Auftakt des Faschings ist am 11. 11. um 11.11 Uhr. Zelebriert wird dies mit öffentlichem Quadrilletanzen am Stephansplatz. Während Ballveranstalter und Händlerinnen dieses Datum oft als Start des Faschings interpretieren, markiert es für mehr der Brauchtumspflege Verschriebene lediglich dessen Einleitung. Gilden etwa beginnen ab 11. November, ihre Faschingsveranstaltungen vorzubereiten. Über die Bühne gehen diese erst ab 7. Jänner, dem eigentlichen Faschingsbeginn. Eine kleine Feier zum Auftakt gibt es aber schon: Beim Narrenwecken der Gilden übernimmt eine Person die Rolle des Narren, der mit Musik aus der Ruhepause zurückgeholt wird – etwa in der Lugner City.

Bälle sind die charakteristische Wiener Ausdrucksform des Faschings. Mehr als 450 finden jährlich statt. Dass sie zu einem derart fixen Bestandteil wurden, ist auf einstige Entscheidungen bei Hofe zurückzuführen. Bis ins 17. Jahrhundert war es in Wien üblich, den Fasching maskiert auf den Straßen zu feiern. Der Obrigkeit war das Treiben aber offenbar nicht ganz geheuer: Der Brauch wurde immer wieder mit Verboten und Einschränkungen belegt, etwa durch Maria Theresia. So wurde immer mehr in Beisln und Palais gefeiert – statt mit Maskerade mit Tanz.

Mit einer Quadrille am Stephansplatz wird der Fasching am 11. November traditionell eingeläutet – auch wenn er eigentlich erst am 7. Jänner beginnt.
Foto: APA/Roland Schlager

Clownsnasen, Cowboyhüte, Charlestonkleider oder andere Kostüme und Faschingsaccessoires (freilich auch mit anderem Anfangsbuchstaben) sind in Wien in teils alteingesessenen Spezialgeschäften erhältlich, die ein Erlebnis für sich sind. Der Laden Ed. Witte an der Linken Wienzeile etwa wurde 1863 gegründet. In der Hochsaison für lange Warteschlangen bekannt ist der Familienbetrieb Faschingsprinz in der Taborstraße.

Dekoration in Form von Girlanden und Lampions in der eigenen Wohnung aufzuhängen ist in Wien nicht sehr verbreitet. Dies taten laut einer Umfrage zuletzt lediglich 13 Prozent der Teilnehmenden.

Fünfte Jahreszeit ist die alternative Bezeichnung für den Fasching. Das liegt daran, dass er den Lebensrhythmus in einigen Regionen stark beeinflusst. Beispiel: Mancherorts schließen am Faschingsdienstag, heuer am 21. Februar und traditionell Höhepunkt des Faschings, die Geschäfte – damit gefeiert werden kann. Tradition sind ausgelassene Feste an diesem Tag seit dem Mittelalter, wohl als Vorab-Entschädigung für die Entbehrungen der anstehenden Fastenzeit.

Bling bling in dö dö: Gildenpräsident Paul Herzog in Unform beim Heurigen Wolff, dem Stammlokal der Narren im 19. Bezirk.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

Gilden sind vereinsartige Gruppen, die traditionelle Faschingsveranstaltungen organisieren. Wien zählt derzeit sieben Gilden: zwei in Floridsdorf und je eine in Meidling, Währing, Döbling, Jedlersdorf und Unter St. Veit. Letztere wurde 1887 gegründet und ist somit die älteste – aber wie auch die Währinger Gilde nicht mehr sehr aktiv, sagt Brigitte Kreminger, Präsidentin des Gildenverbands für Wien und Burgenland. Österreichweit existieren mindestens 130 Gilden. "Manche bestehen aus zehn Personen, manche aus 100. Insgesamt machen also mehrere Tausend Personen mit."

Heringsschmaus wird am Aschermittwoch, heuer der 22. Februar, verspeist. An diesem Tag beginnt die 40-tägige Fastenzeit bis Ostern. In dieser sind nach christlicher Tradition Alkohol und Fleisch tabu, Fisch aber erlaubt. Das wird gleich zum Start des Fastens ausgenutzt: Serviert wird ein Mayonnaisesalat mit Heringsfilet, Erdäpfeln, Gurkerln und anderem Gemüse.

