Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) muss immer wieder unangenehme Entscheidungen treffen, wenn es um angebliche Spione aus dem Ausland geht

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So eine Entscheidung falle nicht leicht, und es sei "leider Gottes schon das dritte Mal, dass ich diesen Akt setzen muss", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Sonntag in der "ZiB 2".

Gemeint ist die Ausweisung von vier russischen Diplomaten, die in Österreich spioniert haben sollen. Bekannt wurde die Sache vergangenen Donnerstag. Vergeltungsmaßnahmen seien unvermeidlich, kommentierte der russische Botschafter in Österreich, Dmitri Ljubinski. Die dürften in den kommenden Tagen erfolgen, das erwarten zumindest Diplomaten.

Doch wie kommt es überhaupt zu solchen Ausweisungen? Prinzipiell werden alle Diplomaten geprüft, die andere Länder nach Österreich schicken. Schon da kommt es immer wieder zu ersten Ablehnungen der Akkreditierungen. Etwa wegen einschlägiger Erfahrungen, die andere Länder mit ihnen gemacht haben.

Die Dienste beobachten

Danach ist vor allem die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienste (DSN), also die Nachfolgeorganisation des Verfassungsschutzes, für die Abwehr von Spionage zuständig – außer es betrifft militärische Ziele, dann agiert das Heeresabwehramt (AbwA).

Wenn Auffälligkeiten zutage treten, kontaktiert die DSN das Außenministerium. Teils – manche sagen: großteils – erfolgt das nach Hinweisen von Partnerdiensten. Da sind meistens die Briten der erste Ansprechpartner, sie warnten etwa vor einem Bundesheer-Oberst, der später wegen Spionage für Russland verurteilt worden ist. Auch hinsichtlich eines langjährigen Verfassungsschützers, gegen den seit Jahren ermittelt wird, sollen die Briten erste Hinweise geliefert haben.

Großbritannien sei da quasi der Botschafter der englischsprachigen Nachrichtendienste. Unbestrittene Nummer eins bei der Auswertung von elektronischen Daten ist die National Security Agency (NSA) aus den USA, viele ihrer Methoden waren von Whistleblower Edward Snowden offengelegt worden. Die NSA überwacht Internetverkehr und filtert verdächtige E-Mails heraus, immer wieder stößt man da auf angebliche Spione.

Teils sammelt die DSN aber auch selbst Hinweise, da gibt es etwa eigene Teams für Observationen und Analyse. Zuständig ist zunächst einmal das "N" in ihrem Namen, also die nachrichtendienstliche Schiene. Bei den vier ausgewiesenen russischen Diplomaten soll es Fremd- und Eigenhinweise gegeben haben.

Stoßen die Dienste auf Verdächtige, würden die grundlegenden Erkenntnisse dem Außenministerium übermittelt und etwaige Reaktionen besprochen werden, heißt es von Involvierten. Wird die Entscheidung gefällt, Diplomaten auszuweisen, wird der jeweilige Botschafter informiert, danach wird eine offizielle sogenannte Verbalnote verschickt. Teils erfolgen die Vorgänge auch diskreter, dann wird eine Botschaft subtil davon überzeugt, Personal abzuziehen. Das ist vor allem bei verbündeten Staaten der Fall – denn auch die spionieren natürlich.

Die Krux mit der Polizei

Gab es bei den vier ausgewiesenen Diplomaten genug Beweise? DER STANDARD berichtete vergangenen Freitag, dass nur wenig "Hieb- und Stichfestes" gegen die Russen vorliege und Ermittlungsmaßnahmen erst jetzt gesetzt würden, das Außenministerium bezeichnete das als "absurde Behauptung".

Wo dieser Widerspruch herkommen könnte: Grundsätzlich muss zwischen nachrichtendienstlicher und polizeilicher Tätigkeit unterschieden werden; die DSN vereint ja beides durch ihre zwei Organisationsteile. Im Fall der vier Russen sollen viele nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorliegen – mehr als genug, um eine Ausweisung zu rechtfertigen.

Allerdings lassen sich solche Informationen nicht immer in polizeiliche, also strafrechtliche Ermittlungen "übersetzen". Manche Hinweise von Partnerdiensten dürfen gegenüber anderen Behörden nicht offengelegt werden, sind also nicht gerichtlich verwertbar; manche Indizienketten im Bereich der Gegenspionage lassen sich nicht mit staatsanwaltschaftlicher Beweisführung vergleichen. Im Fall der vier Russen führt die Staatsanwaltschaft Wien beispielsweise (noch) kein Verfahren.

Ähnliches zeigte sich etwa im Fall eines Griechen, dem Spionage für Russland in Wien vorgeworfen wurde: Während die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse umfassend sein sollen, wurde über den Diplomatensohn trotz augenscheinlicher Fluchtgefahr nicht einmal Untersuchungshaft verhängt. Auf ihn gestoßen sei die DSN eigentlich bei Ermittlungen im Bereich des internationalen Waffenhandels, erst bei einer Hausdurchsuchung wegen dieses Verdachts entdeckte man offenbar Indizien für Spionage. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 7.2.2023)