Wenige Stunden vor der Rede von US-Präsident Biden zur Lage der Nation tauschten sich Schallenberg und Blinken über weltpolitische Turbulenzen aus.

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Washington, D.C., ist manchmal ein Dorf. Diesen Eindruck musste man bekommen, als sich Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg und der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck auf der Pennsylvania Avenue über den Weg liefen. So zufällig die flüchtige Begegnung an den Hoteldrehtüren war, so wenig hatte natürlich der Aufenthalt der beiden in der US-Hauptstadt mit Zufall zu tun.

Habecks Mission war, gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire die Auswirkungen des US-Subventionsprogramms für grüne Technologien ("Inflation Reduction Act") auf Europa zu entschärfen.

Der Terminkalender von Außenminister Schallenberg hielt hingegen als Highlight ein bilaterales Treffen mit seinem US-Amtskollegen Antony Blinken bereit. Wenige Stunden vor der abendlichen "State of the Union"-Rede von US-Präsident Joe Biden tauschten sich die beiden über weltpolitische Turbulenzen, derer es derzeit zahlreiche gibt, aus. Beide Außenminister drückten auch ihre Anteilnahme für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien aus. Hilfe sei selbstverständlich.

Europäische Verwurzelung

Im rein außenpolitischen Fokus stand freilich einmal mehr der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dabei konnte sich Schallenberg eines Gesprächspartners gewiss sein, den mit Europa auch privat viel verbindet. Blinken, Sohn amerikanisch-jüdischer Eltern, verbrachte einen Teil seiner Kindheit und Jugend in Paris; sein Großvater stammte ursprünglich aus Kiew; Vater und Onkel waren Botschafter in Budapest und Brüssel.

Österreich und die USA eint ein gutes Verhältnis, nur die bis vor kurzem engen Beziehungen zu Russland wurden in den USA teilweise argwöhnisch betrachtet. Beim gemeinsamen Statement betonten die beiden Außenminister freilich ihre Wertschätzung füreinander als "starke Partner". Zu lange habe man die mit den USA geschlossene strategische Partnerschaft als selbstverständlich gesehen, betonte Schallenberg. Dass die USA in Europa auch militärisch und nachrichtendienstlich den Weg weisen, gilt vor allem im Lichte des Ukraine-Krieges wieder als erwünscht: Erst als Biden Panzerlieferungen zusagte, zogen die Europäer nach.

Blinken zollte Österreich jedenfalls "Anerkennung für das Engagement" in der Ukraine. Dabei sei den USA durchaus bewusst, dass Österreich im Gegensatz zur Schweiz politisch keineswegs neutral sei. "Ihr seid neutral, ohne neutral zu sein", brachte Blinken laut Schallenberg die Sache auf den Punkt.

Westbalkan-Expertise

Auch auf dem Westbalkan haben die USA – mit Blick auf die russischen wie chinesischen Vereinnahmungsversuche – im letzten Jahr ihren Einfluss wieder verstärkt. Österreich habe dabei durchaus eine Leadership-Position, betonte auch Antony Blinken vor Journalisten und Journalistinnen. Gabriel Escobar, US-Sondergesandte für den Balkan, saß mit am Tisch.

Es werde jedenfalls eine gemeinsame geostrategische Herausforderung der Zukunft sein, "unsere Nachbarschaft an uns zu binden", formulierte Schallenberg vor dem Termin ein Ziel der österreichischen Außenpolitik. Er sei sich mit Blinken einig gewesen, dass der Westbalkan in "unsere Wertegemeinschaft" eingebunden werden müsse. Gelingt das nicht, "sitzt der lachende Dritte in Peking oder Moskau". Unter dem gemeinsamen Druck der USA und der EU zeigten Serbien und Kosovo zumindest Anzeichen von Kompromissbereitschaft, was die Normalisierung ihrer Beziehungen betrifft. Westliche Diplomaten befürchten, dass die bisherige Eskalationspolitik des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić im Nordkosovo mit dem Kreml akkordiert sein könnte.

Für die Zukunft der europäischen und internationalen Sicherheitsarchitektur würden die aktuellen Weichenstellungen jedenfalls von großer Wichtigkeit sein, meinte Schallenberg gegenüber mitgereisten Journalisten. Es gehe nun auch um den Kampf der Narrative. Der Westen zeige angesichts der Ereignisse in der Ukraine nach wie vor eine "beeindruckende Geschlossenheit". (Manuela Honsig-Erlenburg aus Washington, 7.2.2023)