Delfine können es ebenso wie Elefanten und Affen, und sogar Elstern sind dazu in der Lage, sich selbst im Spiegel zu erkennen. Aber Fische? Tatsächlich dürften auch zumindest Putzerfische es schaffen, ihr Spiegelbild als das zu erkennen, was es ist. Das haben schon frühere Untersuchungen nahegelegt, und eine neue Studie eines Teams um Masanori Kohda von der Städtischen Universität Osaka (Japan) konnte das untermauern. Dabei zeigte sich auch, dass Putzerlippfische zwischen bekannten und unbekannten Artgenossen unterscheiden können. Ob sie ein tatsächliches Selbst-Bewusstsein besitzen, ist allerdings fraglich.

Blaustreifen-Putzerlippfische sind beliebte Aquarienfische.
Foto: REUTERS/Arnd WIegmann

Bei der aktuellen Untersuchung wurden Blaustreifen-Putzerlippfische (Labroides dimidiatus) an der Kehle so mit Farbe markiert, dass sie dies nur beim Blick in einen Spiegel sehen konnten. Nach Angaben der Forscher versuchten die bei Aquaristen beliebten Meeresfische daraufhin, die Flecken von ihrer Haut zu entfernen. Noch verblüffender: Selbst wenn sie nur ein Foto von sich mit befleckter Kehle sahen, hätten sie versucht, die Markierung an einer Oberfläche abzuwischen, berichten die Forschenden im Fachjournal "Pnas".

Andere Fotos, andere Reaktion

Dass sie sich selbst erkannt haben dürften, belegt eine andere Versuchsanordnung: Wurden den Versuchstieren Fotos von anderen Putzerlippfischen mit der Markierung gezeigt, versuchten sie nicht, den Makel loszuwerden. Außerdem zeigten die Fische bei Bildern von fremden Artgenossen tendenziell ein aggressiveres Verhalten als gegen sich selbst – etwa indem sie versuchten, den abgebildeten Fisch zu beißen.

Die Ergebnisse der Tests wertet das Forschungsteam als neuerlichen Beleg dafür, dass sich die Putzerlippfische sowohl im Spiegel als auch auf Fotos selbst erkennen können – und somit über eine überraschend ausgeprägte Form der Selbstwahrnehmung verfügen.

In freier Natur sind Putzerlippfische in der Reinigungsbranche tätig.
Foto: Silke Baron

Servicestationen für Raubfische

Hintergrund dieser Fähigkeit könnte den Forschenden zufolge – wie auch bei anderen Arten – das Leben in stabilen sozialen Gruppen sein. Dort ist es wichtig, zwischen vertrauten Individuen unterscheiden zu können. Putzerlippfische leben in den Ozeanen von Parasiten auf der Haut anderer Fische. Sie unterhalten an Riffen regelrechte Putzstationen, zu denen immer wieder dieselben Tiere für eine Hautreinigung kommen. Dazu zählen auch Raubfische, die die Putzkolonne gezielt verschonen, selbst wenn die Putzerlippfische in ihrem geöffneten Maul nach Futter suchen.

Schon 2019 hatte ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und der Universität Konstanz im Fachblatt "PLOS Biology" über Spiegeltests an Fischen der Art berichtet. "Unsere Beobachtungen lassen nur wenig Zweifel, dass dieser Fisch mit seinem Verhalten alle Kriterien für einen bestandenen Spiegeltest erfüllt", sagte Co-Autor Alex Jordan damals. "Weniger klar ist dagegen, ob man daraus schließen kann, dass Fische sich ihrer selbst bewusst sind – auch wenn in der Vergangenheit vielen Tieren ein Selbst-Bewusstsein zugeschrieben worden ist, nachdem sie den Spiegeltest bestanden hatten." (red, APA, 12.2.2023)