Screenshot: Hogwarts Legacy
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Als 1997 das erste "Harry Potter"-Buch erschien, war nicht abzusehen, dass die Erzählung von Joanne K. Rowling über den gleichnamigen Jungen einige Jahre später Millionen Fans erreicht. Doch sie war ein erzählerisch fesselnder Mix, der besonders Teenager in ihren Bann zog. Auch mich faszinierte die Parallelwelt, in der magisch Begabte an Zauberschulen ausgebildet werden, mitsamt der Abenteuer, die Harry und sein Freundeskreis erlebten. Tränkekunde, Verteidigung gegen die dunklen Künste und Quidditch klingen auch allemal spannender als Mathe, Chemie und Leibesübungen. Besonders wenn man statt in einem drögen Klassenraum in einem Schloss untergebracht ist, in dem es an allen Ecken etwas zu entdecken gibt.

Schon damals wünschte ich mir ein Videospiel, in dem man selbst in diese Umgebung eintauchen kann. Als Anfang der 2000er die ersten modernen Open-World-Abenteuer wie "Morrowind" und "Gothic" erschienen, hatte ich die Hoffnung auf ein ähnliches Game im "Harry Potter"-Setting. Der damalige Lizenzinhaber Electronic Arts lieferte stattdessen aber meistens trotzdem recht unterhaltsame 3D-Jump-and-Runs mit Rätseleinlagen.

Es dauerte 20 Jahre, ehe nun Warner Bros. Games sich anschickt, mit "Hogwarts Legacy" meinen Traum – und wohl auch den Traum einiger anderer "Potterheads" – zu verwirklichen. Und dementsprechend konnte ich als gestandener Hufflepuff dem Ticket nach Hogwarts nicht widerstehen.

Offiziell erscheint das Game am 7. Februar für Vorbesteller der "Deluxe Edition" der PC-Version (Windows) sowie der Ausgaben für Playstation 5 und Xbox Series S/X, ab 10. Februar können alle spielen. Es folgen außerdem Releases für die Playstation 4 und Xbox One am 4. April und die Nintendo Switch am 25. Juli.

Hogwarts Legacy

Exkurs

Davor aber noch ein kurzer Abstecher: Im Vorfeld des Releases gab es Debatten und auch Boykottaufrufe. Der Hintergrund sind vor allem Aussagen von Autorin Rowling, die (meiner Meinung nach zu Recht) als transfeindlich wahrgenommen werden. Die Debatten um diese schaukelten sich online immer wieder hoch und mündeten in Hasskampagnen gegen Transpersonen, allerdings auch Todesdrohungen gegen Rowling selbst.

Wer ihre Aussagen kritisch sieht, muss für sich selbst überlegen, inwieweit er hier Werk und Autorin trennen kann. Laut den Entwicklern war Rowling nicht in die Entstehung von "Hogwarts Legacy" involviert. Klar ist aber auch, dass sie über die dahinterstehende Lizenz an dem Game verdient, zumal dessen Handlung in der von ihr erdachten Welt stattfindet. Dieser Text beschreibt meine persönlichen Eindrücke des Spiels und soll damit als Entscheidungshilfe für alle dienen, die mit einem Kauf liebäugeln.

Auf Umwegen nach Hogwarts

Das Abenteuer meines Zauberers beginnt, wie für Harry Potter, mit dem berühmten Brief von der Zauberschule Hogwarts. Allerdings mit dem wichtigen Unterschied, dass der Held der Buchreihe als Erstklässler aufgenommen wurde, während mein Alter Ego ein Spätzünder ist, der in die fünfte Klasse gesteckt wird. Man wird vom Magietheorie-Professor Eleazar Fig abgeholt, der aufgrund dieser unüblichen Praxis neugierig geworden ist.

