Cornelia Hütter kam mit guter Form, aber geschwächt von einem grippalen Infekt nach Méribel. Im ersten Abfahrtstraining war sie als Vierte (0,61 Sekunden hinter Sofia Goggia) dennoch Österreichs Beste.

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Egal was passiert, Hütter bleibt stets fokussiert.

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Wenn Cornelia Hütters Beine zittern, dann ist auszuschließen, dass dies das Resultat einer zu anspruchsvollen Piste ist. Die Steirerin, auch bekannt als "Vollgas-Conny", schreckt so schnell vor nichts zurück. Grund für das ungewöhnliche Symptom ist vielmehr ein grippaler Infekt, der sie ausgerechnet vor der WM eine Woche niederstreckte. Dennoch will die 30-Jährige am Mittwoch im Super-G (11.30 Uhr, ORF 1) mit Mirjam Puchner, Ramona Siebenhofer und Tamira Tippler auf Medaillenjagd gehen. Nach der Kombination sagte sie hustend und leicht zerknirscht, sie hätte gehofft, dass es ihr schon besser geht, aber ihre Oberschenkel "haben nicht so mitgespielt". Nachsatz: "Es ist zach."

Gelungene Generalprobe

Hütter ist eine der größten Hoffnungen des ÖSV auf eine Medaille, musste sie sich doch erst bei der Generalprobe in Cortina d’Ampezzo als Zweite im Super-G nur der Norwegerin Ragnhild Mowinckel geschlagen geben. Nach 16 Rennen ohne ÖSV-Podest sorgte sie für eine gewisse Erleichterung im viel gescholtenen Frauenteam, nachdem sie selbst Anfang Dezember für den davor letzten Podestplatz im Weltcup gesorgt hatte. Im Super-G zu Lake Louise war nur die Schweizerin Corinne Suter um zwei Hundertstel schneller. In der ersten Abfahrt ebendort war sie mit sechs Hundertstel hinter der Italienerin Sofia Goggia Dritte geworden, ehe sie ein weiteres Rennen wegen Kopfschmerzen und Sehstörungen ausließ.

Hütter hat mit den Folgen einer Gehirnerschütterung zu kämpfen, die sie sich im März 2022 bei einer Abfahrt in Crans-Montana zugezogen hatte, als sie beim Zielsprung gestürzt war. Erst vergangene Woche musste sie ein Training streichen, weil das Problem wieder akut geworden war. "Ich hatte damals ein Schädel-Hirn-Trauma. Es ist schon Thema, aber ich weiß, wie ich damit umgehen muss. Durch den Husten verspüre ich Druck im Kopf. Das allgemeine Befinden ist nicht erste Sahne, darum hoffe ich, dass ich mich jeden Tag besser fühle", sagt sie.

Entspannung hilft

Hütter verordnet sich immer wieder Pausen zwischen ihren Rennen. "Die beste Therapie ist Zeit", sagt sie. Prinzipiell habe sie das Problem, die Symptome im Griff. "Wenn der Nacken und der Schulterbereich muskulär locker sind, dann ist es um einiges leichter." Im Fall von Verspannungen nehme aber der Druck im Kopf zu, alles beginnt sich zu verkrampfen.

"Ich werde alt", sagt sie lachend und hustend. "Auf den Kopf fliegen ist nie förderlich. Ich glaube, das Gehirn wird oft unterschätzt. Wenn irgendein Knochen wegsteht, dann sieht man, dass etwas hin ist, aber wenn im Kopf etwas ist, dann ist das eher schwierig zu analysieren."

Eine Kopfverletzung brauche aber gleich viel Zeit und Geduld wie jede andere, zudem reagiere jeder Körper in Stress- oder Ausnahmesituationen anders. "Man ist keine Maschine, nicht immer funktioniert alles hundertprozentig. Ich sehe das ein und nütze meine Stärken, ich weiß aber auch, wie ich mit meinen Schwächen umgehen muss."

Wettlauf mit der Zeit

Hütter hofft nun, wieder langsam in den Rhythmus zu finden. Mit den Kräften muss sie aber noch haushalten, weil sie noch "sehr begrenzt sind. Vielleicht war das heute das Wachrütteln, damit ich wieder dort anschließen kann, wo ich vor dem Bettliegen aufgehört habe", sagt sie.

Ihr Debüt im Weltcup gab Hütter im Dezember 2011 in Lake Louise, seither feierte sie drei Siege. Der Premierenerfolg gelang ihr 2016 im Super-G in Lenzerheide, ihr bislang letzter in Garmisch-Partenkirchen 2022 (ex aequo mit der neuen Kombinationsweltmeisterin Federica Brignone).

Bei Weltmeisterschaften war das Glück bisher nicht auf ihrer Seite. 2015 in Vail / Beaver Creek verpasste sie als Vierte Super-G-Bronze um elf Hundertstel. Die WM in St. Moritz 2017 musste sie wegen eines Kreuzbandrisses auslassen. Beim Comeback im Dezember gewann sie prompt mit der Abfahrt in Lake Louise ihr zweites Weltcuprennen und galt auch bei Olympia 2018 in Pyeongchang als Medaillenkandidatin, konnte die Erwartungen aber nicht erfüllen.

Der nächste Rückschlag folgte wenig später. Die WM 2019 in Cortina d’Ampezzo verpasste sie mit einer Innenbandverletzung, ehe sie sich bei ihrer Rückkehr beim Weltcupfinale in Soldeu erneut eine Kreuzbandverletzung zuzog. Es sollte nicht die letzte sein. Im März 2020 lautete die Diagnose nach einem Trainingssturz erneut Kreuzbandriss. Im Februar 2021 setzte sie ihre Karriere fort. Rund ein Jahr später stürzte sie in Crans-Montana. Hütter sagt: "Wer nichts riskiert, gewinnt nichts. So ist das Leben." (Thomas Hirner aus Méribel, 8.2.2023)