Auch heute kommen PFAS – von denen es mehr als 4.000 bekannte einzelne Verbindungen gibt – noch in besonders wasserabweisender Outdoorkleidung und vielen anderen Materialien vor.
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Sie sind praktisch, aber auch widerspenstig: Die Stoffgruppe der PFAS – gesprochen "P-Fas" und kurz für "per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen" – findet sich in etlichen Produkten wieder, von Regenjacken über Fastfood-Verpackungen bis hin zu Schminke. Die Verbindungen sorgen für schmutz-, öl- und wasserabweisende Eigenschaften. Doch das lange Leben der PFAS, in dieser Hinsicht quasi die Vampire unter den Chemikalien, hat einen hohen Preis. Auf natürlichem Weg bauen sie sich nicht ab, reichern sich in der Umwelt und auch im menschlichen Körper an und können toxische Wirkungen entfalten.

Um das zu vermeiden, haben fünf EU-Staaten einen Antrag bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA eingereicht, der am Dienstag vorgestellt wurde. Dieser gemeinsame Antrag von Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden zielt auf ein weitgehendes Verbot der ganzen Materialgruppe ab, die derzeit mehr als 4.000 Verbindungen umfasst.

Ein Novum, wie der Toxikologe Martin Göttlicher von der Technischen Universität München betont: Ihm zufolge ist es "zwar neu, aber dem Thema angemessen, dass mit einem Antrag eine ganze und sehr große Substanzklasse" nach der entsprechenden EU-Schutzverordnung reguliert werden soll.

Gesundheitliche Bedenken

Die Stoffgruppe, die manchmal auch als PFC abgekürzt und häufig als "Ewigkeitschemikalien" bezeichnet wird, spielt nicht nur in Textilien, Make-up und beschichtetem Papier, sondern auch bei anderen Schmier- und Imprägniermitteln, die etwa Smartphones und Solarpaneele schützen, sowie Löschschaum eine Rolle. Die PFAS-Produktionsmengen sind mit mehr als 100.000 Tonnen pro Jahr in der EU sind sehr groß. Bisher sind nur drei Stoffe offiziell als schädlich eingestuft und werden entsprechend reguliert und überwacht.

Studien haben gezeigt, dass eine höhere Belastung etwa mit einem höheren Krebsrisiko und Entwicklungsstörungen bei Babys einhergeht. Da sich PFAS im Grundwasser sammeln können, gelangen sie etwa durch bewässertes Obst und Gemüse in die Nahrungskette von Tieren und Menschen. Und weil die Verbindungen ungern an anderen Stoffen haften, sind sie auch schwierig zu entfernen. Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien zufolge gibt es auch Hinweise darauf, "dass ein Viertel der Jugendlichen in Österreich höher belastet sind, als man sich das wünschen würde".

Schlechter Ersatz

Den neuen Antrag begrüßt Umweltwissenschafter Gabriel Sigmund von der Universität Wien: "PFAS als Substanzklasse in ihrer Produktion und Nutzung einzuschränken und vom Markt zu nehmen ist in meinen Augen der einzige gangbare Weg, um eine 'regrettable substitution' zu vermeiden", sagt der Forscher. Mit diesem Begriff wird ein Vorgehen beschrieben, das sich schon in der Vergangenheit oft gezeigt hat: Ein problematisches Mittel wird verboten, aber die Alternativen sind oft nicht besser – und bis diese wiederum gesetzlich eingeschränkt werden, kann viel Zeit vergehen.

Dies geschah mitunter nach dem Verbot des PFAS-Stoffs PFOA, dem die Substanz GenX folgte. Tierversuche zeigten, dass GenX ähnliche gesundheitliche Probleme verursachen dürfte wie PFOA, welches lange Zeit zur Herstellung von Teflon – Pfannenbeschichtung der US-Firma DuPont – verwendet wurde. Es kommt in Lebensmittelverpackungen, Reinigungsmitteln, Outdoorkleidung und Löschschaum vor.