Screenshot: Hogwarts Legacy

Statt mit dem Hogwarts Express vom Londoner Hauptbahnhof geht es mit der fliegenden Kutsche auf die Reise, die aber jäh unterbrochen wird. Es folgt ein erstes Abenteuer, das nicht nur als grundlegendes Tutorial dient, sondern auch enthüllt, dass mein Jungzauberer in der Lage ist, die als ausgestorben geltende "alte Magie" zu erkennen und zu wirken. Und dass der Goblin Ranrok einen Aufstand von Extremisten anführt, die Zauberern und "gewöhnlichen" Menschen gleichermaßen an den Kragen wollen. Die Ereignisse tragen sich übrigens im 19. Jahrhundert zu und damit gut ein Jahrhundert bevor Harry Potter die Bühne betritt.

Um diese Erkenntnis reicher folgt dann doch noch die bekannte Zeremonie mit dem sprechenden Hut, der mich in mein angestammtes Haus zuweist. Den Vorschlag, welchem der vier Häuser – Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff oder Slytherin – man beitreten sollte, gibt er nach zwei Fragen. Verbindlich ist er nicht, im Endeffekt kann man es sich aussuchen.

Viel Atmosphäre

Am nächsten Tag lernt man die ersten Mitschüler und Lehrkräfte kennen, womit man auch gleich erste Teile des Schlosses kennenlernt. Und das ist nicht nur riesig, sondern wurde auch liebevoll umgesetzt. Die Entwicklerinnen und Entwickler haben die mysteriös-heimelige Atmosphäre der magischen Burg in den schottischen Highlands großartig umgesetzt. Egal ob die hell von fliegenden Kerzen erleuchtete Versammlungshalle, die überwucherten Gewächshäuser oder schlicht die Wohntrakte der einzelnen Häuser: Überall herrscht ein eigenes Ambiente, und es tut sich etwas.

Screenshot: Hogwarts Legacy

Mal schlittert Hausgeist Peeves am Geländer vorbei, mal klappert eine lebendige Rüstung, oder ein Gemälde hat etwas zu sagen. Schüler bevölkern tagsüber die Räume und Gänge oder fliegen draußen auf dem Besen vorbei. Damit wird es ein Leichtes, in die Welt einzutauchen und sich zumindest ein bisschen so zu fühlen wie damals, als man als Schüler die Bücher verschlungen hat. Getrübt wird die Immersion nur von gelegentlichem "Schluckauf" beim Nachladen, was dazu führt, dass etwa manche Figuren, die einen Raum bevölkern, erst nach dessen Betreten eingeblendet werden.

Draußen ist man unterwegs zwischen grünen Wiesen, sumpfigen Flusslandschaften, kleinen Seen und bewaldeten Bergregionen mit spektakulären Ausblicken. Und wo nicht gerade Gegner einem an den Kragen wollen, da kann man sich am Kreuchen und Fleuchen der Natur erfreuen – magische Fauna inklusive.

Recht schnell lernt man bei den ersten Aufträgen, die zum guten Teil aus kurzen Einblicken in den Schulalltag bestehen, verschiedene Zaubersprüche. Alsbald wird man dann auch dazu beordert, gemeinsam mit einer Mitschülerin oder einem Mitschüler ins nahe gelegen Zaubererdorf Hogsmeade aufzubrechen, um die beim Anreisezwischenfall verlorene Schulausstattung zu besorgen. Dabei darf auch ein Besuch in der Zauberstabmanufaktur Ollivander nicht fehlen.

Screenshot: Hogwarts Legacy

Langsamer Fortschritt

Ab dann arbeitet man sich vor, durch Schulstunden, Aufträge und Storymissionen, wobei das Game die eigenen Möglichkeiten erst nach und nach erweitert, statt alle "Goodies" auf einmal auszupacken. Das ist hier auch völlig okay so, immerhin ist Hogwarts ja ein Schulbetrieb. Besenflug ist beispielsweise eine tolle Sache, aber bis man auf dem grünen Rasen vor dem Schloss das erste Mal abhebt (nur um sich dann bei nächster Gelegenheit in Hogsmeade einen eigenen Besen zu kaufen) vergehen circa fünf bis sieben Spielstunden, die mit viel Erkundung zu Fuß gefüllt sind. In der Landschaft verteilte "Floo Flames" dienen als Schnellreisedestinationen, sobald man sie das erste Mal besucht hat.

