Die Suche nach Überlebenden in Jandaris, Syrien.

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Ein zerstörtes Gebäude im türkischen Diyarbakir.

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Einsatzkräfte suchen nach Überlebenden im syrischen Aleppo.

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Das Wichtigste in Kürze:

  • Am Montag gab es in der Südosttürkei mehrere Erdbeben mit einer Stärke von bis zu 7,8 Spürbar waren diese auch in Syrien, Israel, Zypern und im Libanon.
  • Mindestens 3.600 Menschen sind dabei in der Türkei und in Syrien gestorben, mehr als 15.000 Menschen wurden verletzt.
  • Mehr als 5.600 Gebäude sind bei dem Beben eingestürzt. Such- und Rettungsarbeiten laufen.
  • Das österreichische Bundesheer wird am Dienstag 84 Soldaten und Soldatinnen der "Austrian Forces Disaster Relief Unit" zur Unterstützung senden.
  • Zahlreiche Organisationen haben Hilfsraufrufe gestartet, darunter die Caritas, das Rote Kreuz, die Diakonie, Ärzte ohne Grenzen, der Arbeiter Samariterbund, CARE und World Vision.

Istanbul – Nach verheerenden Erdbeben in Syrien und der Türkei in der Nacht auf Montag ist die Zahl der Todesopfer auf über 3.600 gestiegen. In der Türkei seien 2.316 Menschen ums Leben gekommen, teilte der Katastrophenschutzdienst Afad Montagmittag mit. Mehr als 15.000 Menschen wurden verletzt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat eine einwöchige Staatstrauer ausgerufen. In Syrien stieg die Zahl der Toten auf über 1.300. Immer noch werden zahlreiche Menschen vermisst.

Aufgrund der tiefwinterlichen Temperaturen dränge die Zeit für Hilfsmaßnahmen vor Ort, und die Überlebenschancen der unter Trümmern verschütteten Menschen dürfte bei wenigen bis 48 Stunden liegen, warnte die Hilfsorganisation. Außerdem sei die Gefahr weiterer Nachbeben hoch. Ein Vertreter der Rettungsorganisation forderte Menschen in den betroffenen Regionen dazu auf, von beschädigten Gebäuden fernzubleiben, wie der Sender CNN Türk berichtete. Mehr als 5.600 Gebäude seien bei dem Beben bereits eingestürzt. Auch in Syrien stürzten mehr als 200 Häuser ein.

VIDEO: Erdbeben-Katastrophe: Verzweiflung und Hilfsangebote für Türkei und Syrien.
DER STANDARD

Ein Erdbeben der Stärke 7,4 hatte Montagfrüh die Südosttürkei erschüttert. Das Epizentrum lag nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Ein weiteres Beben der Stärke 6,6 sei kurz darauf in der Provinz Gaziantep gemessen worden. Das Geoforschungszentrum Potsdam gab in einer aktualisierten Einschätzung die Stärke mit 7,8 und 6,7 an. Am späten Montagvormittag folgte ein weiterer heftiger Erdstoß der Stärke 7,5 in der Südosttürkei, etwa 100 Kilometer nordöstlich von jenem des Hauptbebens. Afad verzeichnete insgesamt 185 Nachbeben.

In Kahramanmaras hat das Erdbeben große Schäden angerichtet.

Viele Verschüttete befürchtet

Allein in der Türkei wurden bisher offiziellen Angaben zufolge rund 2.800 eingestürzte Gebäude gezählt. Darunter war neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. In der Stadt Gaziantep wurde laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu auch die Burg stark beschädigt. Sie ist Unesco-Weltkulturerbe. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach vom schwersten Beben seit 1939.

Unter den Trümmern werden weitere Opfer vermutet. "Unsere Hauptaufgabe ist es, die Such- und Rettungsarbeiten durchzuführen, und dafür sind alle unsere Teams in Alarmbereitschaft", sagte Innenminister Süleyman Soylu vor Reportern. Das Rote Kreuz mobilisierte Rettungskräfte und forderte die Menschen auf, beschädigte Häuser zu verlassen. Der türkische Innenminister rief das Volk auf, die Benutzung von Mobiltelefonen einzustellen, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können. Die Fernsehsender TRT und Habertürk zeigten Bilder von Menschen, die in den Trümmern nach Überlebenden suchten. Nach derzeitigen Kenntnisstand sind keine österreichischen Staatsbürger unter den Opfern, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Außenministerium in Wien.

