Die USA hatten den Ballon, der tagelang über den USA geflogen war, am Sonntag vor der Atlantikküste von South Carolina mit einer Rakete abgeschossen.

Foto: AP/Chad Fish

Washington – Die Ballon-Causa mit China zieht weitere Kreise. Nach dem spektakulären Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons vor der Küste der USA räumte das Außenministerium in Peking am Montag ein, dass ein weiterer, über Kolumbien entdeckter Ballon ebenfalls aus China stamme. Unterdessen meldete auch Seoul die Sichtung eines nordkoreanischen Ballons im südkoreanischen Luftraum, der nicht als Bedrohung eingestuft wurde.

Laut Regierungskreisen soll es sich dabei um einen Wetterballon gehandelt haben. Zu dem über Kolumbien entdeckten Ballon sagte Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning ähnlich wie bei dem Vorfall mit dem Ballon über den USA, er sei durch das Wetter und begrenzte Steuerungsmöglichkeiten bei einem "Flugversuch" unabsichtlich in den Luftraum lateinamerikanischer Staaten eingedrungen. China habe die Länder informiert.

China: "Beziehung ernsthaft beschädigt"

Zuvor hatte China seine Kritik an den USA für den Ballonabschuss noch verschärft. Aus Protest bestellte das Außenministerium den Geschäftsträger der US-Botschaft in Peking ein. Wie das Außenamt mitteilte, sagte Vizeaußenminister Xie Feng bei der Begegnung am Sonntag, die USA hätten damit die Bemühungen und Fortschritte auf beiden Seiten, die Beziehungen seit dem Treffen von Chinas Staats-und Parteichef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden im November zu stabilisieren, "ernsthaft beeinträchtigt und beschädigt".

Das Eindringen des Ballons sei nur ein "Unfall" gewesen, der durch "höhere Gewalt" passiert sei. "Die Fakten sind klar und können nicht verdreht werden." Trotzdem hätten sich die USA "taub gestellt" und darauf bestanden, "Gewalt gegen ein ziviles Luftschiff zu missbrauchen, das dabei war, den Luftraum der USA zu verlassen". Es sei eine "offensichtliche Überreaktion" gewesen und verletze "den Geist des Völkerrechts und internationale Normen". Die chinesische Regierung behalte sich das Recht auf notwendige Reaktionen vor.

Bergung der Trümmerteile

Die USA hatten den Ballon, der tagelang über den USA geflogen war, am Sonntag vor der Atlantikküste von South Carolina mit einer Rakete abgeschossen. China wurde vorgeworfen, mit dem Ballon wichtige Militäreinrichtungen ausspionieren zu wollen. Die Regierung in Peking sprach dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der durch die Westwinddrift und wegen unzureichender Navigation weit vom Kurs abgekommen sei. Die gleiche Rechtfertigung wurde jetzt auch bei dem Ballon über Lateinamerika übernommen.

DER STANDARD

Nach dem Abschuss des Ballons über den USA läuft die Bergung der Trümmerteile. Die Bundespolizei FBI beteiligt sich an der Auswertung. Die Trümmer lagen rund elf Kilometer vor der Küste in relativ flachem Wasser. Taucher sind bereits vor Ort.

Die USA erhoffen sich von der Untersuchung Aufschluss über die technischen Fähigkeiten des Ballons. US-Präsident Biden hatte nach eigenen Angaben bereits am Mittwoch angeordnet, den Ballon "so schnell wie möglich" abzuschießen. Ein Risiko für die Menschen am Boden sollte aber ausgeschlossen werden. Daher sei entschieden worden, das Flugobjekt erst über dem Meer vom Himmel zu holen.

Mehrere US-Republikaner kritisierten Bidens Vorgehen scharf. Senator Thom Tillis aus North Carolina schrieb auf Twitter: "Jetzt, wo diese peinliche Episode vorbei ist, brauchen wir Antworten von der Biden-Regierung über den Entscheidungsprozess. Das kommunistische China durfte tagelang ungehindert die amerikanische Souveränität verletzen. Wir müssen auf künftige Provokationen und Übergriffe Chinas besser vorbereitet sein." Am 15. Februar soll der Senat in einer geheimen Sitzung unterrichtet werden.

Deutschland ist besorgt

Die deutsche Regierung reagierte besorgt auf die angespanntere Lage zwischen den USA und China. "Wir hoffen, dass der Vorfall nicht zu weiteren Spannungen beziehungsweise einer Eskalation im amerikanisch-chinesischen Verhältnis führen wird", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag in Berlin. Die Berichte über den Überflug des Ballons und den Abschuss seien mit Sorge zur Kenntnis genommen worden. Zur Sache und zu möglichen Hintergründen lägen keine eigenen Erkenntnisse vor.

Wie das deutsche Außenministerium mitteilte, wurde die Regierung in Berlin von der US-Regierung über diplomatische Kanäle über den aktuellen Fall auf dem Laufenden gehalten. Angaben dazu, ob mögliche ähnliche Vorfälle mit Ballons im deutschen Luftraum bekannt sind, wurden zunächst nicht gemacht. Das Innenministerium verwies darauf, dass die zuständigen Sicherheitsbehörden jegliche ausländische Spionage im Blick hätten.

Grundsätzlich sind mehrere Behörden für die Sicherheit des Luftraums über Deutschland zuständig, wie die Regierung erläuterte: Bis zur Flughöhe von 11.000 Metern ist es das Verkehrsministerium mit der Deutschen Flugsicherung, die auch den Betrieb von Wetterballons oder Wettersonden genehmigen muss. Bei über 11.000 Metern sei dann das Innenministerium zuständig und "im Zweifel" das Verteidigungsressort.

Eine Ministeriumssprecherin erläuterte, es gebe den "Dauerauftrag" der Luftwaffe für die Sicherheit im Luftraum – zum Beispiel auch mit "Alarmrotten", die aufsteigen könnten, falls der Funkkontakt zu einem zivilen Flugzeug verlorengeht. Überwacht werde die Sicherheit im Luftraum durch ein nationales Lage- und Führungszentrum.

Spionagealltag

Zwischen China und den USA ist Spionage Alltag. Schon früher hat China solche Beobachtungsballons über die USA geschickt, die nur einen Bruchteil der Überwachungsaktivitäten darstellen. Aus dem All observieren auch reihenweise Satelliten die Militäranlagen des Gegners. Cyber-Bataillone hacken sich auf beiden Seiten durchs Netz, Telekommunikation wird abgehört.

Auch Spione sind aktiv – klassisch nachrichtendienstlich oder wie im Falle Chinas auch gegen kritische Chinesen in den USA oder auf der Suche nach Industriegeheimnissen. Die USA fliegen mit Aufklärungsflugzeugen von US-Militärstützpunkten in Japan und den Philippinen vor die chinesische Küste. (APA, 6.2.2023)