Entfernung schwierig

Die Forschung hat zuletzt einige Fortschritte errungen, was das Zerstören der "ewigen Chemikalien" angeht. So konnten im Labor gewisse Moleküle doch etwas einfacher als sonst – durch Verbrennung bei hohen Temperaturen – aufgebrochen werden. Zu der Langlebigkeit trägt bei, dass die namensgebende Verbindung zwischen Kohlenstoff und Fluor die stärkste organische Bindung darstellt, die es gibt.

Die neuen Verfahren sind allerdings nur bei Hotspots umsetzbar. Verunreinigte Böden werden aktuell eher ausgegraben und verbrannt – auch aus Kostengründen. Bei großflächigen Kontaminationen ist dies kaum möglich. PFAS sammeln sich nicht nur in Böden an, sie landen durch den Wasserkreislauf oft in Grundwasser und in Meeren und wurden weltweit nachgewiesen. "Die wissenschaftliche Evidenz ist hier klar im Sinne eines weitreichenden Verbots der Substanzklasse als Ganzes zu beurteilen", sagt Sigmund.

Übergangsfrist

In den vergangenen Jahren haben die Behörden der Länder, die den Verbotsantrag eingereicht haben, die Risiken genau untersucht und Informationen aus der Industrie zur Verwendung der Stoffe berücksichtigt. Innerhalb von zwölf Monaten wird der Antrag nun von den wissenschaftlichen Komitees der Chemikalienagentur ECHA geprüft. Danach wird er bei der Europäischen Kommission eingereicht.

Mit den EU-Mitgliedsstaaten wird anschließend entschieden, ob es zu einem solchen Verbot kommt. Damit würden Herstellung, Vertrieb und Nutzung von PFAS extrem eingeschränkt werden. "Realistisch und vertretbar ist das Votum für eine längere Übergangsfrist", sagt Göttlicher. Diese soll zwischen 18 Monate und 12 Jahre betragen.

Doch nicht "ewig"?

Die Substanzen dürften dem Experten zufolge eventuell für begrenzte Zeit und eingeschränkte Anwendungsfelder weiter in Verkehr gebracht werden, "wenn der sozioökonomische Nutzen überwiegt und keine Alternativen zu Verfügung stehen". Für etliche Anwendungen gibt es bereits Ersatz. Doch die Palette ist breit und manche Alternativen müssen erst noch entwickelt werden.

Kritisch äußerte sich der Chemiker Andreas Schäffer von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Das Ausschließen von "vollständig abbaubaren" PFAS sei eine irreführende Formulierung im Vorschlag. "Abbaubare fluorierte Chemikalien, die so hergestellt wurden, dass sie chemische 'Sollbruchstellen' enthalten, lassen kleinere Fragmente entstehen, die noch fluorierte Bausteine enthalten und als persistente, nicht abbaubare Fragmente verbleiben", sagt Schäffer. Dies würde also für den Abbau des Ursprungsstoffs sorgen, aber nicht für eine Lösung des Problems.

Medizin und Lobbyismus

Dennoch ist der Experte zeitlichen Ausnahmeregelungen gegenüber prinzipiell aufgeschlossen – und zwar in Bezug auf die Anwendung. "Für notwendige medizinische Anwendungen wie künstliche Herzklappen, für die es derzeit keine alternativen Chemikalien mit entsprechenden Eigenschaften gibt, wäre eine Ausnahmeregelung sinnvoll", sagt Schäffer.

Im Vorschlag, der nun von der ECHA geprüft wird, sind mögliche Ausnahmefälle aber weit gefasst, kritisiert der Wissenschafter. Sie könnten auch für Zusatzstoffe in Pestiziden gelten, die auf Äckern ausgebracht werden und in Nahrungsmitteln und Grundwasser landen. Obwohl es bereits seit längerer Zeit Hinweise auf toxische Wirkungen von PFAS in größeren Mengen gibt, wurden sie nur selten und verzögert reguliert. Dies liegt Schäffer zufolge zumindest teilweise an der Manipulation durch Herstellerfirmen: Derartige medizinische Befunde seien "durch Lobbyarbeit bei den nationalen Behörden in Frage gestellt" worden, um die Gefahreneinstufung der Verbindungen herabzusetzen. (Julia Sica, 7.2.2023)