Werner Kogler: "Die Kritik des IOC an den Boykottüberlegungen der Ukraine ist zurückzuweisen".

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Wien – Der Sport steht vor einer Zerreißprobe auf höchster sportlicher und politischer Ebene. "Es ist für ukrainische Athletinnen und Athleten schlichtweg unzumutbar, im Kampf um Medaillen gegen russische und belarussische Sportler:innen anzutreten", beantwortet Sportminister Werner Kogler eine dementsprechende Anfrage des STANDARD. Der Vizekanzler stellt sich damit gegen das Österreichische Olympische Komitee (ÖOC).

So wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte sich auch Peter Mennel, der Generalsekretär des ÖOC, im STANDARD-Interview für eine Teilnahme russischer bzw. belarussischer Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris ausgesprochen. "IOC-Meinung ist: Keine Athletin, kein Athlet sollte nur aufgrund seines Passes an der Teilnahme gehindert werden. Diese Einschätzung teilen wir als ÖOC", sagte Mennel.

Kogler kann sich der Betrachtungsweise des ÖOC nicht anschließen: "Ein derart eklatanter Bruch des Völkerrechts muss Konsequenzen und Sanktionen in allen Bereichen nach sich ziehen. Bei allem Verständnis für die Situation des oder der einen oder anderen der russischen oder belarussischen Athlet:innen – mein Mitgefühl gilt in allererster Linie den Familien jener ukrainischen Sportler:innen – es sollen bis dato rund 220 sein –, die auf dem Schlachtfeld oder durch russische Angriffe auf die zivile Infrastruktur ihr Leben lassen mussten."

Forderung nach Solidarität mit der Ukraine

Bereits am 31. Oktober des Vorjahres habe Kogler gemeinsam mit 23 Amtskolleginnen und Amtskollegen aus der Europäischen Union "bei gleichzeitiger Anerkenntnis der Autonomie des Sports der Sorge Ausdruck verliehen, dass die unter anderem auch vom IOC in seinem Statement vom 28. Februar vertretene Sichtweise betreffend Sanktionen gegen Sportler:innen aus Russland und Belarus nunmehr von manchen Sportorganisationen infrage gestellt wird".

Der IOC-Vorstand wurde in jenem Schreiben aufgerufen, "den internationalen Sportverbänden weiterhin zu empfehlen, russische und belarussische Athlet:innen nicht zu internationalen Wettkämpfen einzuladen". Darüber hinaus werde die olympische Bewegung "dazu ermutigt, weiterhin Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zu zeigen und sich mit Nachdruck gegen die russische Aggression zu stellen, bis dieser Akt der Barbarei überwunden ist".

Zuletzt hatte das IOC eine Boykottdrohung der Ukraine für die Sommerspiele 2024 verurteilt. Die Drohung verstoße gegen die Grundlagen der olympischen Bewegung. Das Nationale Olympische Komitee der Ukraine teilte mit, die Arbeit gegen eine Teilnahme russischer und belarussischer Sportler an Olympia weiter entschlossen voranzutreiben. Wenn es trotz größter Anstrengungen nicht gelinge, einen Ausschluss von Russen und Belarussen zu erreichen, werde ein Boykott thematisiert.

Kritik an der Kritik des IOC

"Die Kritik des IOC an den Boykottüberlegungen der Ukraine ist zurückzuweisen", sagt Kogler. Ein großer Teil der russischen und belarussischen Aktiven seien Armeeangehörige. "In Tokio wurden 45 von 71 Medaillen von Armeeangehörigen gewonnen. Bei den Winterspielen in Peking hat ein Drittel der Teilnehmer:innen des Teams des Russischen Olympischen Comités in der Armee gedient."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte am Sonntag in seiner täglichen Videoansprache, dass Sportler aus Russland bei Olympischen Spielen und internationalen Wettkämpfen "nichts zu suchen" hätten: "Wir setzen unseren diplomatischen Marathon fort, um den Kreml daran zu hindern, den Weltsport und die olympische Bewegung für seine Propaganda zu nutzen." (Philip Bauer, Fritz Neumann, 7.2.2023)