Das System hat fallweise aber auch negative Seiten. Während man etwa unbegrenzt Zutaten für Tränke und andere Dinge sammeln kann, lassen sich zu Beginn nur maximal 20 Kleidungsgegenstände mitführen. Da man aber immer wieder welche findet, ist diese Begrenzung flott ausgereizt. Danach kann man schlicht keine Kisten oder sonstigen Behälter mehr öffnen, die welche enthalten, ehe man nicht ein schon im Inventar befindliches Kleidungsstück zerstört.

Wer das Limit erhöhen will, muss Merlin-Rätsel lösen, die vielerorts in Wald und Wiese rund um runenartige Steinplatten angeordnet sind. Die Aufgaben sind teilweise recht originell gemacht, das Abarbeiten wird auf Dauer aber eintönig. Ebenso muss man Talentpunkte, von denen man pro Levelaufstieg einen erhält, investieren, um mehrere Sets an Zaubern für schnellen Zugriff erstellen zu können. Eine solche Funktion, die schlicht grundlegenden Nutzerkomfort bietet, sollte nicht erst teuer erkauft werden müssen.

Screenshot: Hogwarts Legacy

Wenn das "Hogwarts"-Feeling nachlässt

In den ersten Stunden wird man angenehm in das märchenhafte "Hogwarts-Feeling" eingebettet, denn das Spiel gibt sich große Mühe, die Haupthandlung und Geschichten rund um die Schule erlebbar zu machen, dazu gibt es Abwechslung durch verschiedene Minigames wie Besen-Zeitrennen. Auch in Nebenquests, die man abseits des Schlosses erhält, verbergen sich oft spannende Erzählungen. Dazugehörige Dialoge sind alle vertont und das meistens sehr gut. Einzig die Gesichtsanimationen der Charaktere bewegen sich stark zwischen "brauchbar" und "gruselig", wenngleich es längst kein solches Debakel ist, wie es dereinst "Mass Effect: Andromeda" ablieferte.

Irgendwo so um die 15. Spielstunde herum lässt der Heimeligkeitseffekt allerdings nach. Das hat einerseits den Grund, dass die qualitativ nach wie vor gut gestalteten Storymissionen die Bedrohung für die Zaubererwelt näherbringen, erzählerisch dunkler und Kämpfe fordernder werden. Aber auch beginnende Zeitschinderei. Um einen bestimmten Zauberspruch zu lernen, den man für die nächste Quest der Hauptgeschichte zwingend braucht, muss für die zuständige Lehrkraft ein Fortschrittsnachweis in Form von Aufgaben erledigt werden. Beispielsweise das Anwenden bestimmter Tränke oder aggressiver Pflanzen während eines Kampfs.

Was teilweise sinnvoll ist, um neue Fertigkeiten zu lernen, wird auf Dauer etwas fad. Ab einem gewissen Punkt kann man dem Spieler mehr Initiative zugestehen und ihn selbst lernen lassen, seine neuen Spielzeuge zu verwenden. Quests mit erzählerischem Mehrwert wären die bessere Wahl gewesen.

Screenshot: Hogwarts Legacy

Für sogenannte Completionists ist "Hogwarts Legacy" aber ein gefundenes Fressen. In und außerhalb von Hogwarts gibt es diverse Fundstücke, die sich auf verschiedene Weise entdecken, und kleine Rätsel, die sich lösen lassen. Als Belohnung schaltet man Gegenstände frei, die anschließend gefunden werden können. Überhaupt gibt es eine große Vielfalt an optionalen Nebenbeschäftigungen. Wer gerne seine Besenreit-Skills poliert, kann in Zeitrennen in verschiedenen Kursen neue Bestzeiten aufstellen. Wer gerne kämpft, findet in der Schule einen Duellierklub und kann über eine Quest den Zugang in eine Kampfarena entdecken, in der man sich Wellen an Gegnern stellt.

