Hört man im Wald ein Heulen, denken die meisten wohl automatisch an einen Wolf. Tatsächlich kommunizieren Wölfe häufig über diese klagenden, langgezogenen Laute. Die Tiere nutzen sie für die Fernkommunikation, um Reviergrenzen zu markieren, und auch, um die Position anderer Rudelmitglieder zu bestimmen, die in den meisten Fällen ebenfalls mit Heulen antworten.

Klar ist auch, dass es sich beim Heulen nicht um simple Äußerungen handelt, wie Forschende vom "Wolf Science Center" im niederösterreichischen Ernstbrunn schon vor Jahren herausgefunden haben. Beispielsweise stellte sich heraus, dass Wölfe unterschiedlich stark heulen, je nachdem, welches Rudelmitglied gerade nicht in der Gruppe weilte.

Die neue Studie zeigte, dass Hunderassen, die dem Wolf genetisch sehr ähnlich sind, eher dazu neigen, auf die Aufnahmen des Wolfsgeheuls selbst mit eigenem Heulen zu antworten. Dazu zählen vor allem auch Huskies und verwandte Rassen.
Foto: Gáti Oszkár Dániel

Heuler oder Beller

Auch einige Hunde nutzen noch die Heulsprache. Die meisten Rassen allerdings haben sie in den vergangenen Jahrtausenden verlernt, obwohl sie anatomisch dazu durchaus in der Lage sind. Warum das so ist, wollten nun ungarische Forschende herausfinden. Im Kern ihrer Untersuchungen standen zwei Fragen: Gibt es Hunde, die eher dazu neigen, auf Heulen zu antworten? Und sind diese Hunde den Wölfen genetisch näher?

Antworten sollte eine Reihe von Experimenten liefern, an denen 68 reinrassige Vierbeiner teilgenommen haben. Das Team um die Verhaltensforscherin Fanni Lehoczki von der Eötvös-Lorand-Universität (ELTE) in Budapest hat den Hunden dafür Wolfsgeheul vorgespielt und ihre Reaktionen genau beobachtet. Parallel dazu wurden die verschiedenen Rassen nach genetischen Ähnlichkeiten zu Wölfen analysiert.

Näher am Wolf, näher am Heulen

Die im Fachmagazin "Communications Biology" vorgestellten Ergebnisse lieferten keine große Überraschung: Tatsächlich neigten jene Hunderassen, die dem Wolf genetisch sehr ähnlich sind, eher dazu, auf das Wolfsgeheul mit eigenem Heulen zu antworten. Vom Wolf entfernter verwandte, "modernere" Hunderassen reagierten hingegen eher mit Bellen.

Die genetische Distanz zum Ahnen bestimmt das Heulverhalten.
Grafik: Fanni Lehoczki, Tamás Faragó, Gáti Oszkár Dániel

"Es scheint, dass das Heulen zwar im Repertoire der meisten Rassen vorhanden ist, aber aufgrund des veränderten sozialen Umfelds seine Funktion verloren hat", sagte Lehoczki. "Wir gehen davon aus, dass ältere Rassen, die genetisch näher am Wolf sind, im Wolfsgeheul kodierte Informationen besser verarbeiten können als moderne Rassen", ergänzt Tamás Faragó von der ELTE. "Daher könnten die alten Rassen unserer Studie durch das Eindringen in das Territorium eines Rudels gestresst werden und das Heulen zur Vermeidung einsetzen, genau wie Wölfe es tun." Entsprechende Anzeichen für Stress, die bei den heulenden Rassen beobachtet wurden, würden dies bestätigen.

Video-Abstract: Der Ruf der Wildnis
Family Dog Project Research Group

Ein Ausdruck der Angst

Was die Forschenden jedoch tatsächlich ein wenig überraschte, war folgender Befund: Bei den Experimenten trat die Reaktion wolfsähnlicher Rassen auf das Heulen nur bei älteren Hunden ab fünf Jahren auf. Es sei möglich – so das Team – , dass das Heulen vor allem auch eine Angstreaktion ist und dass ältere Hunde in der entsprechenden Situation ängstlicher sind. Das habe sich schon in früheren Studien angedeutet. Um das zu prüfen, seien aber weitere Untersuchungen nötig.

Neben der Rasse und dem Alter des Hundes wurden auch die Auswirkungen anderer Merkmale wie Geschlecht und Fortpflanzungsstatus untersucht. "Dabei haben wir festgestellt, dass das männliche Sexualhormon eine Rolle spielen könnte", sagte Lehoczki. Die Forschenden fanden keinen Unterschied zwischen unkastrierten und kastrierten Hündinnen. Unkastrierte und kastrierte Rüden verhielten sich dagegen sehr wohl unterschiedlich: Letztere, denen es an Testosteron mangelte, heulten als Reaktion auf die Wolfsgeheulaufnahmen mehr.

Auch die Kleinen versuchen sich schon im Heulen. Als Reaktion auf Wolfsgeheul tritt diese Lautäußerung zumeist aber erst bei älteren Hunden auf.
Foto: Gáti Oszkár Dániel

Durch die Nähe zum Menschen verlernt

Da man annimmt, dass kastrierte Rüden ängstlicher sind, würde das mit den übrigen Beobachtungen zusammenpassen. Geheul bei Hunden könnte also vor allem auch bedeuten: "Ich habe Angst, komm nicht näher!" Die Studienergebnisse stützen die Hypothese, dass die Domestizierung und die selektive Zucht durch den Menschen das stimmliche Repertoire der Hunde grundlegend verändert haben. Das betrifft insbesondere sowohl die Wahrnehmung als auch der eigene Einsatz der Heulsprache bei Haushunden. (tberg, red, 7.2.2023)