Große Schäden in Syrien

Laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA stürzten in zahlreichen Städten Gebäude ein. Fotos zeigten, wie Rettungsteams Menschen auf Tragbahren wegtrugen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums, Raed Ahmed, sagte laut SANA, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Syrien wandte sich an die UN-Mitgliedstaaten, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und andere Hilfsorganisationen und bat sie darum, "die Bemühungen der syrischen Regierung zur Bewältigung des verheerenden Erdbebens zu unterstützen", wie es in einer Erklärung des syrischen Außenministeriums hieß.

Der Flughafen Hatay im Süden der Türkei soll durch das Erdbeben nicht mehr funktionstüchtig sein. Die Flughäfen in Kahramanmaras und Gaziantep sind nur noch für Flieger mit Soforthilfe geöffnet.
Die 2.000 Jahre alte Burg Gaziantep in der Türkei wurde durch das Erdbeben zerstört.
Schäden im Nordwesten Syriens.
Foto: AP / Ghaith Alsayed

Auch in Israel, im Libanon und auf Zypern war das Beben zu spüren. In den libanesischen Städten Beirut und Tripoli flohen die Menschen aus Angst vor einem Einsturz aus ihren Wohnhäusern, berichteten Augenzeugen. In Italien hatte der Katastrophenschutz Montagfrüh eine Warnung vor möglichen Tsunami-Wellen erlassen, die wenige Stunden später wieder aufgehoben wurde.

Das Epizentrum des Erdbebens lag in der Provinz Kahramanmaras nahe der türkisch-syrischen Grenze.

Mehrere Flughäfen in besonders von dem Erdbeben betroffen Regionen der Türkei blieben vorerst für zivile Flüge geschlossen. Dabei gehe es um die Flughäfen in Hatay, Kahramanmaras und Gaziantep, sagte Vizepräsident Oktay. Der Sender CNN Türk zeigte Bilder von einem tiefen Riss in einer Landebahn am Flughafen Hatay. Der türkische Präsident Erdoğan schrieb auf Twitter: "Wir hoffen, dass wir diese Katastrophe gemeinsam in kürzester Zeit und mit möglichst geringem Schaden überstehen".

Zahlreiche Hilfsaufrufe

Zahlreiche Organisationen haben Hilfsraufrufe gestartet, darunter die Caritas, das Rote Kreuz, die Diakonie, Ärzte ohne Grenzen, der Arbeiter Samariterbund, CARE und World Vision. Caritas Auslandshilfe-Generalsekretär Andreas Knapp sagte, es gehe vor allem um die Deckung der Grundbedürfnisse, wie "Erste Hilfe, Nahrungsmittel und Wasser, Decken und Schlafsäcke, psychologische Betreuung und die Koordination von Unterkünften". Vor allem das von mehreren Krisen gebeutelte Syrien habe das Beben in einer verheerenden Lage erwischt.

Das österreichische Außenministerium drückte in einer ersten Reaktion sein Mitgefühl und seine Solidarität mit den Opfern der Tragödie sowie den Rettungskräften aus. Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert nach dem schweren Erdbeben die Entsendung von europäischen Rettungskräften in die Türkei. Erste Teams aus den Niederlanden und Rumänien seien bereits unterwegs, sagte der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic.

Das österreichische Bundesheer wird am Dienstag 84 Soldaten und Soldatinnen des Katastrophenhilfeelements "Austrian Forces Disaster Relief Unit" (AFDRU) in die Türkei entsenden, um den Rette- und Bergeeinsatz zu unterstützen. Zudem werden drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF) zur Verfügung gestellt.

Schweigeminute für Erdbebenopfer

Russland hat indes beiden Ländern Hilfe zugesagt. Auch US-Präsident Joe Biden hat Hilfeleistungen versprochen. "Ich habe mein Team angewiesen, die Situation in Koordination mit der Türkei weiterhin genau zu beobachten und jede notwendige Hilfe zu leisten", schrieb er auf Twitter. Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet zu schicken.

Auch Israel will der Türkei und Syrien humanitäre Hilfe leisten. Offiziell befinden sich Israel und Syrien im Krieg. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf Twitter, die Nato-Partner der Türkei seien bereit, Unterstützung zu mobilisieren. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York hielt am Montag eine Schweigeminute für die Opfer des schweren Erdbebens in Syrien und der Türkei ab. Papst Franziskus drückte wegen des Erdbebens mit zahlreichen Opfern sein Beileid aus.

Große Erdbebengefahr

Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

Die Spannungen zwischen den Kontinentalplatten entladen sich regelmäßig in Erdbeben. Eine Auswahl der schwersten in der Region.

Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben. (APA, Reuters, red, 6.2.2023)