Yusuf Mehdi von Microsoft bei der Präsentation der KI-Integration in Bing und Edge.

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Glaubt man Microsoft, dann steht wir vor einer Revolution, ähnlich wie damals, als sich das World Wide Web für die Menschheit öffnete. Nur ist heute nicht der erste Browser das Tor zur digitalen Zukunft, sondern ChatGPT. Deshalb nennt es Microsoft-Chef Satya Nadella auch den "Mosaic-Moment", nach dem ersten Webbrowser. Nur sind heute die Vorzeichen andere: Bing und Edge sollen die Revolution anführen, dank der Hilfe der Technologie von OpenAI und deren Text-KI ChatGPT. So soll der Chatbot zum "Copiloten im Netz" werden.

Was Beobachter schon erwartet hatten, wurde nun von Microsoft bestätigt. Der Chatbot soll voll in die konzerneigene Suchmaschine Bing integriert werden und dort die Websuche nicht nur verbessern, sondern revolutionieren – zumindest ist man davon bei Microsoft überzeugt. Das funktioniert in der Praxis so: Gibt man einen Suchbegriff ein, wird das Fenster mit den Ergebnissen zweigeteilt. Auf der linken Seite finden sich die "klassischen" Sucherergebnisse in Form einer Linkliste. Rechts werden die Ergebnisse von ChatGPT dargestellt und die gesuchte Information auf Wunsch zusammengefasst, ausgerechnet, neu formatiert oder übersetzt. Die traditionelle Suche wird also um KI-Antworten erweitert, und am Ende muss der User entscheiden, was für ihn gerade relevant ist.

Das erfordert ein Umdenken beim Nutzer: "Heruntergedummte" Suchanfragen wie "beste Urlaubsziele Mexiko" sollen durch natürlich wirkende Prompts ersetzt werden. "Jahrelang hat sich der Mensch an die Suche angepasst. Jetzt ist es umgekehrt", hieß es von Microsoft. So soll die Anfrage in Zukunft "Plane eine fünftägige Reise durch Mexiko" lauten. Bing erstellt daraufhin einen Reiseplan, den die künstliche Intelligenz (KI) auf Wunsch gleich auf Spanisch übersetzt und per Mail an die Familie schickt. Ebenso soll es etwa möglich sein, die KI zu fragen, ob ein Möbelstück von Ikea auch ins eigene Auto passt.

Von spektakulären Ergebnissen und "No na"-Antworten

In der von Microsoft präsentierten Demo funktionierte all das einmal recht eindrucksvoll, ein anderes Mal auf "No na"-Niveau. In den vorgefertigten Filmchen wurde etwa gezeigt, wie Bing einen Menüplan für eine vierköpfige Familie mit vegetarischen Optionen (ohne Nüsse!) erstellt und daraus eine Einkaufsliste generiert oder mit welchen Zutaten man Eier im Kuchenrezept ersetzen kann.

Andererseits gibt es auch Suchergebnisse, die man auf traditionelle Weise ebenso gut und schnell erhalten hätte: So wurde die Frage nach den einflussreichsten japanischen Dichtern mit einer Liste aus einem Wikipedia-Eintrag erstellt – was zwar durchaus praktisch sein mag, aber technologisch weniger bahnbrechend wirkt.

Praktisch: Bei allen Ergebnissen führt Bing die Quellen als Fußnoten an. Weniger praktisch: Dabei werden nur die Domains (wie derstandard.at) und nicht der Link zur Information selbst angegeben – was im Zweifel erst wieder eine händische Suche notwendig macht.

Generell konnte auch die Microsoft-Demo ein grundsätzliches Problem von derartiger Technologie nicht völlig verhehlen: Die Gewichtung der Informationen wirkt oft sehr willkürlich. So nannte Bing bei der Frage nach einer Kaufberatung für ein neues Fernsehgerät mit Gaming-Qualitäten das US-Magazin "Forbes" als Quelle – ein seriöses Medium zweifelsohne, aber wohl nicht die erste Adresse, wenn es um Gaming-Hardware geht.

Das Sprachmodell hinter der neuen Bing-Suche stammt von OpenAI, dass dabei ChatGPT eingesetzt wird, wollte man nicht bestätigen. Es handle sich eine Abwandlung auf Basis von GPT-3.5, hieß es. Auch die Frage, ob es sich um eine Vorversion von GPT-4.0 handelt, blieb vorerst unbeantwortet. Microsoft nennt die KI-Integration in Bing das "Prometheus Model".

Microsoft blies damit auch ganz offen zum Angriff auf Google. Laut Ansicht der Redmonder hätte sich die Websuche in den vergangenen 20 Jahren nicht weiterentwickelt – das werde sich nun ändern, und es sei höchste Zeit, ein wenig Innovation in die Sache zu bringen. So kann das Suchfenster von Bing jetzt bis zu 1.000 Zeichen verarbeiten und 100 Sprachen sprechen.

KI wird in Edge integriert

Die Bing-Suche wird auch in Microsofts Edge-Browser integriert. Auf der rechten Seite wird es eine Art "KI-Leiste" geben, die den Nutzer bei der Arbeit unterstützt. So soll Edge in Zukunft in der Lage sein, etwa einen 15-seitigen Geschäftsbericht in eine übersichtliche Tabelle zusammenzufassen und diesen gleich mit einem Konkurrenzunternehmen vergleichen können. Außerdem soll Edge selbstständig Linkedin-Posts verfassen können, was eher die Businesskundschaft freuen dürfte. Ob das in der Praxis tatsächlich so einfach und fehlerfrei funktioniert, bleibt abzuwarten. Denn, wie gesagt, Microsoft zeigte nur vorproduzierte Videos.

Ausrollung "global und langsam"

Bing und Edge mit vollem KI-Support werden in einer limitierten Preview ausgerollt. Jeder User soll sie in den nächsten Tagen ausprobieren und eine begrenzte Zahl von Suchanfragen absetzen können. Für einen Zugang zur Vollversion muss man sich anmelden. Wie lange es dauert, das neue Bing auf alle Windows-Rechner und Mobile-Geräte zu bringen, auch darauf wollte man sich bei Microsoft nicht festlegen. Man werde das neue Bing "global und langsam" ausrollen. (Peter Zellinger, 7.2.2023)