Junge Leute für Faschingsbrauchtum zu begeistern sei schwierig, sagt Gildenverbandschefin Brigitte Kreminger. In manchen Gilden betrage der Altersschnitt "75 Jahre aufwärts". Das muss nicht zwangsweise so sein: In Döbling etwa ist es gelungen, die junge Generation ins Boot zu holen. Gildenpräsident Paul Herzog, schon ein etwas älteres Semester, hat einen Stellvertreter und eine Vizepräsidentin, die erst in ihren 30ern sind. Das macht sich auch im Außenauftritt bemerkbar: Seit 2017 ist die Döblinger Gilde auf Instagram. Die Rekrutierung von Nachwuchs funktioniere vor allem darüber, dass die bestehenden rund 30 aktiven Mitglieder Bekannte und Freunde mitbringen, erzählt Herzog. "So sichern wir ab, dass Neue eine Bezugsperson haben und eher bleiben."

Die besten Faschingskrapfen Wiens sind laut einem Test bei der Kurkonditorei Oberlaa zu haben.
Foto: APA/Barbara Gindl

Krapfen mit Top-Geschmack bäckt laut Gault-Millau die Kurkonditorei Oberlaa. Deren Marmeladekrapfen um 2,30 Euro zeichnete der Restaurantführer als die besten Wiens aus. die K. u. K. Hofzuckerbäckerei Demel schaffte es nur auf Rang drei. Erfunden worden sein soll das Gebäck 1690 in der Naglergasse im ersten Bezirk: Der Legende nach warf eine Zuckerbäckerin im Zorn ein Stück Germteig nach einem Lehrling, traf aber eine Pfanne mit heißem Fett.

Lei lei heißt es zur Faschingszeit in Villach zur Begrüßung – zumindest unter den Mitgliedern der Faschingsgilde. Jede Gilde hat ihre eigene Grußformel: Die Döblinger etwa sagen "Dö dö, bling bling", die Meidlinger "Mei mei" und die Jedlersdorfer "Urli urli".

Maskenbälle werden auch Redoute genannt. Ein traditionsreiches Beispiel dafür ist die Rudolfina-Redoute in der Hofburg. Sie wird in Ballgarderobe besucht, Damen tragen zusätzlich eine Maske, die die Augen verdeckt. Im Unterschied dazu heißen legerere Kostümfeste Gschnas. In Wien sind damit im engeren Sinne die einstigen, heute als legendär geltenden Feiern der bildenden Künstler, etwa im Künstlerhaus, gemeint.

Narrenverbrennen ist ein Brauch, mit dem der Fasching beendet wird. Am späten Abend des Faschingsdienstags wird eine Strohpuppe, die den Fasching symbolisiert, unter lautstarkem Wehklagen der Gilden und bei Gesang und Musik verbrannt.

Orden – allerdings keine echten, sondern stilisierte – tragen die Mitglieder von Faschingsgilden traditionell auf ihren Uniformen, die sie bei offiziellen Anlässen und Auftritten ausführen. Ursprünglich sollten die Faschingsorden die Geltungssucht von Personen des öffentlichen Lebens lächerlich machen. Heute dienen sie mehr als Erinnerungs- und Ehrenzeichen. Ganz wegzubekommen sind die Wurzeln allerdings nicht, wie der Döblinger Gildenpräsident Herzog erzählt: "Ich weiß von Leuten, die Faschingsorden am Opernball ausgeführt haben."

Einst Mittel zum Spott, heute Zeichen der Ehre: die Faschingsorden.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

Prinz und Prinzessin werden dem Präsidenten oder der Präsidentin einer Faschingsgilde zur Seite gestellt, um repräsentative Aufgaben zu übernehmen.

Rosenmontag heißt der heute auf den 20. Februar fallende Tag vor dem Faschingsdienstag. Während er in Wien kaum Bedeutung hat, wird er in anderen Regionen Österreichs, etwa im oberösterreichischen Ebensee, und in deutschen Karnevalshochburgen groß mit Umzügen feiert.