Magische Tierpflege und andere Nebenbeschäftigungen

"Hogwarts Legacy" eröffnet dem Spieler nach einiger Zeit auch die Möglichkeit, eigene Trankzutaten anzubauen, Kleidung zu verbessern und mehr. Wer in die Fußstapfen von Newt Skamander steigen mag, kann das später freigespielte Vivarium nutzen. Dabei handelt es sich um eine Art magische Paralleldimension, in der man vor Wilderern geretteten, magischen Tieren Zuflucht bietet.

Im Gegenzug für Futter und Zuwendung kann man von ihnen wiederum Zutaten für Tränke und Kleidungsanpassung "ernten". Sowohl der eigene Arbeitsraum und auch das Vivarium lassen sich dekorativ anpassen. Spielerisch ist daran nichts sonderlich neu oder spektakulär, aber es sind nett gemachte Abwechslungen, wenn man es gerade etwa ruhiger haben und einfach die Atmosphäre genießen will.

Im Rahmen von Quests und beim freien Abenteuern in den Highlands kommt man natürlich an Auseinandersetzungen nicht vorbei. Das Kampfsystem ist gut gestaltet dafür, dass man eine doch erkleckliche Anzahl an Zaubersprüchen handhaben muss. Auch mit Maus und Tastatur kann man sich einigermaßen gut behaupten. "Hogwarts Legacy" gehört aber zu den Games, die gerade bei Kämpfen besser mit einem Controller zu spielen sind.

Screenshot: Hogwarts Legacy

Technische Hinweise

Auf technischer Ebene ist das Spiel solide und lief auf einem Gaming-PC der oberen Mittelklasse in zweithöchsten Einstellungen immer mit spielbaren Framerates in 1.440-p-Auflösung (2.560 x 1.440 Pixel). Unter bestimmten Umständen gab es Einbrüche auf rund 40 Bilder pro Sekunde, meistens lief der Titel aber auf oder auch deutlich über der wichtigen 60-Frames-Grenze.

In der getesteten Vorschauversion konnte eine gewisse Absturzneigung festgestellt werden, insbesondere bei Besenflug in Außenbereichen unter nebelig-regnerischen Wetterbedingungen. Es ist schwer zu sagen, ob das dem Game oder dem noch nicht ganz ausgereiften Treiber der Intel-Arc-770-Grafikkarte zuzuschieben ist. Die Entwickler meldeten jedenfalls vor der Freigabe der Testmuster, dass es bei manchen Rechnern zu "Problemen bei der Shaderkompilierung" kommen kann, die mit einem Patch gelöst werden. Erprobt wurde das Game auch auf der Playstation 5, wo es auch im Qualitätsmodus ("Fidelity") schnell und stabil läuft.

Screenshot: Hogwarts Legacy

Fazit

Was bleibt mir nun also zu sagen nach 26 Stunden an Abenteuern in "Hogwarts Legacy"? Ist es das Open-World-Erlebnis, das ich mir vor 20 Jahren gewünscht habe? Kann es in mir als Enddreißiger die Faszination für diese magische Welt wecken wie einst die Bücher in meiner Jugend?

Zehn Stunden lang: ja, absolut. Da wirken die gut erzählte Geschichte, die grafisch wie akustisch liebevolle Umsetzung und natürlich die nicht zu unterschätzende Magie (höhö) der Nostalgie. Danach merkt man langsam, dass eine so große Welt sich eben doch nicht so einfach mit mitreißenden Abenteuern füllen lässt. Gerade wenn es an einer Buchvorlage fehlt, denn die Epoche der Koboldaufstände wird in der "Harry Potter"-Reihe nur beiläufig beschrieben.

Die erwähnten Defizite machen daraus aber kein schlechtes Spiel. "Hogwarts Legacy" mag nicht das "Skyrim" oder "Witcher 3" für Potterheads geworden sein, ist aber immer noch ein gutes und wunderschön umgesetztes Open-World-Rollenspiel, in dem man sich stundenlang verlieren kann. Und darum geht es letzten Endes ja, egal ob damals mit den Büchern auf dem Sofa oder heute vor dem Bildschirm. (Georg Pichler, 6.2.2023)