"Hogwarts Legacy" entführt in die Welt der legendären Zauberschule.

Foto: Avalanche Software

Das neue Blockbusterspiel "Hogwarts Legacy" ermöglicht das virtuelle Eintauchen in die legendäre Zauberschule, überzeugt auch im STANDARD-Test durch die gelungene Atmosphäre und bietet zig Stunden an Spielmaterial. Getrübt wird die Freude aber durch Kritik an "Harry Potter"-Erfinderin Joanne K. Rowling. Die Bestsellerautorin hatte einige Tweets veröffentlicht, die als transfeindlich kritisiert worden waren. Ist das Grund genug, das Spiel zu boykottieren?

Pro

Es spielt keine Rolle, inwiefern Rowling in die Erstellung von "Hogwarts Legacy" involviert war – Fakt ist, dass ein Kauf dieses Spiels Geld in die Taschen einer Autorin spült, die von vielen als feindselig gegenüber transsexuellen Menschen empfunden wird. Doch es regt sich noch weitere massive Kritik: Die geldgierigen Goblins, kleine Kobolde, würden als listige Banker mit Hakennase und Segelohren dargestellt – das erinnere an antisemitische Karikaturen.

Hinzu kommt, dass auch die Entwicklung des Spiels per se von Skandalen begleitet war. So wurde einer Führungskraft etwa vorgeworfen, drei Jahre lang Beschwerden über sexuelle Belästigung ignoriert zu haben. Der Verantwortliche hat das Unternehmen inzwischen verlassen, der Schmutz bleibt am Zauberlehrlings-Umhang dennoch kleben.

Mittlerweile haben sich zahlreiche einstige Wegbegleiter Rowlings – darunter "Harry Potter"-Darsteller Daniel Radcliffe – von der Autorin distanziert, und die Fans sollten diesem Beispiel folgen. Um ein klares Zeichen zu setzen, dass für derartige Skandale und ein solches Weltbild in unserer Welt kein Platz ist. Und weil es ohnehin nicht an guten Alternativen mangelt, mit denen man seine Freizeit verbringen kann.

Kontra

Im Kern geht es hier um die Aussagen einer Person, die zwar an "Hogwarts Legacy" Geld verdient, in dessen Produktion aber nicht aktiv involviert war. Dass sich also transfeindliche Inhalte in dem Spiel finden, ist stark anzuzweifeln. Vielmehr findet man sich hier in einer Welt wieder, die auf den Romanen einer kreativen Autorin basiert. Einer Welt, die Kinder und Jugendliche seit über 20 Jahren fasziniert und ihre Fantasie beflügelt. Diese Welt ist Rowlings Erbe, und ihre Schönheit wird nicht von ihrem gegenwärtigen Verhalten getrübt. Das Werk ist getrennt von der Werkschaffenden zu betrachten.

Mehr noch: Wenn wir "Hogwarts Legacy" boykottieren, um ein Zeichen gegen Missstände in der Branche zu setzen, wo ziehen wir dann die Grenze? Nicht selten kommt es vor, dass der Spielspaß der Gamerinnen und Gamer von den Personen hinter dem Spiel bezahlt wird, in Form von katastrophalen Arbeitsverhältnissen und unbezahlten Überstunden. Müssen all diese Spiele boykottiert werden? Oder bestraft man dadurch nicht letztlich auch jene guten Seelen, die ihr Herzblut in diese Produkt gesteckt haben? Schön sind diese Welten auf jeden Fall, und daher sollten wir sie auch weiterhin in unser Leben lassen – unabhängig von den Äußerungen einzelner Personen, die in keinem Kontext zum eigentlichen Werk stehen.

(Stefan Mey, 7.2.2023)