Sitzung werden die Aufführungen der Gilden genannt. In der Regel setzen sie sich aus Sketches und Parodien zusammen. In der Döblinger Gilde ist man stolz, sämtliche Nummern selbst zu schreiben und eine eigene Band zur musikalischen Untermalung zu haben. Fixer Bestandteil jeder Sitzung im 19. Bezirk ist zudem ein Männerballett.

Trinkfestigkeit erfordere der Fasching in gewissem Maße schon, räumt Gildenpräsident Paul Herzog ein. "Früher sind wir am Faschingsdienstag von Geschäft zu Geschäft gezogen. In jedem gab es Bier, ein Achterl oder ein Schnapserl. Und Spenden für die Gilde." Mit dem Sterben kleiner inhabergeführter Läden habe sich das aufgehört. Die Döblinger Gilde ist übrigens selbst Ergebnis einer b'soffenen G'schicht: In den Morgenstunden eines Döblinger Balls Ende der 1970er-Jahre sprach der damalige Bezirksvorsteher-Stellvertreter Ludwig Müller (ÖVP) die Idee aus, eine Faschingsgilde zu gründen – und setzte dies tatsächlich in die Tat um. Gründungsmitglied war übrigens Gerhard Wolff, damals Inhaber des gleichnamigen Heurigen in Neustift am Walde. Dort finden noch heute die Treffen der Gilde statt.

Eine Zusammenkunft der Döblinger Faschingsgilde in den frühen 80er-Jahren. Gegründet wurde sie 1978 infolge einer b'soffenen G'schicht.
Foto: Döblinger Faschinsgilde

Umzüge haben in Wien, auch wenn sie heute in den Hintergrund getreten sind, eine gewisse Tradition. Nachweisen lassen sie sich ab Ende des 18. Jahrhunderts. Eine Parade in großem Stil fand ab 1983 an Faschingssamstagen am Ring statt, Veranstalter war ein eigener Verein in der Wirtschaftskammer. Diese zog sich 1994 allerdings zurück. Daraufhin veranstalteten Gilden und Landesverband in jährlich wechselnden Bezirken Umzüge. "Das hat aber nur ein paar Jahre funktioniert, dann war es nicht mehr finanzierbar", sagt Verbandschefin Kreminger. Die Kosten für Straßensperren und dergleichen seien zu hoch gewesen. Wieder aufgenommen wurde die Tradition in Simmering: Seit Mitte der 2010er-Jahre veranstaltet der Landesverband mit Unterstützung des Bezirks am Faschingssamstag einen Umzug in der Simmeringer Hauptstraße. Start ist heuer am 18. Februar um 14 Uhr bei der U3-Endstation Simmering. Bereits am 12. Februar findet ein Umzug der Kinderfreunde im Prater statt, Treffpunkt ist um 14 Uhr am Riesenradplatz.

Witz, Schmäh und Humor sind Kernbestandteile der Faschingszeit. In welcher Form sie Ausdruck finden, hängt stark von den Protagonisten ab. Die Döblinger Gilde sieht sich etwa in der Tradition des Wiener Kabaretts, eine Sitzung ähnle einer Simpl-Revue, sagt Paul Herzog. Ein guter Witz rege sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken an. Und er solle weder rassistisch noch frauenfeindlich zu sein: "Es ist gar nicht so leicht, so einen Witz zu finden."

Zahl der Narren – also jener Menschen, die heute im Fasching Heiterkeit verbreiten – ist die Elf. Bereits im Mittelalter gab es Narren: Sie fungierten als Unterhalter und Kritiker der Herrschenden. Zum Konnex der Elf mit den Narren kursieren verschiedene Erklärungen. Die verbreitetste: Die Elf symbolisiere Sünde sowie Maßlosigkeit (weil sie die Zehn und somit die zehn Gebote überschreitet) und dränge sich deshalb als Glückszahl der Narren, die aufgrund ihrer Rolle gewissermaßen eine Antithese zur christlichen Welt verkörpern. (Stefanie Rachbauer, 8.2.2023)