017 nicht nur mit Teleskopen für elektromagnetische Strahlung, sondern auch mit den neuen Gravitationswellenlaboren. (Reinhard Kleindl, 6.2.2023)