Rishi Sunak erschafft neue Ressorts.

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Wie hauche ich meiner schwächelnden Regierung neues Leben ein? Normalerweise beantworten britische Premierminister diese Frage mit einer Kabinettsumbildung. Der konservative Amtsinhaber Rishi Sunak griff am Dienstag zu einem seltener benutzten Mittel: dem Neuzuschnitt von Ressorts innerhalb der Regierungsbürokratie. Im Mittelpunkt stehen neue Ministerien für Forschung und Technik sowie Energie und Klimaschutz.

Der 42-Jährige hat seit seiner Machtübernahme dem Königreich zwar wirtschaftliche Stabilität zurückgebracht, freilich auf niedrigem Niveau. Als einziges größeres Industrieland werde die Volkswirtschaft der Insel im laufenden Jahr schrumpfen, sagt der Internationale Währungsfonds IWF voraus. Die Schuldenlast bewegt sich um die 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die Teuerungsrate lag zuletzt bei 10,5 Prozent.

In wichtigen Branchen, darunter bei der Eisenbahn und im schwer gebeutelten Gesundheitssystem NHS, wird seit Monaten gestreikt, ohne dass die Regierung ein Konzept zur Beilegung der Arbeitskämpfe zu haben scheint. Dementsprechend verheerend für die seit 2010 regierenden Torys fallen die Umfragen aus: Die Regierungspartei lag zuletzt bei 24 Prozent hinter der erstarkten Labour-Opposition unter Keir Starmer (50). Weil zudem kleinere Parteien wie die Liberaldemokraten und die rechtspopulistische Reform UK gut im Rennen liegen, steht den Torys bei der spätestens im Herbst 2024 erwarteten Unterhauswahl eine katastrophale Niederlage ins Haus.

Rebellierende Parteimitglieder

Als neuer Generalsekretär (Party Chairman) im Kabinettsrang soll Greg Hands die maulenden und rebellierenden Parteimitglieder für die bevorstehenden Lokalwahlen motivieren. Sein Vorgänger Nadhim Zahawi war über Steuerschummeleien gestolpert. Der 57-jährige Hands gehörte unter David Cameron schon einmal kurzzeitig dem Kabinett an, war zuletzt aber mehrfach Handelsstaatssekretär.

Greg Hands war schon einmal Teil eines Kabinetts.
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Deutschsprachige TV-Zuschauer erinnern sich vielleicht an Talkshow-Auftritte des verbindlichen, sehr gut Deutsch – und Tschechisch – sprechenden Politikers. Dabei versuchte der Abgeordnete für die feinen West-Londoner Stadtteile Chelsea und Fulham stets loyal die katastrophale Brexit-Entscheidung seines Landes zu verteidigen. Er selbst hatte 2016 für den EU-Verbleib gestimmt.

Ebenfalls mit viel Erfahrung und Medien-Affinität ausgestattet ist Grant Shapps im Ministerium für Energie und Klimaschutz. Dessen offizieller Name "Energiesicherheit und Net Zero" kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um die Rückbesinnung auf eine Labour-Initiative von 2008 handelt. Damals durfte Großbritannien bei der Fokussierung auf die Zukunftsthemen als Vorreiter gelten, erster Amtsinhaber wurde der spätere Parteichef Edward Miliband. Unter Shapps soll das Haus die Möglichkeiten beim Schopf packen, die sich durch den klimafreundlichen Umbau der Volkswirtschaft ergeben, hieß es aus der Downing Street.

Kultur, Medien und Sport beschnitten

Shapps' bisherigen Job als Wirtschaftsminister übernimmt in Personalunion die bisherige Außenhandelsministerin Kemi Badenoch. Unter ihr wird das wohlbekannte Ressort für Handel und Industrie wiederbelebt. Wirklich neu ist die Schaffung des Ministeriums für Forschung und Technik. Dessen Leiterin Michelle Donelan bringt aus ihrem bisherigen Aufgabenbereich im Kulturressort den Sektor Digitales mit. Das verkleinerte Haus für Kultur, Medien und Sport leitet nun Lucy Frazer, eine auf Staatssekretärsebene erfahrene Kronanwältin.

Lucy Frazer ist erfahrene Kronanwältin.
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Labour und Liberaldemokraten kommentierten die Umstellungen ebenso übereinstimmend wie verächtlich als "sinnlos": Längst sei ein echter Regierungswechsel zur Opposition überfällig. Zudem habe Sunak die Chance verpasst, seinen wegen Mobbings im Kreuzfeuer stehenden Vizepremier Dominic Raab in die Wüste zu schicken.

So innovativ sich Sunaks Regierung auch gibt, in einer Hinsicht bleibt alles beim Alten: Manche Sektoren führen ein Mauerblümchen-Dasein; Amtsinhaber verweilen kaum lang genug, um eine zuverlässige Lagebeurteilung abzugeben, geschweige denn neue Ideen umzusetzen. Frazers Beförderung ins Kabinett beispielsweise bedeutet, dass der Posten des Staatssekretärs für Wohnungsbau in den 13 konservativen Regierungsjahren zum 15. Mal neu vergeben wird, davon allein sechsmal binnen Jahresfrist.

Die Kosten durch interne Reibungsverluste, Umstellung von IT-Systemen und die Suche nach neuem Büroraum dürften Studien des Instituts für Regierungsstudien IfG zufolge einen zweistelligen Betrag erreichen. (Sebastian Borger aus London, 7.2.2023)