Im niederösterreichischen Landtag ist der Frauenanteil besonders gering.

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Die repräsentative Demokratie solle eine Gesellschaft möglichst nach ihrer Struktur in einem Parlament abbilden – so lernt man es in der Politikwissenschaft. Demnach sollten die politischen Institutionen, wie auch die Bevölkerung, je zur Hälfte aus Frauen und Männern bestehen.

In der Realität funktioniert das nur bedingt, das zeigten zuletzt die Landtagswahlen in Niederösterreich. Das größte Bundesland besitzt weiterhin einen Landtag mit einem sehr niedrigen Frauenanteil – nicht einmal jeder dritte Mandatar ist aktuell eine Frau. Die Volkspartei will etwa nur zwei ihrer 23 Mandatsposten mit Frauen besetzten, DER STANDARD berichtete.

Die Personalbesetzungen der restlichen Parteien im niederösterreichischen Landtag sind noch unbekannt. Da die ÖVP einen Großteil der Mandatare stellt, stehen aber alle Zeichen darauf, dass der Landtag weiterhin einen Männerüberhang besitzt. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall.

Frauen sind in allen neun Landtagen in der Unterzahl.
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Richtet man den Blick allgemein auf alle Landtage in Österreich, zählt es zum politischen Alltag, dass Frauen unterrepräsentiert sind: Im Schnitt sind nur 37 Prozent aller Landtagsabgeordneten weiblich. Regionale Unterschiede gibt es zwischen den Bundesländern.

Schlusslicht Kärnten

Niederösterreich und Kärnten zählen zu den Schlusslichtern, wenn es um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geht. Der Kärntner Landtag zählt von den 36 Mandataren gerade einmal acht Frauen. Nur in Vorarlberg und in Wien sind in den Landtagen gleich viele Männer und Frauen vertreten. Alle anderen Länderparlamente liegen darunter.

Mitunter ein Grund für die Unterpräsentation von Frauen in den Landtagen sind die fehlenden gesetzlichen Regelungen zu der Besetzung von Männern und Frauen in den Fraktionen. "Die Parteien geben sich daher eigene Richtlinien, wie sie ihre Posten besetzen", erklärt Politikwissenschafter Armin Mühlböck von der Universität Salzburg. Einer zentralen Rolle komme deshalb der Listenerstellung vor Abstimmungen zu.

Die Parteien entscheiden selbst, wie viele Frauen auf ihrer Liste stehen. "Räumt eine Partei der Gleichstellung keine zentrale Rolle ein, stehen auch weniger Frauen auf der Liste", sagt Mühlböck. Dadurch ergeben sich große Unterschiede bei einem Vergleich zwischen den Parteien.

Schlusslicht ist die FPÖ. Nur jeder fünfte Mandatar der Freiheitlichen in einem Landtag ist weiblich. Im politischen Diskurs verweigert die Partei konsequent eine Einführung vorgeschriebener Quoten. Die ÖVP ist nach der FPÖ jene Partei mit dem niedrigsten Frauenanteil. Die Volkspartei sieht ihr Prinzip der Vorzugsstimmen als bewährtes System. So sollen die Wählerin und der Wähler über die Personalbesetzung entscheiden.

Listenplatz entscheidend

Für die Listenerstellung verwendet die ÖVP das Reißverschlusssystem, setzt also abwechselnd einen Mann und eine Frau auf eine Wahlliste. Dieses Verfahren habe aber ebenso seine Schwächen. "Entscheidend ist, ob als Erstes ein Mann oder eine Frau gesetzt ist", sagt Mühlböck. Denn es ist öfter der Fall, dass in regionalen Wahlkreisen nur die listenerste Person ein Mandat erhält.

SPÖ, Grüne und Neos kommen im Schnitt in den neun Landtagen annähernd auf ein gleiches Verhältnis zwischen Mann und Frau. Die Sozialdemokraten legen in ihren Statuten etwa fest, dass zumindest 40 Prozent aller Listen aus Frauen bestehen. In Burgenland und in Kärnten sitzen aber auch bei der SPÖ fast doppelt so viele Männer wie Frauen im Landtag.

Hohe Hemmschwelle

Neben der Listenerstellung dämpft auch die hohe Hemmschwelle für Frauen, überhaupt in die Politik zu gehen, die gleichmäßige Repräsentation. Gerade auf Gemeindeebene sei es laut Mühlböck für Frauen schwieriger, sich in einer Partei durchzusetzen. Die Gemeindepolitik kann aber das Sprungbrett für eine politische Karriere auf Landesebene sein und in einem höheren Listenplatz resultieren.

Ob eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote für Fraktionen notwendig sei, lässt Mühlböck offen. "Das ist Teil einer Debatte, ob das den entscheidenden Schritt bringt." Im Übrigen liegt der Frauenanteil im Nationalrat aktuell bei rund 40 Prozent. International ist Österreich damit im oberen Mittelfeld. (Max Stepan, 8.2.2023)