Games sind mittlerweile im Massenmarkt angekommen. Allerdings nicht in Form von komplexen Global-Strategy-Spielen mit akkuratem historischen Kontext auf dem liebevoll ausgerüsteten Gaming-PC, sondern als Mobile Games auf dem Smartphone, die auf den ersten Blick gratis sind, tatsächlich aber den Spielerinnen und Spielern durch Mikrotransaktionen und psychologische Tricks das Geld aus der Tasche ziehen oder ihnen durch lästige Werbung die Zeit stehlen.

Marketing ist alles!

Wie sieht es aus, wenn ein sonst auf kleine, aber feine Spiele spezialisierter Indie-Publisher in dieses Feld einsteigt? Die Antwort auf diese Frage liefert Devolver mit dem Mobile Game "Devolver Tumble Time", das in der Presseaussendung mit den Worten "Achtung, allesamt aufgepasst! 'Devolver Tumble Time' jetzt auf das eigene Mobilgerät laden, sofort!" beworben wird.

Nicht weniger fürchterlich ist der nachstehende Trailer, und auf der Website können interessierte Personen einen nicht sonderlich seriösen "Persönlichkeitstest" machen, bei dem sie unter anderem völlig grundlos die eigenen Kreditkartendaten hinterlassen müssen.

DevolverDigital

Ein Spiel, das sich an den Benchmarks orientiert

Nun ist Marketing freilich wichtig, doch worum geht es eigentlich im Spiel per se? Lädt man dieses – gratis! – im iOS App Store oder bei Google Play herunter, so wird man anschließend durch ein Tutorial geleitet, welches das Spielkonzept erklärt: In einem Glücksrad befinden sich Symbole, die angetippt werden können. Liegen entsprechende Symbole nah beieinander, so explodieren sie. Eine bestimmte Anzahl von Symbolen muss auf diese Art zum Verschwinden gebracht werden. Dafür hat man jeweils 60 Sekunden Zeit.

Klingt vertraut? Aber keine Sorge, das ist noch längst nicht alles! Außerdem kann freilich jeder Erfolg auf Social Media geteilt werden, wie es sich gehört. Und es gibt ein ausgeklügeltes System des Spielefortschritts, bei dem schrittweise Lieblingscharaktere aus verschiedenen anderen Spielen des Indie-Publishers freigeschaltet werden.

Es geht ums Geld – was sonst?

Und es geht noch weiter! Der Publisher verspricht außerdem "endlose Upgrade-Stufen", und natürlich gibt es Belohnungen für tägliche Logins. Das erfährt man vom fiktiven CFO des Unternehmens, der den Spieler regelmäßig mit Briefen bombardiert, in denen zum Geldausgeben oder zum Nutzen einer dubiosen Glücksspielmechanik überredet werden soll. Loot Boxen gibt es freilich auch, nur stehen sie bei "Devolver Tumble Time" aus wie Mülltonnen.

Außerdem besteht die Möglichkeit zum Sammeln weiterer Objekte, und hier hat man sich gar nicht erst bemüht, den Glücksspielaspekt zu verheimlichen: Die freizuschaltenden Felder sehen aus wie Rubbellose. Will man mehr als eines freirubbeln, so muss man sich zeitraubende Werbung für skurrile andere Mobile Games ansehen, die es gar nicht gibt. Auch ist es möglich, verschiedene Vorteile und Funktionen gegen Echtgeld freizuschalten – der Publisher brüstet sich damit, für diesen Zweck "mehr als 14 verschiedenen Arten von Ingame-Währungen" geschaffen zu haben.

Fazit: Endlich ein ehrliches Handyspiel

"Devolver Tumble Time" ist eine komplette Katastrophe, und ich liebe es. In sehr kurzweiligen Sessions wird alles durch den Kakao gezogen, was an erfolgreichen Mobile Games nervt. Oft kommen einem die verschiedenen Animationen und Aktionen wie Übertreibung vor – nur damit man sogleich feststellt, dass andere Publisher derartige Konzepte durchaus ernst nehmen und damit auch Geld verdienen. Kurzum, eine bessere satirische Umsetzung eines Mobile Games hat es seit "Make More" nicht mehr gegeben.

Das ist doch Satire ... oder? (Stefan Mey, 7.2.2023)